Während ich anfangs von der Branche und ihren vermeintlichen Zukunftsaussichten durchaus fasziniert war, musste ich dann schon früh feststellen, dass hier mit gezinkten Karten gespielt wurde. Bereits am 13. Oktober 2021 habe ich in diesem Video auf meinem YouTube-„Aktien-Kanal“ eindrücklich vor den betreffenden Firmen gewarnt (auch Berkeley Lights (Kürzel inzwischen CELL | WKN: A2P9RR und Zymergen, die inzwischen von Ginkgo Bioworks in einer Art Notübernahme aufgekauft worden sind, sind hier zu nennen). Am Beispiel Amyris, vor denen ich auch nach dem obigen Video immer wieder gewarnt habe, zeige ich nachfolgend auf, welch dramatische Folgen es für Aktionäre haben kann, wenn man zu lange gutgläubig einem Management vertraut, das schon in der Vergangenheit quasi nie „geliefert“ hat. Amyris – Pioniergeschichten sind nicht immer Erfolgs-Stories! Das kalifornische Unternehmen Amyris ist zwar ein Vorreiter im Bereich der synthetischen Biologie und bereits seit mehr als einem Jahrzehnt an der U.S.-Technologiebörse Nasdaq notiert – von einer typisch amerikanischen Erfolgsgeschichte ist man aber so weit entfernt wie Elon Musk vom Understatement. Amyris nutzt eine an der University of California in Berkeley von Professor Jay D. Keasling entwickelte Technologie, bei der Hefestämme genetisch modifiziert und in einem Fermentierungsprozess unter Zugabe von Zuckerrohrsirup zur Produktion unterschiedlichster Kohlenwasserstoffverbindungen verwendet werden. Ursprünglich einmal mit Mitteln aus der Bill and Melinda Gates-Stiftung zur synthetischen Herstellung des Malaria-Medikamenten-Grundstoffes Artemisinin ins Leben gerufen, hatte sich der Fokus des Unternehmens zum Zeitpunkt des Börsengangs in 2010 bereits auf die Erzeugung von Bio-Kraftstoffen verschoben. Damit war allerdings nach horrenden Verlusten bereits in 2012 schon wieder Schluss. Seitdem versucht sich das Unternehmen in der Entwicklung von höherwertigen Grundstoffen, die vor allem in den Bereichen Healthcare, Wellness, Beauty und Ernährung zur Anwendung kommen und dabei auch von Amyris zu Endprodukten verarbeitet werden. Diese werden unter verschiedenen Markennamen wie z.B. Biossance, Pipette, JVN, Rose Inc., Purecane, Terasana und Menolabs an Verbraucher sowohl direkt als auch über den Handel vermarktet. Zwar konnten für das Endkunden-Geschäft in der Vergangenheit auf dem Papier beeindruckende Wachstumsraten von jährlich mehr als 50% erzielt werden, allerdings vorrangig durch massive Marketing-Aufwendungen. In Kombination mit einem ausufernden Kostenapparat bedeutete dies massive Geldverbrennung für Amyris. In den vergangenen 3 Jahren hat das Unternehmen mehr als 1 Mrd. US-Dollar an Cash verbraucht – trotz erheblicher Mittelzuflüsse aus dem Verkauf des „Flagrance & Flavor“ Wirkstoff-Portfolios an den niederländischen Konzern DSM vor 2 Jahren. Aktionäre haben sich zu früh gefreut Nachdem sich Amyris im November 2021 durch Begebung einer Wandelanleihe knapp 700 Mio. US-Dollar an frischem Kapital beschaffen konnte, schienen die notorischen Geldprobleme des Unternehmens der Vergangenheit anzugehören, doch das Management unter dem langjährigen CEO John Melo schaffte es tatsächlich, sämtliche Mittel in nicht einmal 12 Monaten durchzubringen. Überhaupt ist schwer zu verstehen, warum das Board of Directors nach mehr als einem Jahrzehnt permanenter Fehlentwicklungen immer noch an Melo festhält, obwohl Amyris in all diesen Jahren nicht eine einzige seiner ambitionierten Prognosen erfüllen konnte. Permanent wurden die vom CEO geschürten Erwartungen auf oft klägliche Weise verfehlt und mit schöner Regelmäßigkeit fand sich Amyris finanziell mit dem Rücken zur Wand wieder. So auch im 4. Quartal 2022 für das vor kurzem die Ergebnisse gemeldet wurden. Amyris verfehlte die eigenen Umsatzerwartungen um rund 25%, obwohl CEO John Melo auf einer Konferenz im Januar 2 Wochen nach Ende des Geschäftsjahres (!) die ursprünglichen Prognosen noch bestätigt hatte. Zum Glück konnte man in diesen Fällen bislang stets auf das niemals versiegende Füllhorn des Multi-Milliardärs John Doerr zurückgreifen, seines Zeichens Lead Partner und Chairman der berühmten Silicon Valley Venture Capital-Ikone Kleiner Perkins und quasi seit der ersten Stunde Mitglied im Board of Directors von Amyris. Doerr hält über Aktien und Wandelanleihen mittlerweile rund 30% des Stammkapitals und ist in der Vergangenheit immer wieder als Retter in allerhöchster Not eingesprungen, so auch in den letzten Monaten als das Unternehmen wieder einmal vor der Insolvenz stand. Grund: Beim beabsichtigten Verkauf weiterer Grundstoffe („ingredients“, „molecules“) aus dem Portfolio von Amyris an Givaudan, den weltweit größten Hersteller von Aromen und Duftstoffen, kam es zu anhaltenden Verzögerungen. Auch bei dieser Transaktion hatte das Management den Aktionären vollmundig das Blaue vom Himmel versprochen, sollte doch die Angelegenheit bis Ende 2022 in trockenen Tüchern sein und dabei satte 350 Mio. US-Dollar als Vorabzahlung an Amyris fließen. Tatsächlich aber wird der Deal aktuell immer noch von den Kartellbehörden geprüft und selbst im Falle einer (sehr wahrscheinlichen) Genehmigung würde Amyris zunächst nur 200 Mio. US-Dollar ausgezahlt bekommen, während für die fehlenden 150 Mio. US-Dollar nun über einen Zeitraum von 3 Jahren bestimmte Umsatzziele erreicht werden müssen. Beggars can´t be choosers Die Amerikaner haben für derartige Situationen nicht ohne Grund den Begriff „Beggars can’t be choosers“ (Bittsteller können nicht wählerisch sein) geprägt. Leider aber sind wir damit noch nicht am Ende der schlechten Nachrichten. Einige der an Givaudan verkauften Grundstoffe aus dem Portfolio von Amyris werden nämlich erst in einem Joint Venture mit der japanischen Nikkol Group namens Aprinnova in North Carolina in ihre Endform gebracht. Offensichtlich behagte Givaudan diese Konstellation nicht und so war Amyris gezwungen, den Joint Venture-Partner für satte 50 Mio. US-Dollar herauszukaufen. Zieht man also den Kaufpreis für Aprinnova ab, bleiben Amyris magere 150 Mio. US-Dollar als Nettoerlös und davon wird das Unternehmen zunächst bis zu 50 Mio. US-Dollar an zugesagten Überbrückungskrediten an John Doerr zurückzahlen müssen. In Anbetracht eines voraussichtlichen Kapitalbedarfs in Höhe von rund 350 Mio. US-Dollar in 2023 stellen die verbleibenden Erlöse aus der Givaudan-Transaktion leider nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar. Um die fehlenden Mittel aufzutreiben, hat das Management dem Unternehmen nun eine Schrumpfkur verordnet – das Markenportfolio soll auf einen Kern von 5-6 Marken reduziert und der Rest zum Verkauf gestellt werden. Auf diese Weise erhofft man sich Erlöse von bis zu 150 Mio. US-Dollar. Des Weiteren steht ein Joint Venture mit einem der weltgrößten Zuckerproduzenten im Raum. Hierbei handelt es sich mit großer Sicherheit um den brasilianischen Konzern Raízen, dessen gigantische Zuckermühle sich in direkter Nachbarschaft zu Amyris neu errichteter Fabrik im brasilianischen Barra Bonita befindet und bereits als Zulieferer für das Unternehmen fungiert. Voraussichtlich wird Amyris das neue Werk in Barra Bonita in das Joint Venture einbringen, während Raízen für das notwendige Betriebskapital sorgt und die kompletten Kosten für ein notwendiges Erweiterungswerk übernimmt. Wunschdenken statt Realismus Aus dem Verkauf der Anlage in Barra Bonita an das neue Joint Venture und dem damit einhergehenden Freiwerden von bislang gebundenem Betriebskapital erhofft sich Amyris weitere 150 Mio. US-Dollar an liquiden Mitteln. Leider aber scheinen auch diese Annahmen einmal mehr von Wunschdenken geprägt zu sein. Zum einen ist es kaum vorstellbar, dass Amyris im aktuellen Marktumfeld nennenswerte Erlöse aus dem Verkauf aussortierter Marken erzielen wird, zum anderen wird das Joint Venture Amyris die Fabrik in Barra Bonita kaum direkt abkaufen, schließlich muss ja Amyris auch irgendeine Art von Beitrag zum neuen Gemeinschaftsunternehmen leisten. Entsprechend wird das für 2023 benötigte Kapital wohl aus anderen Quellen besorgt werden müssen. Entweder verkauft man weitere Grundstoffe oder eine der größeren Marken wie z.B. Biossance. Auf diese Weise würde aber das Umsatzwachstum des Unternehmens bald komplett zum Erliegen kommen. Entsprechend müssen sich die gebeutelten Aktionäre wohl auf weitere Kapitalerhöhungen im Laufe des Jahres einstellen. Aufgrund deutlich verringerter Marketing-Ausgaben und der beabsichtigten Verkleinerung des Marken-Portfolios wird das jährliche Umsatzwachstum (ohne Berücksichtigung der Givaudan-Transaktion) nun nur noch mit rund 25% veranschlagt, dabei hatte CEO John Melo noch im November einen Umsatz von 1 Mrd. US-Dollar für 2025 prognostiziert. Legt man die revidierten Wachstumsprognosen zugrunde, wird der Umsatz von Amyris in 2025 nur rund 50% der ursprünglich erwarteten Summe betragen und selbst hinter diesen Zahlen steht nach wie vor ein großes Fragezeichen. Gefährliche Klage Aber Amyris wäre nicht Amyris, wenn es nicht auch noch neue rechtliche Probleme geben würde. Das Unternehmen sieht sich bereits seit geraumer Zeit mit einer Klage von LAVVAN Inc. konfrontiert, bei der es um die Verletzung exklusiver Rechte für die Entwicklung synthetischer Cannabinoide geht. LAVVAN verlangt in diesem Zusammenhang sagenhafte 881 Mio. US-Dollar von Amyris. Während sich das LAVVAN-Verfahren bereits seit Jahren zieht, kam es letzten Monat zu einer neuen Klage, in der die Verkäufer des in 2021 von Amyris übernommenen Unternehmens Beauty Labs International Ltd. die Zahlung eines sog. „Earnout Payments“ durchsetzen wollen. Hierbei handelt es sich um einen erfolgsabhängigen Kaufpreisanteil. Im Gegensatz zu Amyris gehen die Kläger davon aus, dass die im seinerzeitigen Kaufvertrag spezifizierten Voraussetzungen erreicht wurden und entsprechend die erfolgsabhängige Zahlung fällig ist. Amyris Inc. (ISIN: US03236M2008) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 23e/24e/25e | Kurs | A2DS41 / AMRS | 531 Mio. USD | neg. / neg. / neg. | 1,39 USD |
Mein Fazit Wenn man sich bei Amyris und CEO John Melo auf etwas 100%-ig verlassen kann, dann ist es das regelmäßige Scheitern an den eigenen Maßstäben und die notorische Knappheit an liquiden Mitteln. Selbst der aus akuten Sparzwängen entstandene neue Business Plan mit weitaus geringeren Wachstumsraten und der Verkleinerung des Marken-Portfolios ist alles andere als durchfinanziert und dürfte im Laufe des Jahres zu weiteren Kapitalerhöhungen führen. Investoren sollten sich von der Erholungs-Rallye der letzten Woche keinesfalls blenden lassen und die Aktie weiterhin meiden. Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: - - - Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
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