Es ist ebenso menschlich, bei den Bildern der Opfer und der Zerstörung in Gaza und im Libanon Mitleid zu empfinden. „Die armen Kinder”, sagte der Bruder einer von der Hamas ermordeten Studentin zu mir, als wir im Juli in Kfar Aza die Schusswechsel aus Gaza hörten. Wie die meisten Israelis wünscht er sich, der Krieg möge enden. Doch in Israel wissen selbst die schärfsten Kritiker von Benjamin Netanjahu und seiner Extremisten-Koalition: Ein Staat, der seine Feinde nicht abschreckt, ist bald kein Staat mehr. Israel muss sich militärisch verteidigen. Besiegen wird es – trotz aller Geheimdienst-Erfolge der letzten Wochen – den Terror nicht. Ein echter Sieg wäre nur, wenn die Palästinenser endlich den Staat Israel anerkennen würden. Der Glaube daran, an ein friedliches Mit- oder zumindest Nebeneinander, wurde am 7. Oktober vernichtet, für sehr lange Zeit. Damit ist das Kalkül der Hamas voll aufgegangen: das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust zu verüben und fast zeitgleich, weltweit, den Hass auf Juden zu schüren. Die jungen Besucher des Nova-Festivals, so das vielstimmige Urteil auf Social Media, hätten eben nicht auf „besetztem Land” tanzen sollen. Selbst schuld, wer da vergewaltigt, abgeschlachtet oder entführt wurde. Und schnell noch drei Wassermelonen-Emojis hinterher gepostet. Egal, dass es kein besetztes Land war. Egal, dass die UN versagt und die EU weggeschaut hat, als Hilfsgelder in die Terror-Tunnel flossen. Egal, dass Hamas die Zivilisten in Gaza bewusst für die antisemitische Sache opfert. Egal, dass Israel Entscheidungen über Leben und Tod treffen muss, die Deutschland – hoffentlich – für immer erspart bleiben. Wir haben den Luxus, dass der 7. Oktober für uns ein Jahr her ist. Für Israel dauert er an. Wie sind Ihre Gedanken zum Jahrestag des Massakers? Schreiben sie uns: feedback@focus-magazin.de |