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Liebe Leserin, lieber Leser, |  | Andreas Rosenfelder | Ressortleiter Feuilleton |
| Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat etwas getan, was vielen Deutschen als Irrsinn erscheint: Er hat die Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca gestoppt, weil bei sieben von rund 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland Thrombosen in Hirnvenen auftraten. Für das Individuum, das sich impfen lässt, steht das Risiko demnach bei 1 zu 228.571. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Asteroid Apophis im Jahr 2036 mit der Erde kollidiert, wird von der Nasa auf 1 zu 250.000 beziffert.
Aber zurück nach Deutschland, in das Jahr 2021. Sieben von 1,6 Millionen Fällen, das sind 0,00044 Prozent, drei Nullen nach dem Komma. Stellt man sich – leider völlig unrealistisch – vor, alle der rund 83 Millionen Deutschen würden mit dem Impfstoff AstraZenecas versorgt, dann müsste man also etwa mit 350 dieser gefährlichen Komplikationen rechnen. Das ist nicht nichts, es verblasst aber vor der Zahl der schweren und tödlichen Corona-Verläufe, die sich durch die Impfung verhindern ließen. Unter Verweis auf genau dieses Risiko aber hat Jens Spahn die AstraZeneca-Impfkampagne abgebrochen und somit einen zentralen Baustein der Pandemiebekämpfung vorerst entfernt. Dieser diente nicht zuletzt dem Ziel, das Land aus einem Lockdown zu befreien, der 83 Millionen Deutsche jeden Tag betrifft – und zwar nicht mit einer abstrakten Wahrscheinlichkeit, sondern mit brutaler Gewissheit.
Und doch ist die Entscheidung, das AstraZeneca-Vakzin aus dem Verkehr zu ziehen, nur folgerichtig – zumindest nach dem Maßstab der deutschen Corona-Politik. „Jede Infektion, jeder Tote ist zu viel“ – diese Devise gab Markus Söder schon am 20. März 2020 aus, also vor fast genau einem Jahr. Wer aber jede Infektion, jeden Toten verhindern will, der darf auch keinen einzigen Thrombosefall in Kauf nehmen. Wie lautet noch Angela Merkels Mantra? „Nummer sicher.“
Unsere politische Führung hat sich auf eine absolute Moral festgelegt: Ein gesundheitliches Risiko, das sich durch politisches Handeln verhindern lässt, muss auch verhindert werden. Anstatt zu unterscheiden, wo man mit Risiken leben kann und will und wo man im Gegenzug Risikogruppen schützen muss, setzt man auf die Verhinderung möglichst aller Kontakte. Das Ergebnis sind Maßnahmen, unter denen Kinder und Jugendliche am meisten leiden, obwohl das Risiko, an einer Corona-Infektion zu sterben, bei einem 20-Jährigen nach den Berechnungen des Stuttgarter Stochastikers Christian Hesse gerade einmal 0,006 Prozent beträgt, zwei Nullen nach dem Komma.
Mit dem AstraZeneca-Debakel tritt die Strategie der totalen Risikovermeidung ins Endstadium ein: Ein Impfstoff gegen eine Krankheit, deren Sterblichkeitsrisiko für die meisten Menschen im Promillebereich liegt, wird für untauglich befunden, weil er seinerseits ein Thrombose-Risiko im Hunderttausendstelbereich mitbringt. Das Ergebnis ist keineswegs maximale Sicherheit, sondern Handlungsunfähigkeit. Es ist Zeit, aus dieser tödlichen Logik auszubrechen: Wer gar keine Risiken eingeht, der geht zugrunde.
Was den Tag heute bestimmt, darüber berichtet für Sie jetzt aus dem WELT-Newsroom meine Kollegin Judith Mischke.
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WAS HEUTE SCHLAGZEILEN MACHT |
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Quelle: REUTERS/Albert Gea/File Photo |
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Volkswagen will Batterie-Fabriken ausbauen
Der Volkswagen-Konzern (VW) setzt auf eine neue Elektro-Strategie: Gemeinsam mit Partnern soll bis zum Ende des Jahrzehnts ein Netz eigener Batteriezell-Fabriken entstehen, wie VW am Dienstag bekannt gab. Das bedeutet: Neben der Produktion im Werk Salzgitter plant der Autobauer noch fünf weitere Standorte für eine Versorgung seiner zentralen E-Technologie. „E-Mobilität ist zu unserem Kerngeschäft geworden. Wir sichern uns langfristig eine 'Pole Position' im Rennen um die beste Batterie und das beste Kundenerlebnis im Zeitalter der emissionslosen Mobilität“, sagte Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender bei VW (im Foto). Die geplanten sechs Zellfabriken sollen eine Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden pro Jahr haben. Zudem wird es auch eine Fabrik in Nordschweden geben. Weitere Details finden Sie auf welt.de.
Deutschland hält Klimaziele ein
Deutschland hat seine Klimaziele im Jahr 2020 eingehalten, allerdings vor allem durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Das geht aus der Klimabilanz hervor, die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gemeinsam mit dem Umweltbundesamt (UBA) vorgestellt hat. Demnach lagen die CO2-Emissionen im vergangenen Jahr um 40,8 Prozent unter dem Stand von 1990 – und um 8,7 Prozent unter dem Stand von 2019. Die Ministerin bezeichnete den Rückgang als „großen Fortschritt“, sah jedoch noch „Handlungsbedarf" – zum Beispiel im Verkehrssektor. Eine umfangreiche Analyse finden Sie heute Nachmittag auf welt.de.
RKI: Neuinfektionen steigen im Vergleich zur Vorwoche
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 5480 Corona-Neuinfektionen – über 1200 Fälle mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg im Vergleich zum Vortag leicht an und lag bei 83,7 – vor einer Woche war sie noch bei 67,5. Der RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann sagte, er sehe das Infektionsgeschehen in einem exponentiellen Wachstum. „Wir sind genau in der Flanke der dritten Welle. Da gibt es gar nichts mehr zu diskutieren“, sagte Brockmann in der ARD. In diese „Flanke" herein sei gelockert worden und das habe dieses exponentielle Wachstum beschleunigt, das es bereits durch die britische Virusvariante B117 gegeben habe. „Das ist total irrational gewesen, hier zu lockern. Das befeuert nur dieses exponentielle Wachstum.“
Ex-CDU-Generalsekretär Tauber zieht sich aus Politik zurück
Der frühere CDU-Generalsekretär und jetzige Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber zieht sich krankheitsbedingt vorzeitig aus der Politik zurück. Er hatte dies eigentlich zur Bundestagswahl im September geplant. Am Montag kündigte er jedoch auf Facebook an: „Zu Ostern werde ich mein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär niederlegen. Das habe ich mit der Bundeskanzlerin und der Bundesministerin der Verteidigung besprochen.“ Auch sein Bundestagsmandat werde er zeitnah niederlegen. „Der Schritt fällt mir nicht leicht“, schrieb der 46-jährige Hesse. „Nach meiner Erkrankung vor drei Jahren sind zwei weitere Eingriffe notwendig geworden. Die erste Operation wurde Ende Januar durchgeführt, die zweite Operation zwingt mich zu einer längeren Auszeit.“
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WORÜBER HEUTE DISKUTIERT WIRD |
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Quelle: AP Photo/Christophe Ena, File |
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Die Bundesregierung verschiebt den für Mittwoch geplanten Impfgipfel. Der Grund: Nach dem Aussetzen des AstraZeneca-Impfstoffs soll eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zu dem Vakzin abgewartet werden. Diese ist für Donnerstag geplant. Eigentlich wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder über die Rolle von Hausärzten bei der Impfkampagne beraten, um diese schneller voranzubringen. Doch ohne die genauen Angaben, mit welchem Impfstoff überhaupt in welchen Mengen geimpft werden kann, wird das Treffen aus Sicht Berlins vorerst hinfällig.
Von der EMA-Entscheidung am Donnerstag erhofft sich die Bundesregierung Antworten auf gleich mehrere offene Fragen: Zum einen soll geklärt werden, wie hoch das Risiko von Thrombose-Erkrankungen für Patienten wirklich ist, wenn sie mit AstraZeneca geimpft werden. Zum anderen muss die Bundesregierung davon ableiten, für wie lange sie die Impfungen mit dem Vakzin aussetzen wird – nur ein paar Tage oder doch länger? Und wird die AstraZeneca-Empfehlung in Deutschland angepasst, sodass Impfungen nur für Personen erlaubt sind, die – zum Beispiel altersbedingt – ein geringeres Thrombose-Risiko haben?
Auf europäischer Ebene haben mehrere Länder – etwa Frankreich, Spanien, Portugal oder Italien – wie Deutschland entschieden und die AstraZeneca-Impfungen vorerst gestoppt. Andere Länder, wie zum Beispiel Österreich, pausierten nur temporär und impfen inzwischen weiter. Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sah „keinen Beweis“ für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Nebenwirkungen, „die auch bei ungeimpften Personen auftreten können".
In Deutschland wächst die Kritik an der Aussetzung. „Dass Menschen Thrombosen und Lungenembolien bekommen, muss nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun haben“, sagte Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland". Der Gesundheitsexperte der Grünen, Janosch Dahmen, bezeichnete die Aussetz-Entscheidung als „die nächste Erschütterungswelle“ für das Vertrauen in die Corona-Politik der Bundesregierung. „Eine Alternative wäre es, über das überschaubare Risiko ausführlich aufzuklären und weiterhin jene Menschen zu impfen, die eine Impfung mit AstraZeneca möchten.“ Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach argumentierte in der ARD: „Auf der Grundlage der Zwischenfälle, die wir jetzt kennen, überwiegt natürlich der Nutzen des Impfstoffs, insbesondere bei den Älteren."
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WAS HEUTE NOCH WICHTIG WIRD |
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Quelle: Aris Oikonomou / POOL / AFP |
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Am Nachmittag schalten sich die Gesundheitsminister der EU-Mitgliedsstaaten mit der Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides (im Foto) zusammen. Bei der Konferenz geht es zum einen darum, wie in den einzelnen Ländern gegen Corona geimpft wird – auch mit AstraZeneca. Außerdem steht der neue Plan der EU-Kommission im Fokus, der sich dem Kampf gegen Krebs widmet. Gegen 17.30 Uhr wird es dazu eine Pressekonferenz geben.
Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden am Nachmittag ein „außerplanmäßiges Treffen" zu AstraZeneca mit der Europäischen Arzneitmittel-Agentur abhalten.
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Streit gibt es in jeder Partnerschaft – aber wie streitet man richtig? Und wann spricht man Probleme an, die nicht lösbar scheinen? Die Single- und Paarberater Anna Peinelt und Christian Thiel geben Tipps und sagen, welchen Fehler Sie möglichst vermeiden sollten – in der neuen Podcast-Folge „Die Sache mit der Liebe."
Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag.
Andreas Rosenfelder Ressortleiter Feuilleton |
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MEINE WELTPLUS-EMPFEHLUNGEN FÜR SIE |
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| „DIE VERGESSENEN AKTIEN" | Viele Aktien notieren noch weit unter ihren Vor-Pandemie-Ständen. Nicht immer stecken dahinter überholte Geschäftsmodelle. WELT zeigt, wo Experten großes Aufholpotenzial sehen. |
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| „TOXISCHER COCKTAIL" | Für den Historiker Andreas Rödder sind die starken Grünen in Baden-Württemberg ein Ausrufezeichen für die Leerstelle, die die CDU hinterlassen hat. |
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| DIESES BILD VON CHINA FÜHRT IN DIE IRRE | China ist eine Diktatur, die alles zensiert und auf Linie bringt, Dialog zwecklos. Wirklich? Ein Autor argumentiert, dass dieses Denken genau das ist, was dem Regime in Peking in die Hände spielt. |
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