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Liebe/r Leser/in,

kein Mensch von Verstand wird von einer Regierung verlangen, Politik nach der Laune von stündlich schwankenden Umfragen zu machen. Andererseits: Gegen den Willen der Bürger zu regieren ist auf Dauer auch keine Lösung, schon gar nicht in der Demokratie. Jede einzelne Maßnahme brauche die Mehrheit des Volkes, so erklang deshalb im Sommer der Refrain von Bundeskanzler Olaf Scholz, darauf gemünzt, sich und seine SPD abzusetzen gegen die grünen und gelben Partner, die vermeintlichen Partikularinteressen hinterherjagen.

Allein die Ansage des Regierungschefs erreicht nicht das Ohr des Volkes. Die Zustimmung zur Ampelkoalition ist im August sensationell niedrig: Vier von fünf Befragten fühlen sich schlecht regiert – ein trauriger Negativrekord, der das Vertrauen in die Politik als solche erschüttert. Fast 70 Prozent halten den Staat für überfordert, sie sehen die Politik nicht in der Lage, die wesentlichen Aufgaben zu erfüllen. Auch dies ein historisch schlechter Wert, 2020 zweifelten nur 40 Prozent an der Kompetenz des Staates. Damit erübrigen sich weitere Nachforschungen, woher sich der Zulauf zu den Extremisten am rechten Rand speist.

Nach dem Urlaub werde alles ­besser, tönte die matte Ampeltruppe auf ihren sommerlichen Wald-und-Wiesen-Touren, gleich nach der Rückkehr in die Hauptstadt werde sie das vermaledeite Gebäudeenergiegesetz – vulgo den „Heizhammer“ – von der Rampe schieben. Schließlich drohen im Herbst Landtagswahlen, und wer will in Bayern und Hessen schon im Desaster enden?

Trotzige Zuversicht war deshalb Pflicht im Regierungslager, in Widerspruch zu den Befunden des ökonomischen Nieder­gangs. Selbst Milliardengeschenke an amerikanische und taiwanische Großkonzerne zur Ansiedlung von Chip­fabriken bejubelte das Duo Scholz und Habeck als Ausweis wirtschaftlicher deutscher Stärke, gerade so, als würde der Kneipenwirt, der Freibier ausschenkt, sich dafür feiern, dass bei ihm so rege umsonst getrunken wird. Mit dem Unterschied freilich, dass der Gastro­nom für die Freibiersause selbst aufkommt, während die Politik die Wähler dafür belangt – irgendwann, wenn die hoffentlich ­vergessen haben, wer ihnen den Kater eingebrockt hat.

Und als wäre das alles nicht bitter genug, kommt zum Start nach den Sommerferien nun eine grüne Ministerin namens Lisa Paus daher und torpediert ausgerechnet das, was in dieser Lage am nötigsten wäre: ein Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Auch wenn sich über manches Detail streiten ließe – alles ist besser, als tatenlos dem Abstieg entgegenzutaumeln. Frau Paus sind ­solche Gedanken offenbar fremd. Sie beeindruckt nicht mal, dass ihr eigener Vizekanzler Robert Habeck zum Wohl von Betrieben und Beschäftigen für das Vorhaben votiert hat.

Dafür darf Deutschland bald kiffen, dazu reichte die Kraft des Kabinetts ­diese Woche gerade noch – gegen den Rat von Polizeigewerkschaft, Richtern, Bundesärztekammer. Politik ist immer eine ­Frage der Prioritäten.

Herzlich Ihr

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Georg Meck,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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