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Eröffnungsrede - Ulrich Tarlatt - "Am Weg" Am Weg Bernburg ist eine geschichtsträchtige und durchaus liebenswerte Stadt im Herzen von Sachsen-Anhalt. Gerade mal 42 km entfernt befinden sich die kulturellen Zentren Halle, Magdeburg und Dessau. Neben Ulrich Tarlatt leben jedoch nur sehr wenige Maler und Grafiker hier. Was man in Bernburg als Künstler braucht ist ein funktionierendes, möglichst weltweit agierendes Netzwerk. Im Zeitalter des Internets und der offenen Grenzen scheint der Begriff âNetzwerkâ fast schon banal und über die selbstverständliche Nutzung der sozialen Medien zu alltäglich, als das ihn hervorzuheben angebracht scheint. Das Netzwerk, mit dem der Name Ulrich Tarlatt auf das Engste verknüpft ist, bot die âMail Artâ. Was ein Telegramm ist, weià manch junger Mensch heute bereits nicht mehr â Briefe kennt man gerade noch. Mit Briefen, Karten oder Paketen also schuf man spätestens seit den 1960er Jahren weltweit Netzkunst. Das funktionierte von den Metropolen, wie auch den kleinsten Ortschaften unseres Planeten, aus und zwar die politischen Systeme übergreifend. Auflagen von Kunstwerken, z.B. Grafiken, Dokumentationen von Kunstaktionen, auch Objekte wurden verschickt, empfangen, ergänzt, weitergereicht und gesammelt. Nicht selten entstanden so jenseits der üblichen Verteiler des Kunsthandels qualitativ hochwertige Konvolute als Gemeinschaftswerk international tätiger Künstler, die sich persönlich nie trafen und sich gedanklich doch so nahe waren. Mehr noch als die materiellen Objekte gilt der Prozess dieser fortgesetzten kollektiven Selbstschöpfung durch seine Akteure als das eigentliche Ziel. Eine besonders glückliche Fügung ergab sich nach 1986 mit dem Zusammentreffen von Ulrich Tarlatt, Jörg Kowalski und Guillermo Deisler. Gemeinsam mit dem hallischen Dichter Jörg Kowalski gründete Ulrich Tarlatt bereits 1987 die bis heute erfolgreich aktive Edition Augenweide, die auf einzigartige Weise Poesie und bildende Kunst vereint. Guillermo Deisler gilt weltweit, und für alle Zeit, als eine unvergessene zentrale Triebkraft der âMail Artâ und somit auch im damaligen Osten Deutschlands, wo er lebte und arbeitete. Sein bewegender Lebenslauf, geprägt vom Militärputsch des 11. September 1973 in seinem Heimatland Chile und einem beispiellosen und unfreiwilligen Weg im Exil von Frankreich über die DDR, nach Bulgarien und wieder in die DDR, endete 1995 viel zu früh hier bei uns in Halle. Gemeinsam mit Jörg Kowalski gab Guillermo Deisler noch zeitgleich mit dem Ende der DDR die Anthologie âwortBILDâ, unter Beteiligung von Ulrich Tarlatt und weiteren namhaften Künstlern, heraus. Mit der Ãffnung der Grenzen zu Beginn der 1990er Jahre, und zweifellos auch mit dem aufkommenden Internet, verlor die âMail Artâ ihre ursprüngliche Bedeutung als Distributionselement. Visuelle Poesie wurde mehr und mehr Schwerpunkt der âMail Artâ, so auch im Werk des genannten Künstlertrios. Immer häufiger entstanden Künstlerbücher und -kassetten. Heute gibt es nun vor allem die digitale Form der âMail Artâ, welche auch als âNet Artâ bezeichnet wird. Es sei mir an dieser Stelle gestattet an die drei Ausstellungen unserer Galerie von 2004 âFedern für meinen Flugâ in Gedenken an Guillermo Deisler hier in diesem Hause und an zwei weiteren Standorten der Stadt Halle zu erinnern. Laura Deisler machte mich damals mit Ulrich Tarlatt bekannt. Die Ausstellung von heute war seither mein persönlicher Wunsch. Ich bin froh im vergangen Jahr endlich erneut Kontakt zu dem Künstler aufgenommen zu haben. Das digitale Netzwerk machte es via Facebook und eMail möglich. Dort gibt Ulrich Tarlatt zeitgemäà und aktuell Einblick in seine Arbeit. Die heute zu eröffnende Ausstellung von Ulrich Tarlatt trägt den Titel âAm Wegâ und zeigt Bilder und Skulpturen. Und tatsächlich, der Maler widmet sich dem Unscheinbaren, entdeckt am Rand des Lebensweges. Er setzt mit leidenschaftlicher Freude in Szene, woran andere vorübergehen. So vieles können wir nicht erklären. Die Phantasie beflügelt uns. Die Bilder: Der Künstler lässt uns schwelgen und sagt: âDie Geschichte eines Bildes muss sich jeder selbst erzählen.â Tarlatt malt oder zeichnet ungezügelt auf Papier, Karton, Hartfaser oder Leinwand. So entstanden die mittelgroÃen Arbeiten, zu sehen im Flur und Treppenhaus dieser Ausstellung, hergestellt auf italienischem Zeitungspapier in Mischtechnik, frei und ungezwungen, und unter dem Eindruck mediterranen Lebensglücks. Gleich gegenüber im Flur sind ebenfalls gegenstandslose Kompositionen, frei auf Papier, gefertigt mit Tusche, Buntstift und Farben, zu bewundern. Wir erleben farbenfrohe Malerei in Acryl, meist abstrakt und offen, gelegentlich mit figürlichen Elementen, die zufällig wirken und vom Betrachter abverlangen entdeckt zu werden. Streng komponiert sind Reihungen im Raster, erzeugt durch Farbaufdruck mit Ballen aus Stoff oder Papier. Sie sind eine Hommage an Carl Longjaloux (lüongalu), der 1879 seinen âHanddruckapparat mit Selbstfärbungâ zum Patent anmeldete. Bis heute sind uns die mit Gummiwalzen auf die Wand gedruckten dekorativen Friese bestens vertraut. Bewusst präsentieren wir hier im Obergeschoà der Galerie, Die Objekte: Ãhnlich dem Modell einer frühzeitlichen Siedlungsform, sind Bauwerke auf kreisrundem Grundriss platziert. Manche sind klein wie Hütten, andere wirken stattlich und erhaben. Die in Aluminium gegossenen Objekte lassen Deutungen offen, vermitteln jedoch sowohl einzeln, als auch in der Gruppe, ein heimisches Wohlbehagen. Jedes der Stücke ist ein Unikat. Mit einem Bohrer brachte der Künstler Gusskanäle in die auf dem Kopf stehende Sandform ein, verfremdete die Strukturen zusätzlich mit anderem, auch flächigem Werkzeug und riss Partien auf. Der Reiz der Arbeit liegt hier, wie auch bei den an der Wand montierten Objekten, ebenfalls im spürbaren künstlerischen Prozess, der, so kontrolliert er auch scheint, letztlich immer auch zufällig ist. Das Ergebnis bleibt stets offen, bis der Guss vollendet und die Plastik gereinigt ist. Die GuÃform geht verloren. Durchgehend kontrolliert jedoch entstehen Tarlatts Skulpturen aus Holz. Fundstücke, das können schon mal alte Druckstöcke sein, werden bearbeitet. Material wird abgetragen. Den Abschluss bildet hier häufig die farbliche Fassung - ganz in der Manier des Künstlers. Ulrich Tarlatts Atelier ist, wie mit dem Foto der Einladungskarte angedeutet, atemberaubend und bemerkenswert. Der Künstler nutzt sorgsam die Räumlichkeiten eines technischen Baudenkmals, einer alten Mühle, mit all den auf uns überkommen funktionellen Details der Zeit ihrer Erstellung. Dem Bauwerk tut die Nutzung gut und es dankt dem Künstler, bietet ihm Flächen, Schutz und Einkehr. Zentral angeordnet stehen die Staffeleien und Tische mit Pinseln, Farbbehältern und Utensilien. Baustrahler sorgen für das passende Licht. Hier kann Ulrich Tarlatt zu jeder Zeit schaffen, kann die Arbeit an einem Bild unterbrechen, um sie an einem Anderen fortzusetzen. Der Maler kann Abstand gewinnen, verwerfen oder optimieren. Bilder hängen an den Wänden und liegen auf dem FuÃboden. So werden Blöcke gebildet, Arrangements geplant. Daneben Skulpturen aus Holz und Plastiken, gegossen in Aluminium. Das Radio klingt. Sonst dringt nichts von auÃen ein. An einer Wand lesen wir den Satz âUnsere Augen verschaffen uns eine Menge Freuden.â wir verstehen - hier geht es um freudvolles, konzentriertes Arbeiten. Eigentlich ist alles ganz einfach. Benommen vom Farbrausch und der Fülle der Eindrücke, überträgt sich ein gutes Gefühl. Wir fahren heim, 42 km.  Thomas Zaglmaier Halle (Saale), den 15. September 2018 | ||||||||||||||||||
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