Milliardenloch in der Pflegeversicherung
● Nato: Merz für 5-Prozent-Ziel |
● Wirtschaftsweiser: Kommunalfinanzen verheerend |
● Brüssel: EU macht Temu teurer |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, das Drehbuch dessen, was sich gestern auf der parlamentarischen Bühne abspielte, lag längst in der Schublade: sechsmal Kandidaten nominiert, sechsmal durchgefallen – die AfD bleibt beim Thema Ausschussvorsitz auf verlorenem Posten. Wortwörtlich. Die Anschluss-Szenen waren ebenfalls vorhersehbar. Auftritt außen rechts: Selbstmitleid. Auftritt Mitte links: moralische Überlegenheit. Und die Union? Hadert in Teilen damit, Rücksicht auf SPD und Koalitionsfrieden nehmen zu müssen. Musste sie das wirklich? Naja. Die Einstufung der AfD als „gesichert extremistisch” wiegt schwer. Doch so ganz gesichert ist das bis zur richterlichen Entscheidung darüber noch gar nicht. Selbst der Bundesverfassungsschutz zieht solange nicht alle nachrichtendienstlichen Register und beobachtet die AfD weiter als Verdachtsfall. Genau das tat er bei der Linkspartei jahrelang. Trotzdem wurden deren Kandidaten zu Vorsitzenden gewählt – nicht aus Liebe oder inhaltlicher Nähe, sondern weil es parlamentarischer Brauch ist. Nicht nur die Union muss sich also vorwerfen lassen, mit zweierlei Maß zu messen. |
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| Alice Weidel, 46, und Tino Chrupalla, 50, regen sich über „Blockade“ auf. Einen Rechtsanspruch auf Ausschussvorsitzende hat die AfD jedoch nicht – das hat das Bundesverfassungsgericht geklärt (© dpa) |
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Warum hat man es nicht mit ein, zwei AfD-Kandidaten versucht? In Ausschüssen ohne Sicherheitsrelevanz. Um dem Opfernarrativ den Stecker zu ziehen. Nach gerichtlicher Bestätigung des Extremismus-Vorwurfs oder individuellem Fehlverhalten hätte man sie umgehend abwählen können. Doch der Schock des Merz’schen Abstimmungsdesasters Ende Januar sitzt offenbar tief. Wieder so massiv Sympathien verspielen? Will keiner. Und da Links-der-Mitte das weiß, wird sogleich jeder Versuch, ob von Julia Klöckner oder Jens Spahn, ein gewisses Maß an parlamentarischen Gepflogenheiten gegenüber der AfD auszuloten, gnadenlos als Tabubruch gebrandmarkt. Zur Freude von Weidel & Co. – ihnen nützt jede Aufmerksamkeit. Er sei „der festen Überzeugung“, schrieb der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt gestern auf LinkedIn, „dass wir damit das AfD-Problem nicht an der Wurzel packen.“ Korrekt. Denn dafür bedarf es der inhaltlichen Auseinandersetzung. Keines Streits um Saalgrößen im Ältestenrat, der das Hohe Haus ziemlich kleinlich aussehen lässt. Wie stehen Sie zur Ausschuss-Frage? Schreiben Sie uns an feedback@focus-magazin.de |
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Nach bundesweiten Festnahmen und Durchsuchungen bei einer mutmaßlichen rechtsextremen Terrorgruppe sollen heute weitere Beschuldigte dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Die Bundesanwaltschaft hatte gestern fünf Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren festnehmen lassen. Sie wirft ihnen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Die Finanzprobleme der Pflegeversicherung drohen sich nach Einschätzung der Kranken- und Pflegekasse DAK weiter zu verschärfen. Danach steuert die Pflegeversicherung in diesem Jahr auf ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro zu. 2026 werde sich das Milliardenloch auf 3,5 Milliarden Euro vergrößern. Ohne neue Finanzmittel sei eine Beitragserhöhung um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte unvermeidlich. | |
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| Friedrich Merz gestern in Berlin: Deutschland muss noch mehr in seine Sicherheit und Verteidigung investieren (© Reuters) |
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Nato | Friedrich Merz strebt Ausgabenziel von fünf Prozent an | Vor dem Hintergrund wachsender Gefahren und sinkender Unterstützung der USA für die Nato hat Bundeskanzler Friedrich Merz sich erstmals öffentlich dazu bekannt, bis zu fünf Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Militär und Sicherheit auszugeben. Beim Tag der Bauindustrie nannte der CDU-Chef sowohl die „3,5 Prozent Nato-Quote für die militärische Beschaffung“ als auch 1,5 Prozent für militärisch relevante Infrastruktur – etwa Straßen für Transportwege und Brücken. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte sich vergangene Woche für das Fünf-Prozent-Ziel ausgesprochen, stand damit jedoch zunächst allein. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hatte den Mix aus Investitionen in Militär und militärisch nutzbarer Infrastruktur vorgeschlagen, nachdem US-Präsident Trump die Nato-Verbündeten aufgefordert hatte, die bisherige Selbstverpflichtung von zwei Prozent auf fünf Prozent zu erhöhen. Unterdessen berichtet die „New York Times“, dass die USA keine neuen Sanktionen gegen den Kreml verhängen. Dies hatte Trump ursprünglich angedroht, sollte Moskau – wie geschehen – keiner Waffenruhe mit der Ukraine zustimmen. |
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| Nicole Büttner, 40, ist seit 20 Jahren FDP-Mitglied. Auf dem Parteitag am Wochenende erhielt sie 80 Prozent der Stimmen als neue Generalsekretärin (© dpa) |
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Nicole Büttner | Generalsekretärin will FDP zur KI-Partei machen | Die neu gewählte Generalsekretärin der FDP, Nicole Büttner, möchte ihre Partei durch mehr Offenheit gegenüber Künstlicher Intelligenz (KI) erneuern. Im Interview mit dem FOCUS schilderte die Unternehmerin, wie sie die Parteiarbeit durch die Technologie modernisieren will: „KI kann partizipative Prozesse verbessern, Expertise zugänglich machen, Stimmungen in großen Gruppen analysieren.“ So könne etwa jedes Mitglied auf den gesamten Erfahrungsschatz der Partei zugreifen. Inhaltlich kritisierte die 40-Jährige, die FDP sei zu sehr für ihre Finanzpolitik in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden, „obwohl wir quasi zu jedem Thema liberale Antworten haben“. Um inhaltlich breiter aufzutreten, fordert sie, aufgeschlossener gegenüber Atomkraft zu werden: „Bei Small Modular Reactors, also kleinen modularen Kernreaktoren, gibt es rasante technologische Entwicklungen.“ Es dürfe keine „ideologische Denkverbote“ in der Partei geben. Büttner war eigentlich schon aus der Politik ausgestiegen – 2019 hatte sie erfolglos für die Europawahl kandidiert und gründete danach das KI-Unternehmen Merantix Momentum. Seit der neue FDP-Chef Christian Dürr sie als Nachfolgerin von Marco Buschmann in die Parteizentrale holte, leitet sie das ihr Start-up in Teilzeit. (wer) |
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| Die Finanznöte der Städte und Gemeinden werden künftig noch größer, warnt der Wirtschaftsweise Achim Truger (© imago) |
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Steuerschätzung | Wirtschaftsweiser: Finanzloch der Kommunen immer größer | In den ohnehin klammen Städten und Gemeinden wird das Geld immer knapper. Bis 2029 drohe den Kommunen eine zusätzliche Finanzierunglücke „von 27 Milliarden Euro“, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger dem FOCUS unter Verweis auf die jüngste Steuerschätzung. Danach fehlten den Kommunen alleine 2026 „gut fünf Milliarden Euro“. Dies sei „ziemlich verheerend“. 2023 betrug das Finanzierungsdefizit dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge noch 6,6 Milliarden Euro. Doch 2024 stieg es auf 24,8 Milliarden – der höchste Stand seit 1990. Hauptgründe laut Destatis: höhere Regelsätze bei Sozialhilfe und Bürgergeld oder steigende Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe. Schon jetzt können viele Kommunen ihre Aufgaben kaum erfüllen. So müssen immer mehr Freibäder früher oder gleich ganz schließen. Auch der Zustand öffentlicher Gebäude verschlechtert sich rapide. Immer häufiger werden Klagen über verwahrloste Schulklos oder Löcher in Turnhallendächern laut. Die Wirtschaftsweisen haben gestern ihr Frühjahrsgutachten veröffentlicht. Für 2026 rechnen die Ökonomen mit einem BIP-Wachstum von 1,0 Prozent, für das laufende Jahr hingegen nur noch mit einer Nullrunde und nicht mehr mit einem Plus von 0,4 Prozent. (utz) |
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| Billig-Importe aus China: Alleine 2024 gingen 4,6 Milliarden Artikel nach Europa, die meisten davon aus China (© imago) |
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Billig-Anbieter | Extra-Gebühren pro Päckchen: EU knöpft sich Temu und Shein vor | Im Kampf gegen die Flut von Billig-Waren aus Drittstaaten schaltet sich Brüssel ein. Allein 2024 wurden 4,6 Milliarden Artikel an Haushalte in der EU verschickt, die meisten davon aus China. Nun sollen die Importe künftig pauschal mit zwei Euro Gebühr auf direkte Verkäufe belegt werden. Für Sendungen aus Lagerhäusern mit 50 Cent. Dies zielt vor allem auf die chinesischen Online-Händler Temu und Shein, die Zollkontrollen durch schiere Masse überfordern beziehungsweise umgehen. Mit dem Geld will die EU einen Teil der höheren Zollkosten wieder einspielen. „Ich würde es nicht als eine Abgabe sehen“, sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic gestern, sondern „als Kompensation für den Mehraufwand“. Auch Japan prüft, die geltende Steuerbefreiung auf Päckchen aufzuheben. Erst vor wenigen Tagen hatte der Handelsverband HDE infolge der US-Zollpolitik vor drastisch steigenden Billigimporten aus China gewarnt. Es sei „sichtbar“, dass sich Temu und Shein deutlich stärker auf Europa fokussierten, sagte der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Im April und Mai hätten beide Unternehmen die Ausgaben für Digitalwerbung in Europa um „40 Prozent und mehr“ erhöht. Ihre teils gegen EU-Standards verstoßenden Waren machen hiesigen Produzenten das Leben schwer. (utz) |
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7,75 Euro Kaltmiete zahlen ausländische Mieter in Deutschland im Schnitt. Das sind 9,5 Prozent mehr als Mieter mit deutschem Pass zahlen müssen, so das Statistische Bundesamt. Teils liege das daran, dass deutsche Mieter in größeren Wohnungen leben, die umgerechnet auf den Quadratmeter günstiger sind. Zudem profitierten sie oft vom Preisvorteil älterer Mietverträge. Doch selbst bei vergleichbarer Ausgangslage – etwa bei einer Wohndauer 20 Jahren – zahlen Ausländer mehr, im Durchschnitt 9,1 Prozent. |
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| Die medikamentöse Behandlung von Herpes simplex kann sich langfristig auszahlen – in dem sie das Demenz-Risiko senkt (© dpa) |
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Forschung | Neue Studie: Lippenherpes besser behandeln lassen | Herpesviren sind lästig – und heimtückisch. Sie verursachen als Herpes simplex (HSV-1) Fieberbläschen, oder treten als Kinderkrankheit auf, den Windpocken (Varizella zoster). Nahezu jeder Mensch infiziert sich wenigstens einmal mit einem der Kandidaten. Einmal im Körper, nisten sich die Viren in den Nervenzellen ein. Inzwischen erhärtet sich ein weiterer Verdacht: Herpesviren können Demenz, vor allem Alzheimer befeuern. FOCUS Briefing berichtete bereits von Studien, wonach eine Gürtelrose-Impfung auch das Demenz-Risiko senkt. Nun aber beobachteten US-Forscher noch etwas: Auch die Behandlung von Herpes simplex-Viren sorgt für eine geringere Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken Dafür analysierten sie eine US-Datenbank, die rund 170.000 Alzheimerfälle umfasste, sowie dieselbe Zahl an Vergleichspersonen ohne neurodegenerative Erkrankung. Bei den Alzheimer-Patienten lag die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit HSV-1 infiziert waren, um 80 Prozent höher. Das Krankheits-Risiko nahm jedoch um 17 Prozent ab, wenn die Infizierten Medikamente – Antiherpetika – gegen das Virus genommen hatten, so die Forscher im Fachblatt „BMJ Open“ Die molekularen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt. Möglich ist, dass die Viren die Entzündungsreaktion bei Alzheimer im Gehirn schüren und so den Untergang der Nervenzellen beschleunigen. |
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Neues Buch | Die Leiden des Joe Biden | Auszug aus dem Enthüllungsbuch von Jake Tapper und Alex Thompson: Sie zeichnen nach, wie die Sorgen um seinen Sohn Hunter den geistigen Abbau des 46. Präsidenten beschleunigten und sein Zustand auch für seinen prominenten Unterstützter George Clooney offensichtlich wurde | Zum FOCUS+ Artikel |
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Seitdem Henning Otte (CDU), 56, vor zwanzig Jahren in den Bundestag kam, erlebte der Niedersachse sieben Ministerinnen und Minister an der Spitze des Verteidigungsressorts. Als Abgeordneter kümmerte er sich von vornherein um die Belange der Bundeswehr, vertrat die Union im zuständigen Ausschuss. Gestern wählte der Bundestag den Reserveoffizier mit 391 Stimmen zum Wehrbeauftragten, dem obersten „Anwalt der Soldaten“. |
| Die markanten schwarz-orangen Terminals des Marktdaten-Anbieters Bloomberg brachen gestern für 90 Minuten aus ungeklärten Gründen zusammen – Banken und Börsenhändler waren blind, konnten nicht auf Live-Kurse zugreifen. Dabei kostet die Nutzung satte 28.000 Dollar im Jahr. Entsprechend sauer reagierten die Kunden auf das vor 35 Jahren von Milliardär Michael Bloomberg, 83, gegründete Unternehmen. |
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| Deutsche Hochkultur im Megapark mit Mickie Krause („Zehn Nackte Friseusen“) (© action press) |
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… etwas aus dem Bereich unnützes Wissen: Mallorcas „Megapark“ – die Kathedrale des Komasaufens – feiert heute 25. Geburtstag, also ein Vierteljahrhundert Sangria-Schlachten und Architekturverbrechen in El Arenal. Früher lockte die XXL-Disco mit Gratis-Suff (um dem „Bierkönig“ Kundschaft abzuwerben), heute kostet ein Liter Bier mit rund 19 Euro deutlich mehr als auf der Wiesn – und die Fünf-Liter Säule Wodka Lemon gibt’s für 123 Euro. Wohl auch deshalb merkt Ballermann-Größe Ikke Hüftgold („Bumsbar“) gesellschaftskritisch an: „Der Bierkönig ist einfach Kult, der Megapark ist lediglich Kommerz.“ Was den Sänger nicht daran hindert, dort saftige Gagen einzustecken. Falls Sie wegen der Ballermann-Deutschen ein Hauch von Fremdscham überkommt – keine Sorge: Der Megapark-Inhaber Bartolomé „Tolo“ Cursach ist Spanier und freut sich über jedes Feierbiest. Sonnige Grüße Tanit Koch | | Tanit Koch |
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