|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 08.10.2021 | Herrlich sonnig bei bis zu 18 °C. | ||
+ Ampel in Berlin leuchtet schwächer als im Bund + Kunstsammler Berggruen kündigt Galerien in seinem Haus + Clärchens Ballhaus lädt nach über 600 Tagen wieder zum Schwoof + |
von Robert Ide |
|
Guten Morgen, bei Rot bleibe stehen, bei Grün darfst Du gehen. Und bei Gelb? Die neue deutsche Bundesampel leuchtet schon mal mit Schlagworten wie „Fortschritt“, „Mut“ und „Aufbruch“, bevor sie überhaupt in Betrieb geht (Liveblog hier). Fast wie bisher weiter ging dagegen der Betrieb auf der Berliner Landesstraße, wo die Sondiererinnen und Sondierer aller Parteien bisher auf Autopilot geschaltet hatten. Am Donnerstag aber blinkten sich Gelb und Grün plötzlich freundlich an. Und so dürfte entweder Rot-Grün-Rot unter leicht veränderten Leuchtzeichen weitermachen, wofür auch wichtige SPD-Kreisverbände votiert haben – allerdings teilweise nur knapp wie in Charlottenburg-Wilmersdorf. Oder der von allen angekündigte „Aufbruch“ könnte auch hier neue Farben tragen. Die Ampel ist in Berlin jedenfalls noch nicht ausgeschaltet – zumindest nicht bis heute Morgen, wenn der Geschäftsführende SPD-Vorstand entscheiden will, wer richtig steht, wenn das Licht angeht. Wichtiger ist sowieso, dass der Stadt endlich ein Licht aufgeht. Wie wäre es etwa mit einer „grundlegenden Verwaltungsreform“, wie sie Pankows noch regierender Bürgermeister Sören Benn (Linke) als zentrales Senatsprojekt vorschlägt? Dann könnte die Stadt auch ohne Ampel leuchten – und die nächste Wahl bräuchte keinen Pannen-Notdienst. Traut sich Berlin so viel Aufbruch zu? | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Keinen Abbruch gibt es an immer neuen Schilderungen von ehrenamtlich Wahlhelfenden über den chaotischen Sonntag der Stimmabgabe. Zu der Einschätzung des für die Wahlaufsicht zuständigen, aber für eine Entschuldigung bisher unzuständigen Innensenators Andreas Geisel (SPD), es handele sich bei den vielen bisher bekannten Pannen um „ausschnitthafte öffentliche Wahrnehmungen“, schreibt uns Checkpoint-Leser Martin Theobald: „Jetzt platzt mir die Hutschnur.“ Auch Theobald, der sich als Wahlvorstand in Schöneberg engagierte, berichtet von schwachen Schulungen und geringer Unterstützung für Wahlhelfende, zu wenigen Stimmzetteln und Wahlkabinen sowie schlechter Erreichbarkeit des Wahlamts – kurz: organisierter Unorganisiertheit. „Ich als Demokratiefanatiker bin von den Schönredereien, den Ausflüchten und dem Wegducken der politischen Menschen mehr als enttäuscht, denn dieses Gerede bestärkt die extremistischen Ränder, gegen die ich immer ankämpfe, um mir die Freiheit zu erhalten.“ Wenn Geisel sage, die Pannen hätten nur 4,8 Prozent der Wahllokale betroffen, „dann war er an dem Tag nicht wählen“, findet Theobald. Höchste Zeit jedenfalls, auch alle Pannen neu auszuzählen. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Alles neu macht der Oktober, sogar auf Berlins berühmtestem Tanzboden wird der Herbst zum Frühlingserwachen. Clärchens Ballhaus lädt heute nach 636 Tagen Schlaf wieder zum Schwoof – für Geimpfte, Genesene und Geduldige steht die Abendkasse offen für Berlins am buntesten vermischte Tanzlustbarkeit in Mitte (schönste Reportage hier). Sieben Stunden Wartezeit vom ersten Berghain-Wochenende sind zu schlagen. „Wir sind bereit, wieder Jung und Alt auf der Tanzfläche zu vereinen“, freut sich Ballhaus-Chefin Bianca Zedler auf Nachfrage. Das 1913 eröffnete Lokal mit Spiegelsaal, Charme und Boulette hat schon mehr überstanden als einen Hausverkauf und eine Pandemie: zwei Weltkriege, das geteilte Berlin sowie laut Zedler „30 Jahre investorenfreundliche Stadtpolitik und unzählige rauschhafte Nächte“. Die nächste startet heute. Möge sie nicht enden. Denn Berlin schwooft im Kiez. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Er sammelt Kunst und Häuser (und zwischendurch auch mal Kaufhäuser): Nicolas Berggruen ist ein bedeutender Freund der Künste und auch von Berlin. Nun aber setzt ausgerechnet seine Nicolas Berggruen Holdings die Kunst vor die Tür. Semjon Semjon, als Künstler mit zwei Galerien seit vielen Jahren in Mitte verwurzelt, muss bis Jahresende seine Kunstwerke aus dem Haus an der Schröderstraße/Ecke Gartenstraße räumen, das Berggruen besitzt. Für Semjon ist das Schreiben der Hausverwaltung kein Zufall, wie er am Checkpoint-Telefon erzählt: „Als das Haus vor zwei Jahren saniert wurde, habe ich Entschädigung verlangt, weil ich 700 Stunden investieren musste, um meine Kunst raus- und wieder reinzuräumen. Ich habe weiter meine Miete bezahlt, konnte aber vier Monate nichts ausstellen.“ Nun sei ihm auf den letzten fristgerechten Drücker der Mietvertrag nicht verlängert worden; das Schreiben liegt dem Checkpoint vor. „Wie soll ich so schnell in Mitte neue Galerieräume finden und einen Umzug bezahlen?“, fragt der 58-Jährige, der trotz Streits mit der Hausverwaltung gern bleiben möchte. Diese war am späten Donnerstagabend nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen. Semjons letzte Hoffnung ruht nun auf dem Kunstfreund mit dem Immobilien-Imperium. „Herr Berggruen hätte die Chance, Kunst zu retten – in seinem eigenen Haus.“ | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Ja, ist denn heut‘ schon Weihnachten? Nee, aber in drei Wochen. Bis dahin sollten zumindest alle Geschenke aus Übersee bestellt sein. Das raten Logistiker wie Kawus Khederzadeh, der ein Containerterminal in Frankfurt am Main leitet. „Transporte mit dem Schiff sind nicht mehr planbar“, erzählt er. Immer mehr Lieferketten zerfallen wegen mangelnder Rohstoffe in ihre Einzelteile, Güterschiffe stehen vor dem Hafen von Rotterdam 200 Stunden im Stau (Background hier). Wirtschaft und Klima finden das ächzend. Und der Weihnachtsmann muss umsteigen: zurück auf den Schlitten. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Noch im August haben ihr Politiker zum 99. Geburtstag gratuliert und sie als „hochgeachtete Zeitzeugin” gewürdigt, die Bewunderung und Respekt verdiene. Jetzt schlagen Freunde Alarm: Inge Deutschkron, Shoa-Überlebende und Berliner Ehrenbürgerin, werde in ihrem Pflegeheim nicht ausreichend versorgt. Ein Sprecher des Heims Pro Seniore am Kurfürstendamm dementiert dies. Aus ihrem Umfeld heißt es, Deutschkron sei stark abgemagert, nehme zu wenig Flüssigkeit zu sich. Durch falsche Lagerung habe sie sich dieses Jahr ein Druckgeschwür zugezogen. Freunde Deutschkrons nennen ihre Versorgung „skandalös“ und „sehr besorgniserregend“. Das Heim bezeichnet die Pflege dagegen als intensiv und „ausgezeichnet“. Jede Stunde werde ihr Flüssigkeit angeboten. Zudem gebe es einen engen Austausch mit dem Bevollmächtigten der Bewohnerin. Der Bevollmächtigte ist Berlins ehemaliger Kulturstaatssekretär André Schmitz. Auf Tagesspiegel-Anfrage (die ganze Recherche hier) sagt er, dank zweier professioneller Zusatzkräfte seien Missstände „immer auch zeitnah aufgefallen und konnten korrigiert werden”. Freunde der 99-Jährigen, die anonym bleiben möchten, sehen darin eher eine Verharmlosung der Zustände und fordern, Inge Deutschkron in einem Hospiz mit Rundumbetreuung unterzubringen. Inge Deutschkron wurde 2018 zur Ehrenbürgerin ernannt. Ihr sind Gedenkorte wie die Gedenkstätte Stille Helden zu verdanken; ebenso die jährliche Gedenkveranstaltung am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald, von wo 1941 die ersten Berliner Juden ins Ghetto Litzmannstadt deportiert wurden. | |||
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|