Liebe Frau Do, NRW hat sich zwar mit den Vorschlägen von Armin Laschet nicht durchgesetzt, darf aber in der Corona-Pandemie Sonderwege beschreiten. So sollen die Schülerinnen und Schüler von Abschlussklassen ab Donnerstag kommender Woche wieder zu Schule gehen. Das stößt nicht auf Gegenliebe bei den Betroffenen, eine Videobotschaft des Ministerpräsidenten löste auf Instagram einen Shitstorm junger Menschen aus. „Hier wird über meine Gesundheit entschieden“, sagt der Viersener Abiturient John Jansen (18). Meine Kollegin Kirsten Bialdiga stört sich vor allem an der kurzen Vorbereitungszeit für die Öffnung. Für mich bleibt die Frage, ob das eigentlich überhaupt unbedingt sein muss. Auf eine andere Frage, die derzeit viele Eltern bewegt, gibt es jetzt eine Antwort: Welche Berufsgruppen können künftig in NRW eine Notbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen? Die Landesregierung hat die Liste der sogenannten systemrelevanten Berufe erweitert. Meinem Kollegen Max Plück liegt sie exklusiv vor. Es hilft, wenn politische Entscheidungen – erst recht solche, bei denen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt ist – nicht aus Kalkül oder einer Laune heraus getroffen werden, sondern auf messbaren Kriterien fußen. In der Pressekonferenz vorgestern zeigte Angela Merkel, eine promovierte Physikerin, ihr ausgeprägtes naturwissenschaftliches Verständnis. Den R-Faktor und seine Auswirkungen auf das Gesundheitssystem rechnete sie vor laufenden Kameras vor und zurück. Mein Kollege Philipp Jacobs hat sich mit dieser wichtigen Kennzahl, die unseren Alltag über Monate bestimmen wird, eingehend beschäftigt. Aber das Rechnen muss auch Sinn machen. Einer, der daran zweifelt, ist Klaus Reinhardt: „Insgesamt hätte ich mir aber einige Lockerungen mehr vorstellen können“, sagt der Präsident der Bundesärztekammer in einem Interview, das unsere Berliner Korrespondentin Birgit Marschall mit ihm geführt hat. Für die Fortsetzung der Kontaktbeschränkungen bis zum 3. Mai gebe es keine konkrete wissenschaftliche oder medizinische Grundlage. „Im Moment gibt es überhaupt keinen Hinweis darauf, dass wir auf eine Überforderung der Krankenhäuser zusteuern.“ Auf eine Überforderung steuern die Schausteller und viele Veranstalter zu. Wenn Sie gehofft haben, wie gewohnt im Sommer ein Open-Air-Festival, ein Volksfest oder die Düsseldorfer Rheinkirmes besuchen zu können: Daraus wird nichts. Das bringt die Branche in große Nöte, wie mein Kollege Christian Schwerdtfeger recherchiert hat. Gut möglich, dass Sie manches Event im vergangenen Jahr zum letzten Mal besucht haben, ohne es zu ahnen. Aber noch geben einige Veranstalter nicht auf. In Düsseldorf gibt es Gedankenspiele, wie eine abgespeckte Kirmes – dann wohl nicht auf der Rheinwiese – stattfinden könnte. So oder so können Sie ab Montag einige vertraute Orte wieder aufsuchen, dann dürfen die kleineren Geschäfte öffnen. Wie das ablaufen soll, haben wir für Sie zusammengetragen. Vielleicht ist es Einbildung, aber bei einem Spaziergang in Düsseldorf hatte ich heute den Eindruck, dass die Innenstadt wiedererwacht. Junge Leute, die in Gruppen zusammenstehen. Ein Lokal, bei dem Take-Out darin besteht, dass Bier in Plastikbechern ausgeschenkt wird, um sie vor der Tür zu leeren. Es wird schwieriger, Abstand zu halten und einander auszuweichen. So sehr sich die neuen Freiheitsgrade gut anfühlen werden, lassen Sie uns trotzdem vernünftig bleiben. Und zugleich fröhlich und zuversichtlich. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |