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Personalausstellung von Norbert Kaltwaßer, Fotografie
22.02. bis 31.03.2020

 

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Liebe Freunde der Kunst,

das für den 12. März 2020 in unserer Galerie geplante Gespräch mit Norbert Kaltwaßer müssen wir leider wegen der allgemeinen Risikosituation um Corona absagen.

Die Entscheidung haben wir nach Rücksprache mit den Ärzten unseres Sohnes (dessen Gesundheitszustand sich nach erfolgreicher Knochenmarktransplantation stetig stabilisiert) getroffen. Norbert Kaltwaßer und das gesamte Team der Galerie danken Ihnen für Ihr Verständnis.

Als Anlage erhalten Sie den Text der Rede von André Schinkel zur Eröffnung der Kaltwaßer- Ausstellung. Wir danken Herrn Schinkel aufrichtig für seine Unterstützung!

 

Beste Grüße aus Halle

 

Familie Zaglmaier

 

Bitte beachten Sie unsere veränderten Öffnungszeiten. (Mo, Mi-Fr. 13:30 Uhr bie 18:30 Uhr) Wir haben bis auf Weiteres dienstags geschlossen.

 

2020

Personalausstellung von Norbert Kaltwaßer, Fotografie
22.02. bis 31.03.2020

 

 

 

 

André Schinkel

Die Stunde der Diadochen

Zur Ausstellungseröffnung von Norbert Kaltwaßer „Fotografie“ in der Galerie Zaglmaier, Halle (Saale), 22. Februar 2020.

 

Meine Damen und Herren, liebe Freunde der sublimen Künste –

die sprichwörtliche Stunde der Diadochen (ein Diptychon in dieser Ausstellung heißt so), sie scheint ein dunkles Gebot der Zeit zu sein, von der man vereinzelt schon glaubte, das Ende der Geschichte sei gekommen. Alles andere als das ist nun wahr: Wir sehen und hören es bröckeln und knirschen, wir stehen staunend an der Reling des Frevels, einbezogen, begehrend, gehört zu werden.

Ja, in diesem Februar sind wir umringt von einem Trauerspiel der Idiotie, das, wie zu fürchten ist, Geschichte und Abgrund zugleich macht. Es bleibt uns ja nichts übrig als zur Kunst zu flüchten, nein, uns in ihre Obhut zu begeben und dieses Obdach zu nutzen, um klarzuwerden, und aus ihr die Kraft zu schöpfen, die uns auch im Leben wie in den angewandten, den Staatskünsten etwa, tragen mag. Und wir werden wiederum nicht umhin können, in eben der Kunst auch wieder den lange und gern belächelten Widerstand zu erkennen, der in ihr geborgen ist und zugewandt, nun, eben menschlich konnotiert.

Die Diadochen sind Nachzehrer, die sich vom Abglanz des Altvorderen nähren – sie folgen den seltenen guten Königen wie den fürchterlichsten Tyrannen, bei ersteren in Versaubeutelung des Guten, bei letzteren mit ein wenig Abstand, um sich aus sicherer Deckung nach und nach jeden Tabubruch, jeden Dammbruch leisten zu können. Man kann nicht sagen, was gefährlicher ist, sehen doch die Resultate ihrer Machtkämpfe sich am Ende unglaublich ähnlich.

Wir sind gut beraten, wenn wir schon die zu wehrenden Anfänge nicht bemerkten, uns diesen an den Leichentüchern alten Ruhms, alten Frevels Nuckelnden entgegenzustellen. Bisher hat das leider nicht funktioniert, wie Wolfhagen, Halle, Erfurt und Hanau kotzenerregend zur Schau stellen. Aber es ist auch ein Bild dieser Zeit, daß eben dagegen Widerstand formiert wird – noch sind, hofft man, die Maßgaben der Aufklärung und ihre korrekte Deutung nicht verloren. Wie wir ihre Mißdeutung kennen, ist es uns möglich, aufmerksam zu sein.

Mit dieser Aufmerksamkeit kehren wir zu den Licht- und Schattenrissen, den Tänzen der Kunst zurück. Und finden uns hier, in diesem schönen Haus für die Kunst, in dem zu meiner, nein, unserer Freude heute die Fotografien von Norbert Kaltwaßer zu sehen sind – ein Suchschnitt durch sein fotografisches Werk der letzten Jahre, eine Erweiterung, Fortsetzung, Fortschreibung seiner Expedition zwischen Ausschau und Erkenntnis, Klarsicht, Ironie, Symbolismus.

 

All dies in schöner Ruhe und zugleich höchster Vitalität zu betrachten, es möge uns glücklich halten bis zur nächsten anstehenden Katastrophe, sei es im guten Fall, daß sie gehindert wird. Ja, denn wir sind vielleicht auf die Nocturnen und Totentänze verwiesen, um unsererseits das Rummeln und Drängen in uns unaufhaltsam zu spüren; ja, und müssen uns nach dem Walzer der Illusionen womöglich vom Marsch der Invaliden belehren lassen … – aber, und schon das scheint ein Fortschritt in dieser Epoche: Wir merken und spüren diese Belehrbarkeit in uns, wir fühlen, daß sie uns menschlich hält und noch eine Weile auf den Barken der Sehnsucht, auf denen wir eingecheckt sind ungebrochen, und die uns hindern, jetzt schon nach Charons Kahn zu schielen.

Soweit ist es noch lange nicht, und auch wenn eine Zeit kommen mag, da wir das nicht laut aussprechen dürfen, so zwinkern wir es uns beherzt mit unseren Sphinktern zu, die gegen den Zeitgeist paradiesische Kloaken sind, mit Whirlpool, all inclusive und vor allem der Aufrichtigkeit unserer noch nicht, noch nicht!, verkauften Seelen. Das haben wir in den letzten Wochen, den letzten Jahren und Jahrzehnten auch anders gesehen, und so ist es eben auch ein wenig der Reim unseres Widerstands, und wenn es anhand der Kunst ist, nicht den Verstand und die Würde zu verlieren, anheimzugeben, in den Orkus zu tun.

So besehen, sind die Nachtstücke und Stillleben Norbert Kaltwaßers beherzte, anarchische und doch auf den Bestand unseres Wissens seit jeher verweisende Anordnungen, in denen wir uns, angetan, frappiert von den Querbezügen zwischen Knochen und Panzer, Haut und Maskerade, aber nicht zuletzt mit einer edlen Unterhaltung, leisen Unterweisung (bei allem Lärm in manchem Interieur) und einem Augenzwinkern (diesmal sind es die Augen, die zwinkern!) ergötzt.

Puppenglieder sind es, die uns da ansehn, Knochen, die Umbi und Siffen von Schalengetier, ein mumifizierter Fischkopf ist dabei, diverses Gemüse mit exorbitanten Fähigkeiten des Daseins, Fundstücke, sich vor hellem oder – noch distinktiver – schwarzem Fonds gruppierend oder eine Einzelperformance leistend; Schiffe aus dem ungefähren Schweigen in klarste Linie und Abbildung gebracht, Nachen mit wunderlichen Namen betan, die auf manchem Ozean die Einfuhr erschwerten: „Der König und sein Kebsweib“, „Hera und Pallas Athene enttäuscht über das Urteil des Paris“, „Don Juan trifft Casanova, oder: mir steht er immer noch“. Ja, man darf auch feixen über diese herrlichen Titel – wie sie den Stillleben ein tatsächliches, agiles Lebendiges geben und zugleich in die Tiefe loten dessen, was das Menschliche, Allzumenschliche ausmacht: „Glaube Liebe Hoffnung“, auch das ein Name für ein Bild aus der Reihung dessen, was einem im Hinblicken widerfährt.

Inszeniert ist dieser Reigen aus Nocturne und Nature morte zu einer Art „edler Einfalt, stiller Größe“: vor einem ausgeräumten Hintergrund gelingt eine Konzentration auf das zum Teil minimalistisch Angeordnete, wirkt so zuweilen wie archäologische Dokumentation im besten Sinne (ich denke dabei an die ihrerseits Inszenierungen Juraj Liptáks) oder aber als ein Welttheater en miniature, in dem das Unbelebte, einst Belebte in Dramen von Shakespeare’scher, antiker Wucht verwickelt scheinen. Da ist einem das Zwinkern in den Titeln manchmal ganz recht, sie schaffen einen (sic!) „Dialog auf Augenhöhe“, lassen uns angesichts der frappanten Untiefe dieser in ihren Gegenständen anfassenden und doch von irdischer Schönheit gezeichneten Fotografien atmen und staunen. Daß ein Lachen und Ertapptsein dabei einberechnet ist, man ahnt es schon, wenn man auf das erste Bild und seinen Namen sieht.

Das Gestückelte und wieder zu einem Neuen Zusammengesetzte, es ist auch ein Abbild dessen, was wir, so wir nicht gebürtige Buchhalter sind, in unserem eigenen Leben nicht eben nur erleben, sondern auch unternehmen – um durchzukommen, Ruhe zu finden, Dinge abzulegen, die vielleicht unablegbar sind. Und dem Strand- und Fundgut einen Ort zu geben, was ihm zugleich, bei aller Skurrilität, die dieses Arrangieren auch in sich hat, eine Anwesenheit und Würde leiht.

Und nicht umsonst kommt das Motiv des Tanzens immer wieder auf, ist es doch ein Reigen, ein, wie es Robert Smith beschreiben würde, „Step into the light“, eine stille, doch rhythmisch bewegte Karawane durch die diversen Schlangengruben dieser Welt. Terpsichore kommt darin vor, die Muse des Chorgesangs und des Tanzes. Auf dem Bild ist sie stumm, aber wenn wir ganz leise sind und uns bis in den Ultraschallbereich mühen, hören wir sie singen und fiedeln. Oder sind es doch The Cure, die ratschend und an den sechssaitigen Bässen ziehend, einen Teppich aus Sound um das Jahrhundert legen?

Leise bewegen wir uns mit im Kaltwaßer’schen Kosmos und merken nicht, es wird Nacht und Morgen dabei, wir sind, an den Augen geleitet, diesen Anordnungen und Durchführungen längst zärtlich verfallen: „It can never be the same.“ Das leise Klappern der Mandibeln und Kalotten, aus Fischen, Minotauren und Delphinen gepflückt, es begleitet uns von nun an, da wir dies sahen. Natürlich, wir sind gekommen, um gerade dies zu sehen und eine Labung im zarten Schrecken zu fühlen, der uns vielleicht von den groben Schrecken noch eine Weile fernzuhalten vermag. Letztlich aber spiegeln die Symbole sich tonlos laut ineinander, und wir begreifen vielleicht, wie es um die Welt beschaffen ist, wenn sie so auf das Tablet gebracht wird, triftig und fremdelnd zugleich. Karawane, Interieur und Tanz – es ist hier auf eine beeindruckende Melange gebracht, und man mag staunen, in welche Tiefen das Betrachten und Sinnen uns führt, ungewiß noch über die Wege zurück.

 

Naja, nun ist Terpsichore auch die Mutter der Sirenen. Wir sind also, wenn wir sie hören, auf eine so wundervolle wie unwiederbringliche Weise verführt und fahren in die Gewölbe eines Friedens ein, der im Moment nur mehr verhießen ist, eine Sicherheit, die im Kemmerich-Land wie selten auf eine nun panisch zu verhindernde Kippe gesetzt ist. Eine Situation, in der man wünschte, in einem der Dioramen, in einer der Setzungen Norbert Kaltwaßers fixiert zu sein, im Wissen, die Doofheit bleibt vor der Tür, und es gibt Wirkliches zu verhandeln wie Liebe, Lust, die Schwere liebender Entscheidung, das Schimmern von Vernunft und Anarchie, die sich von ersterer nur im Hinblick auf das Chaos, nicht die Freiheit, separiert und den Künsten injiziert ist.

Denn so ist es, und das sehen wir auch hier – im dreifachen Triptychon der Nachtstücke, anheimelnd und ein wenig gespenstisch zugleich, in der Serie des stillen Beieinanderstehens, im „Exkurs über die Schönheit“, bedroht von den Machterhaltern und wirr aus dem Stuck nölenden Errungenschaftsverfremdern, die schon das Reich Alexanders des Großen zerkloppten. Wir sehen sie, als fleischgewordene Geister, gerade von allen Seiten auf uns zutreten und murmeln oder brüllen, orangefarbene Perücken tragen, mit bloßen Händen betäubte Bären erwürgen, bevor sie sich in den Marmor ihrer blasierten Masken zurückziehen dürfen und sich von der Urgroßmutter der Dämlichkeit und der geschürten Sinnlos-Konflikte die drei goldenen Sackhaare kämmen lassen.

Wie idyllisch kommt uns angesichts dessen die Folge dieser Bilder vor, wie würdevoll, wie mit der Freiheit des Gedanken, den ein gut angezogener Mann in seinem Studio pflegen darf, flitternd geehrt. Ja, denn es ist auch eine Frage des Geschmacks, diese Welt in all ihren Fasern zu lieben und ihr auf diese Weise die Aufwartung zu machen. Und es ist auch eine Art des Gegenhaltens, wenn man den Blick nicht wendet und sezierend-stoisch draufhält, zu erfahren, was da ist, für das sich aller Aufwand, jedes Beginnen wieder und wieder lohnt.

 

Es muß, denke ich, und denkt auch Norbert, doch noch etwas sein, um das es sich lohnt und das geeignet ist, über die Schwären und Gebresten zu lachen und ihnen feine Tücher zu geben oder, umgekehrt, sie ihnen entlarvend zu entreißen. Die wohl triftigste Antwort darauf findet der Künstler in der vierten hier vorgestellten Motivkette, einem Zyklus aufwendig arrangierter Selbst- und Weltzustandsporträts zugleich. Es sind die gegenläufig zur Aussage schwer gerahmten „Sinnbilder für Demut und Bescheidenheit“, in denen die ganze Klasse dieses Mannes auf eine so entwaffnende wie fesselnde Weise Fotografie wird und quasi zu einem Übertanz um die übrigen Tänze zusammenschießt.

Es sind verkleidete Sisyphosse, so vergebliche wie doch auch unbeirrte Narrenkönige, als die sich der Fotograf selbst einfängt, Abgesänge auf die „Schönheit der Attitüde“, das bildliche Tragen von Hoffnung, das Einprügeln von und auf Wahrheit und Schrift, das letzte Anerbieten Europas an den Stier – und es ist wohl selbst ein Narr, wer allein Mythisches dabei denkt. Dieses Erhabene, auf den Punkt Gesetzte, es schlägt in diesen Bildern noch einmal eine andere Volte. Ja, denn die Belebtheit des penibelst Arrangierten packt einen, zerrt und reißt einen zum Grund jedes Bilds, in das man eintauchen muß, um in ihm das große Rauschen vor der Stille zu hören, das Trällern des Wagemuts, das dem Wimmern der Vergeblichkeit weit, weit vorausgeht und doch weit hinten den Gang in ein Stillleben seinerseits auch andeutet.

Wie Vitrinen wirken diese Sinnbilder, in denen man etwas bewahrt, um das es sich einmal, in einer anderen Welt, gelohnt haben könnte, die nun in langsames Erstarren gerät … Gelächter, Entsetzen, Beharren und Lassenwollen im Gesicht, auf kunstvollste Weise zwischen Salomé und Ernüchterung, zwischen Parforce-Schaukelpferd und dem Wüst End einer Betonwand aus Grau aufgespannt. Hochseeangler begegnen uns da, einer, dem man erst Hoffnung schenken mag angesichts der schweren Koffer, vielleicht mit selbiger gefüllt, einem Ikarus, an die zarten Läufe von Krähen geknüpft und ganzen vier vergeblichen Herrschern, die von blinden Gefolgsleuten heimgesucht sind und sich selbst als wasserschöpfende Zombies noch einmal neu erfinden wollen.

Ja, und eine Leda inmitten, in die man sich, bei Strafe des Ehrverlusts und Schwanenbanns, unweigerlich verlieben muß. Aber so, meine Damen, aber vor allem Herren der Schöpfung, so fühlt sich Lebendigkeit an! Das ist es, was uns aus der Lethargie der Dinge reißt, die meinen, uns beherrschen zu müssen. Wehe, wenn einer sich verweigert!

Norbert Kaltwaßer hat immer fotografiert und aber darum nie einen Kult betrieben, nicht ein derartiges Aufheben gemacht wie mancher nach Übersee verschiffte Gockel des Kunstbetreibchens. Er hat eine Reihe Jahre im Bergwerk der Notwendigkeit gearbeitet und sich dahinter stets einen schillernden Gang in das eigentliche Bergwerk, die Wendung des Fotografierens in künstlerische Arbeit, freigehalten.

Die Resultate dieser Jahrzehnte währenden Passion können wir heute betrachten: in den durch die Räume thematisch geordneten Zyklen, einerseits als in fein arrangiertes Masken-, Knochen-, Puppenglieder- und Mohnrondell, als irrwitziges Theater angelegter „Danse macabre“ und drittens als Expedition an den Rand des Möglichen: auf den „Barken der Sehnsucht“ eben, die Sie überraschen werden.

Norberts Katlwaßers Weg von Berlin nach Halle, in den Jahren der Spät-DDR der Liebe wegen eingeschlagen, war sicher zugleich eine Art ethnosoziale Forschungs- und Erfahrungsreise, die mit dem täglichen Erwachen in einer der reizvollsten und verkanntesten Städte Mitteldeutschlands ausgeht, in der es sich lohnt, zu leben, den Stuck an den Wänden zu halten und: aufmerksam zu bleiben.

Auf dem Fond dieser Erfahrung entstehen die Inszenierungen, die wir hier besichtigen dürfen: Es blüht und schillert in diesen Stillleben, es knirscht und schweigt, und hinter den Reihen flackert das eine oder andere Bild auf die Welt. Lieber Norbert, es ist schön, heute mit Dir hier zu sein und diese wundervolle Ausstellung zu eröffnen!

 

Wir freuen uns auf Ihren Besuch bei uns im InterArtShop.de

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