Der Tesla-Börsenkurs erreichte um den Jahreswechsel herum ein Allzeithoch in schwindelerregender Höhe und ließ Tesla wertvoller erscheinen, als alle anderen Auto-Hersteller der Welt zusammen. Diese Zeiten sind vorbei, soviel steht inzwischen fest. Tesla offenbart immer mehr Problemzonen, während andere Hersteller zurück in die Erfolgsspur gefunden haben. Allen voran Volkswagen. Tesla verdient mit seinen Autos kein Geld, seine Gewinne stammen aus den Verschmutzungs-Zertifikaten, die ihm andere Hersteller teuer abkaufen müssen, weil sie selbst zu wenig E-Autos und zu viele Wagen mit Verbrennungs-Motor verkaufen. Hier ist ein Ende absehbar, für beides. Denn die etablierten Hersteller fahren allesamt ihre E-Auto-Absatzzahlen hoch, es kommt eine wahre Modell-Offensive auf die Kunden zu. Und mit jedem verkauften E-Auto oder Hybrid müssen die Hersteller weniger Verschmutzungs-Zertifikate kaufen, was bei Tesla die Einnahmen reduziert. Andererseits ist die Nachfrage für E-Autos noch ziemlich begrenzt, denn die für den flächendeckenden Erfolg nötige Lade-Infrastruktur besteht noch nicht und ihr Aufbau wird noch viele Jahre benötigen. Und von einer Vereinheitlichung und Standards ist man hier noch weit entfernt, so dass das E-Tanken eine echt abschreckende Erfahrung ist. Tesla selbst baut in Grünheide gerade seine Produktion massiv aus und wird dort bald 500.000 Teslas pro Jahr bauen. Womit das Überangebot nochmals verstärkt wird, und das wird auf die Verkaufspreise drücken. Die stehen ohnehin unter Druck, weil E-Autos nicht wirtschaftlich sind – der hohe Anschaffungspreis macht sie (zu) teuer. Staatliche Förderprogramme sollen hier für Abhilfe sorgen, aber mit zunehmendem Absatzerfolg werden die Förderungen zurückgehen. Jüngstes Beispiel ist Großbritannien, wo die Regierung gerade die staatliche Förderung von 3.500 auf 2.500 Pfund je E-Fahrzeug reduziert und Preisobergrenzen eingeführt hat. Statt der bisher 50.000 sind künftig 35.000 Pfund die Obergrenze, womit das stark nachgefragte Tesla Model 3 aus der Förderung herausfällt. Und die deutschen Premium-Marken und -Modelle kommen natürlich auch nicht in den Genuss der Förderung, aber deren Kunden-Klientel dürfte auch kaum in erster Linie auf die Förderung zielen. Für Tesla hingegen ist die Neuregelung ein weiterer Rückschlag. Tesla hat darüber hinaus immer öfter mit Qualitätsproblemen zu kämpfen und erreicht die gewohnten Qualitäts-Standards der etablierten Auto-Hersteller nicht. Gleichzeitig verliert Tesla den Nimbus des Neuen, des Innovativen, weil die übrigen Hersteller mit attraktiven Modellen auf den Markt drängen. Tesla muss sich immer öfter Vergleichen stellen, gerade auch weil es nicht mehr nur einen Sportwagen anbietet, sondern auch in den Massen-Markt vordringt. Und die Konkurrenz macht Tesla zunehmend das Leben schwer. Allen voran Volkswagen. Die Neuerfindung des Volkswagens Der VW-Konzern bündelt unter seinem Dach viele Marken; neben Volkswagen auch Audi, Porsche, Seat, Skoda, Bentley, Bugatti oder Lamborghini, den Motorrad-Hersteller Ducati sowie die Nutzfahrzeug-Marken MAN und Scania. Damit konnte man für einige Zeit sogar zum absatzstärksten Auto-Konzern aufsteigen und Toyota vom Spitzenplatz verdrängen. Im Zuge des Abgas-Skandals und der Absatz-Flaute der vergangenen Jahre hat man diese Spitzenposition aber wieder verloren. Nicht jedoch den Anspruch, sich wieder als Nr. 1 in der Welt zu etablieren. Und das soll künftig ausschließlich über Elektro-Fahrzeuge gelingen. VW-Chef Herbert Diess hatte schon frühzeitig die einseitige Festlegung auf den Elektro-Antrieb vorgenommen, während andere Hersteller noch auf Verbrennungs-Motoren und/oder Wasserstoff-Antrieb setzten. Diese anfangs als sehr riskant eingestufte Strategie scheint sich als erfolgversprechend zu erweisen. VW geht jetzt in die Vollen und brannte auf seinem „Power Day“ ein regelrechtes Feuerwerk an Innovationen ab. Eigene Batterie-Fertigung So will man künftig im großen Stil eigene Batterie-Zellen fertigen, um unabhängiger von asiatischen Lieferanten zu werden. Dazu sollen allein in Europa bis zum Ende des Jahrzehnts sechs Gigafabriken mit einer Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden im Jahr errichtet werden. Eine direkte Kampfansage an Tesla, die sich hier bisher als führend wähnen. VW will damit seinen eigenen Bedarf an Batterie-Zellen auf lange Sicht absichern und gleichzeitig die Batterie-Kosten um 50 Prozent senken. Darüber hinaus will VW die eigene Wertschöpfungskette verbreitern und dehnt deshalb die Partnerschaft mit Northvolt aus, einem schwedischen Unternehmen, das Lithium-Ionen-Batterien für Elektro-Autos und zur Energie-Speicherung entwickelt und produziert. Die schwedische Gigafactory soll schon 2023 in Betrieb gehen. VW setzt immer mehr auf kobaltfreie und günstigere Lithium-Eisenphosphat-Zellen. Eine weitere Gigafactory entsteht in Salzgitter, den dortigen Standort hat Volkswagen von Northvolt übernommen. Dort möchte VW ab 2025 die "Einheitszelle" für das Volumengeschäft herstellen, die in 80 Prozent der VW-Fahrzeuge Verwendung finden soll. Und genau das ist der Clou der VW-Ambitionen, dass man Standards vorgeben kann. Bisher baut jeder Hersteller sein Fahrzeug um eine individuell geformte Batterie herum, was die Stückzahlen niedrig und die Kosten hoch hält. VW produziert so viele Autos, dass man nicht auf Standards der EU warten muss, sondern man kann gleich selbst Nägel mit Köpfen machen. Gleiche Batterie-Typen ermöglichen eine günstigere Produktion, eine günstigere Wartung und – das wird bald zu einem ganz großen Thema werden – ein einheitliches Recycling der E-Batterien. Die sind nämlich hoch explosiv und brennbar und daher als Gefahrgut eingestuft. Da jedes Auto-Modell seine eigenen Batterien verwendet und diese höchst unterschiedlich hergestellt und verarbeitet sind, teilweise verklebt, gibt es bisher keinen geeigneten Recycling-Prozess, jedenfalls nicht im industriellen Maßstab. Das ist bisher alles Handarbeit und entsprechend ineffizient und teuer. Laufen künftig Millionen neuer E-Fahrzeuge pro Jahr vom Band, werden die runtergerockten E-Batterien zum Riesenproblem. VW geht die Thematik also gleich aus mehreren Blickrichtungen richtig an. Und wartet nicht auf andere, sondern schafft eigene innovative Spuren. Nicht gerade typisch deutsch, aber (dennoch) erfolgversprechend. Allerdings geht VW auch bei der Batterie-Technik einen eigenen Weg. Mit seinem Partner QuantumScape entwickelt man eine Zukunfts-Batterie als Festköperzelle oder Solid State Battery. Die Vorteile gegenüber der aktuell vorherrschenden Lithium-Ionen-Technologie sind eine höhere Energiedichte, mehr Sicherheit und eine bessere Schnellladefähigkeit, sowie ein deutlich geringerer Platzbedarf. VW zählt neben Bill Gates und Katar zu den größten Investoren von QuantumScape, die rund 200 Wissenschaftler und Ingenieure beschäftigt, darunter auch JB Straubel, der 16 Jahre lang Technik-Chef bei Tesla war. QuantumScape (ISIN: US74767V1098) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 21e/22e/23e | Kurs | A2QJX9 / QS | 12,8 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 60,87 USD |
VW fährt also zweigleisig. Sollte sich die Solid State Batterie verwirklichen lassen, würde VW in diesem Segment zum Technologie-Führer und hätte seiner Konkurrenz gegenüber, einen großen Wettbewerbs-Vorteil. Plattform-Strategie Des Weiteren rollte VW eine E-Modell-Offensive aus, bedient sich hierbei jedoch einer ausgeklügelten und innovativen Plattform-Strategie, um möglichst kostengünstig produzieren zu können. Durch die Plattform-Strategie können gleiche Bauteile in einer Vielzahl von Fahrzeug-Modellen eingesetzt werden, wodurch die Stückkosten sinken. Bis 2022 will der Konzern bereits 27 Modelle auf Basis seines Elektro-Baukastens MEB anbieten. Im nächsten Jahr soll dann der Premium-Baukasten PPE für Elektro-Fahrzeuge der Oberklasse-Marken Audi und Porsche an den Start gehen, und bis Mitte des Jahrzehnts will Volkswagen die nächste Generation einer rein elektrischen und digitalen Plattform SSP entwickelt haben, auf der dann alle Modelle seiner Marken und Segmente gebaut werden sollen. SPP setzt dann den Schlusspunkt unter den Entwicklungsprozess hin zu einer einheitlichen Fahrzeug-Plattform für alle Modelle. In diesem Jahr will VW 500.000 E-Autos verkaufen, während es Tesla wohl auf rund 750.000 bringt. Doch der Wachwechsel dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Denn Volkswagen will jedes Jahr mindestens ein neues Elektro-Modell auf den Markt bringen. In der 1. Hälfte 2021 startet der allradgetriebene ID.4 GTX, gefolgt vom ID.5 in der 2. Jahreshälfte. Für den chinesischen Markt wird im Herbst zusätzlich mit dem ID.6 X ein 7-sitziges Elektro-SUV ausgerollt. 2022 folgt dann der ID.Buzz (Bulli-Nachfahre) und die Pläne für ein Elektro-Auto unterhalb des ID.3 wurden um 2 Jahre auf 2025 vorgezogen. Im Jahr 2030 dürften bereits 70 Prozent der Neuzulassungen in Europa Elektro-Wagen sein, in den USA etwa 40 Prozent und weltweit knapp ein Viertel, schätzt Goldman Sachs. Software eats the World Der Verbrennungs-Motor ist also tot. Neben der Batterie-Technik und dem Fahrzeug-Design wird die Software zum dritten Schlüssel-Element der Zukunft, sowohl bei den individuellen als auch den autonom fahrenden Fahrzeugen. Einige große Software-Konzerne bieten hier Lösungen an, nicht nur Alphabet, das mit seiner Tochter Waymo beim autonomen Fahren führend ist, sondern auch BlackBerry mit seiner QNX-Plattform. Doch Volkswagen geht hier einen eigenen Weg und lässt ein eigenes Betriebssystem entwickeln, das die Grundlage für möglichst viele Fahrzeuge sein soll. Auch hier gilt, dass steigende Stückzahlen sinkende Kosten bedeuten. Darüber hinaus sollen bei allen ab sofort produzierten Einheiten des ID.3 und ID.4 "Over-the-air"-Updates möglich sein. Neben den üblichen Software-Updates will VW sich durch das Herunterladen zusätzlicher Funktionen in der Auto-Software über einen eigenen App-Store eine neue Erlösquelle schaffen. Von Kursen und Kapriolen Diese neue Fantasie, die VW verbreitet, setzt auch den Börsenkurs unter Strom. Der Kurs der VW-Aktien ist in der letzten Woche massiv in die Höhe geschossen und VW hat nun sogar SAP als wertvollsten DAX-Konzern abgelöst. Wobei zu beachten ist, dass die stimmrechtslosen Vorzugs-Aktien dem DAX angehören, nicht die Stamm-Aktien. Die haben nämlich nur einen geringen Streubesitzanteil, weil der Großteil der Aktien bei der Porsche Holding, dem Land Niedersachsen und dem Emirat Katar liegt. Und doch stiegen die Stamm-Aktien fast doppelt so stark an wie die Vorzugs-Aktien. Was an der hohen Nachfrage der US-Anleger liegen dürfte. Diese bevorzugen bei Direkt-Investments Aktien mit Stimmrecht und die in den USA gehandelten ADRs beziehen sich ebenfalls auf die Stamm-Aktien. Volkswagen (ISIN: DE0007664039) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 21e/22e/23e | Kurs | 766403 / VOW3 | 131 Mrd. EUR | 9,4 / 7,6 / 6,6 | 223,35 EUR |
Die hohe Nachfrage der Amerikaner dürfte sich aus zwei Quellen speisen. Zum einen wird VW nun als ernstzunehmender Tesla-Herausforderer eingestuft, und dann gibt es da noch – möglicherweise – das Apple Car. VW als Apple Car-Partner? Apple wird schon länger nachgesagt, ein eigenes Apple Car auf den Markt bringen zu wollen. Dafür suche man nach einem starken großen Partner. Zuletzt wurde Hyundai als Favorit gehandelt, doch einige Analysten sehen hier VW als beste und logische Wahl, wenn Apple im Sommer seine Entscheidung bekannt gibt. Eine mögliche Allianz von VW mit Apple heizt die Fantasie kräftig an. Beinahe ebenso die Spekulation über einen möglichen Börsengang von Porsche, als dem Auto-Hersteller. So hatte FIAT vor einigen Jahren Ferrari separat an die Börse gebracht und das hatte sich für alle Beteiligten reichlich ausgezahlt. So hat sich der Aktienkurs, trotz aller Krisen, seit dem Börsengang mehr als verdreifacht. Und Porsche ist eine Perle im VW-Konzern, da kann man schon ins Träumen kommen. Mein Fazit: VW ist zurück im Spiel. Die Strategie von CEO Diess, einseitig und komplett auf E-Mobilität zu setzen, zahlt sich aus. Auch weil VW zweistellige Milliardensummen in diese neue Zukunft investiert und so alle Wettbewerber an die Wand drängt. Man agierte lange Zeit zögerlich und kam kaum aus seiner Ecke heraus, aber mit zunehmender Kampfdauer zeigt VW, dass man die größeren Reserven und noch reichlich Dampf in den Fäustlingen hat. Der Gegner Tesla ist angezählt und wankt, während VW über die volle Distanz gehen und sogar noch einen Zahn zulegen kann. Noch ist der Kampf nicht gewonnen, noch liegt Tesla knapp nach Punkten vorn. Doch das Blatt beginnt sich zu wenden – gut möglich, dass Tesla bald angezählt wird und am Ende vielleicht sogar in den K.O. wankt. Aber noch ist es nicht so weit. Freuen wir uns erstmal auf eine spannende 2. Hälfte dieses Boxkampfes zweier wahrer Giganten...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“. | |
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