Liebe/r Leser/in, der erste Adventssonntag, 20.15 Uhr, im Ersten läuft der Jubiläums-Tatort: Die TV-Kommissare aus Dortmund ermitteln mit ihren Münchner Kollegen im ersten Teil der Doppelfolge zum 50-jährigen Bestehen des ARD-Krimis gegen eine Mafia-Bande. 9,538 Millionen Zuschauer sahen die Folge, ich war einer von ihnen und ziemlich gefesselt, allerdings in einer Szene auch völlig verblüfft. Ein Restaurant war da zu sehen, gut gefüllt, voller Pasta, Schmatzen, Lachen und Leben. Niemand trug einen Mundschutz, dicht gedrängt saßen die Gäste an der Bar und schnabulierten. Ich erwischte mich, wie ich eine Sekunde lang dachte, dass diese Szene ja komplett unrealistisch sei, schließlich kam ich vom Sonntagsspaziergang aus dem Maskenland und saß mit desinfizierten Händen vor dem Fernseher. Okay, okay, beruhigte ich mich gleich wieder, erstens ist das ja hier nur ein Film, und der wurde zweitens sicher konzipiert in einer Zeit, als Corona nur eine Bier-Marke war. Trotzdem: Dieses belebte Lokal wirkte wie aus einer ewig vergangenen Zeit. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit 44 Jahren schon das Wort „früher“ benutzen würde, aber ja, „früher“, also vor nur einem Jahr, da war’s echt besser, weil freier. Wie schnell wir Menschen uns doch an die neue Zeit gewöhnen, wie schnell wir alte Wirklichkeiten als fremd empfinden. Das Hier und Jetzt ist 2020. Winter-Lockdown, Skiverbot, keine Weihnachtsfeier im Betrieb, Pleite-Sorgen, voll belegte Intensivstationen. Das Jahr 2020 ist das Jahr, in dem die Welt zum Stillstand kam. Und auch wenn es ein Jahr zum Vergessen ist, wird es uns in Erinnerung bleiben. Wir haben uns deshalb für diese Dezember-Ausgabe einen besonderen Jahresrückblick überlegt, mit dem Sie, liebe Leserinnen und Leser, testen können, welche Ereignisse Ihnen noch im Gedächtnis sind – ein Quiz, das Sie ab Seite 68 lösen und bei dem Sie tolle Preise gewinnen können. Viel Spaß dabei! Wer sind die Menschen des Jahres? Für mich sind es die Krankenschwestern und Pfleger, die Ärzte und Wissenschaftler, all die, die sich gegen das Coronavirus stemmen und nicht aufgeben, wie auch die Busfahrer, die Verkäuferinnen in den Supermärkten oder die selbstständigen Unternehmer, die trotz weniger Umsatz in der Krise zu ihren Mitarbeitern stehen. Eine dieser deutschen Familienunternehmer-Persönlichkeiten ist Martin Herrenknecht, 1942 in Lahr/Schwarzwald geboren, Sohn eines Polsterers. 1975 machte er sich mit einem Ingenieurbüro selbstständig, seine Mutter Elsa half mit einem Darlehen, weil er von den Banken keinen Kredit bekam. Heute hat die Herrenknecht AG 5000 Mitarbeiter. Sie ist Weltmarktführer im Tunnelbau (bohrte z. B. den Gotthard-Basistunnel) und unterhält rund 70 Tochter- und geschäftsnahe Beteiligungsgesellschaften im In- und Ausland (1,223 Mrd. Euro Umsatz 2019). Im vergangenen Jahr lieferte Martin Herrenknecht Schlagzeilen, weil er nach 36 Jahren seine Mitgliedschaft in der CDU ruhen ließ – aus Protest gegen die, wie er damals sagte, „Weiter-so-Blase“. In dieser Ausgabe spricht er mit meiner Kollegin Dona Kujacinski über seine CDU vor der erneuten Parteichef-Wahl, warum er Friedrich Merz unterstützt, was er von Corona-Querdenkern und von der China-Politik des Westens hält. Ein Klartext-Interview! Ich kann Herrenknecht bei seiner Kanzlerpräferenz Friedrich Merz übrigens gut verstehen. Merz versteht wohl was von Wirtschaft, ist weltläufig, finanziell unabhängig, und er macht auch neben Putin, Macron, Biden und selbst Trump eine sichere Figur. Trotzdem glaube ich, dass Merz ein Risiko-Kandidat für Deutschland ist. Denn Merz würde meiner Meinung nach die CDU viele Merkel-Mitte-Wähler kosten, der FDP wirtschaftsnahe Wähler rauben (Bundestag-Einzug dann ungewiss) – Grün-Rot-Rot oder Rot-Grün-Dunkelrot hätte somit leicht eine Mehrheit. Und dieses Szenario mag ich mir nun schon gleich gar nicht vorstellen. |