|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 13.04.2023 | Stark bewölkt bei bis zu 13 Grad. | ||
+ 80 Prozent der Berliner wünschen sich Verbot von E-Tretrollern + SPD-Mitgliedern zoffen sich weiter wegen Schwarz-Rot + Neu-Abgeordneter der CDU droht seinen Parteifreunden + |
von Lorenz Maroldt |
|
Guten Morgen, der elektrifizierte Tretroller ist vom Fortbewegungsmittel zum Feindbild Nummer 1 mutiert: In Paris wurde gerade ein Verbot per Volksbefragung verlangt, und auch in Berlin wünscht jetzt eine robuste Vierfünftel-Mehrheit den Scootern einen sicheren Platz der ewigen Ruhe auf dem Schrotthaufen der Verkehrsgeschichte, fernab aller Rad- und Gehwege. Dabei ist, frei nach Rosa von Praunheim (die Älteren unter uns erinnern sich), nicht der Roller pervers, sondern die Gesellschaft, in der er fährt: Das Problem ist der Missbraucher, nicht der Missbrauchte. Mal abgesehen davon, dass in Berlin 1,24 Millionen Blechhaufen ganz legal im Weg herumstehen: Jede Rollerbewegung wird aufgezeichnet, jeder Rollerfahrer ist bekannt – warum also nehmen die Anbieter lieber ein Verbot ihres Geschäfts in Kauf als ihre Kunden energisch in die Pflicht? Warum erheben Sie keine Strafgebühren für falsches Abstellen? Warum sperren sie nicht die Falschparker, die ihnen wirtschaftlich schaden und andere gesundheitlich gefährden? Beim ersten Verstoß für eine Woche, beim zweiten für einen Monat, beim dritten für ein Jahr? Wollen oder können die Anbieter öffentlich verhängte Strafen nicht an ihre Kunden weiterreichen, so wie das ja auch die Verleiher von Mietautos machen? Oder tun sie das alles längst, und es bringt bloß nichts? Wir haben die Unternehmen Voi, Tier, Lime und Bolt befragt – hier die Antworten, zusammengefasst: Wird alles schon gemacht. Tja, nur offenbar weitgehend erfolglos (u.a. auch deshalb, weil die Roller oft von Dritten umgeworfen werden). Womöglich würde sich ein konsequenter städtischer Roller-Abschleppdienst mit anschließenden Ordnungsgeldverfahren zugleich positiv auf den Gehwegen und im Landeshaushalt bemerkbar machen. Denn wie stellte bereits unser Checkpoint-Chefphilosoph Laotse fest: „Je mehr Verbote, umso ärmer das Volk.“ | |||
|
Bei der SPD rappelt's weiter in der Kiste wegen der Mitgliederbefragung zur schwarz-roten Koalition (CP v. 11./12.4) – gestern sah sich Lilian Tschan, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, zu folgender Erklärung veranlasst (via Twitter): „Angesichts der Kommentarlage zwei Klarstellungen: 1. Es handelt sich um meine Meinung als SPD-Mitglied, mit meinem Job hat das nichts zu tun. 2. Werbe ich für eine faire Diskussionskultur, Beschimpfungen als ‚Lügnerin‘ oder gar ‚besch***** Rassistin‘ gehören sicher nicht dazu!“ Zuvor hatte sie bekannt gegeben: „Ja! Ich halte es mit Franz Müntefering: ‚Opposition ist Mist‘!“. Mit anderen Worten: Sie stimmt für die Koalition mit der CDU. In der „Kommentarlage“ fanden sich allerdings auch einige Hinweise darauf, dass die Alternative zu Schwarz-Rot nicht zwangsläufig Opposition bedeutet – Rot-Grün-Rot hätte bekanntlich ebenfalls eine Mehrheit (wenn auch wohl nicht mehr mit Franziska Giffey an der Spitze). | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Aufwind bekommen die Schwarz-Rot-Gegner in der SPD durch eine CDU-Personalie: Der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke soll Jugendstaatssekretär werden – und er selbst nennt den Zeitpunkt der Veröffentlichung „unglücklich“. Sogar in seiner eigenen Partei gilt Liecke als Hardliner bei der Integrationspolitik. So regte er u.a. die „Inobhutnahme“ von Kindern aus kriminellen Großfamilien an, um die „Vererbung“ krimineller Karrieren zu durchbrechen. Nach den Silvesterkrawallen nannte er den „Gipfel gegen Jugendgewalt“, einberufen von Franziska Giffey, einen „Showgipfel“ und forderte ein härteres Durchgreifen der Polizei. Seine Agenda hat er in einem Buch mit dem Titel „Brennpunkt Deutschland – Neukölln ist erst der Anfang“ vorgestellt – die Rezension von Julius Betschka können Sie hier lesen. Auch in der zweiten Reihe beider Parteien rumort es. Bleiben wir gleich mal bei der CDU: | |||
|
Hier wird der Neu-Abgeordnete Lucas Schaal seltsam verhaltensauffällig. Sie erinnern sich? Schaal ist der schwarze Punkt auf der ansonsten grüngefärbten politischen Innenstadtkarte Berlins, Direktmandat im Wahlkreis rund um die Friedrichstraße. Am kommenden Sonnabend will sich der bisherige Referent von Friedrich Merz zum JU-Landesvorsitzenden wählen lassen. Damit dabei nichts schiefgeht, versucht Schaal, kritische Stimmen zu unterdrücken – mit Drohungen gegenüber Parteifreunden. Dazu schauen wir uns mal einen WhatsApp-Chat des JU-Landesvorstands an. Schaal veröffentlicht dort im Original eine Tagesspiegel-Anfrage an ein Parteimitglied, fordert mögliche „Hinweisgeber“ in der Gruppe auf, ihr „Gewissen“ zu prüfen und kündigt an: „Alles weitere prüfen meine Anwälte, denn auch Redakteure reden recht viel ;-)“ Hohles Gequatsche – wir schützen unsere Quellen, auch wenn der großspurige JU-Chef von Mitte mit einer Armada von Jurastudierenden aufmarschiert. Seine Chat-Nachricht beendet Schaal übrigens mit dem süffisanten Hinweis, wer über „Interessantes zur JU“ reden möchte, könne ihn jederzeit wie gewohnt erreichen. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Zurück zur SPD, genauer zum Kreisverband Pankow, dessen Vorsitzender der Vize-Parlamentspräsident Dennis Buchner ist, und noch genauer zum Ortsverein Kollwitzplatz, dessen Vorsitzender der Ex-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup ist. In einer Mitgliedermail schreibt Mindrup jetzt zur Affäre seines Vorgängers und späteren Stellvertreters Mathias Brüggmann aka Matthias Brückmann, der als Undercover-Journalist mit falschem Bart und falscher Identität agierte und Franziska Giffey bei einer öffentlichen Versammlung einen „Wählerschreck“ nannte (Checkpoint exklusiv am 14.3.): „Für nahezu alle Aktiven in der SPD Pankow (…) sind die Grenzen zwischen dem echten Namen und dem Pseudonym von Mathias immer mehr verschwommen.“ „Mathias hat inzwischen die Konsequenzen aus dem Vorgang gezogen. Erstens hat er sein Bedauern über den Vorgang erklärt. Zweitens ist er von allen politischen Ämtern in der SPD zurückgetreten.“ „Wir haben mit Mathias vereinbart, dass wir Euch mit etwas zeitlichem Abstand zu der Presseberichterstattung informieren. Diese ähnelte immer mehr einem Tribunal.“ „Mathias (hat) einen Fehler gemacht, diesen eingestanden und daraus die Konsequenzen gezogen hat. Wir würde uns wünschen, dass die oder der „Durchstecher“ für sich ähnliche Konsequenzen ziehen bzw. zieht.“ | |||
|
Und nochmal zurück zur CDU: Hier wird jetzt tatsächlich die bisherige Leiterin der Fachgemeinschaft Bau, Manja Schreiner, Berlins neue Verkehrssenatorin. Und anders als ihre Vorgängerinnen und Vorgänger (u.a. Michael Müller, Regine Günther, Bettina Jarasch) bringt sie echte Fachkompetenz mit: Schreiner war von 2005 bis 2007 bei der Kreuzfahrtreederei „Aida“ im Qualitätsmanagement tätig. Allerdings besteht so die Gefahr, dass das Versprechen im Koalitionsvertrag, „alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer (zu) versöhnen“, den Bach runtergeht – an Schiffe hat im Zusammenhang mit der Verkehrswende ja wohl bisher niemand gedacht. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Aber wie viel Grün steckt eigentlich im schwarz-roten Koalitionsvertrag? Das haben wir für unseren Checkpoint-Podcast „Berliner und Pfannkuchen“ untersucht. Die Auflösung gibt’s ab Freitagnachmittag überall dort, wie es Podcast gibt und selbstverständlich auch hier auf tagesspiegel.de. Zur Einstimmung gleich mal eine Schätzfrage: Wie oft kommt im Koalitionsvertrag von CDU („Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten“) und SPD („Viele sind auf ihr Auto angewiesen“) wohl das Wort „Auto“ vor? Nur ernstgemeinte Antworten bitte an checkpoint@tagesspiegel.de – wer ohne nachzuschauen am nächsten dran ist, bekommt eine Checkpoint-Hupe geschenkt (bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet das Los). | |||
|
Im September 2022 wurde Janine Tobins Sohn Béla geboren – seitdem wartete sie aufs erste Elterngeld. Am Dienstag berichtete Anne Pannen im Tagesspiegel über den Fall, der alles andere als ein Einzelfall ist – monatelang warten Eltern überall in Berlin auf die Zahlung vom Amt. Und siehe da, ob Zufall oder nicht: Gestern bekam Janine Tobin endlich die ersehnte E-Mail der Elterngeldstelle: Ihr Antrag wurde bewilligt! Herzlichen Glückwunsch. Falls Sie Ihr Verfahren ebenfalls beschleunigen wollen: Naomi Fearn hat da einen Geheimtipp – und sie verrät ihn heute hier gleich im Anschluss in den „Berliner Schnuppen“ (nur in der Abo-Ausgabe). | |||
|
Übrigens: Mit einem Tagesspiegel-Plus-Abo erhalten Sie nicht nur täglich die Checkpoint-Originalfassung mit allen Infos und dem Zugriff auf unsere Checkpoint-Website mit der interaktiven Stadtleben-Suche und dem Archiv, sondern auch auf alle Artikel bei tagesspiegel.de. Und: Sie unterstützen damit auch die Arbeit des Checkpoint-Teams. Wir würden uns deshalb sehr freuen, Sie hier jeden Morgen als Abonnentin oder Abonnent begrüßen zu dürfen. Zur Anmeldung für den kostenlosen Probemonat geht es hier entlang. | |||
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|