Atomkraft, ja bitte?
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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

23. Januar 2020

Liebe Frau Do,

niemand hat die Absicht, Atomkraftwerke zu bauen, jedenfalls nicht in Deutschland. Die hiesigen Energiekonzerne haben sich mit dem Ausstieg längst abgefunden, sie sind seitdem ohnehin geschrumpft oder auseinandergebrochen. Es gibt auch keine deutschen Kraftwerkshersteller, die auf Atomkraft setzen. Und die öffentliche Meinung ist eindeutig. Spätestens Ende 2022 soll der letzte deutsche Meiler abgeschaltet werden. Der Ausstieg begann unter Rot-Grün, er wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel erst verlangsamt und dann wieder beschleunigt, wegen Fukushima und mit Blick auf eine Landtagswahl in Baden-Württemberg, die sie nicht verloren geben wollte (die CDU verlor trotzdem, aber das ist eine andere Geschichte). Es gibt also eigentlich keinen Anlass, sich wieder mit Atomkraft zu beschäftigen, wären da nicht das jetzt beschlossene Ende der Kohleverstromung und die Klimadebatte. Denn wenn es mit den erneuerbaren Energien so weitergeht wie jetzt absehbar, dann ist eine Folge des Atom- und Kohleausstiegs, dass Deutschland mehr Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland importieren muss. Unser Chefkorrespondent Dr. Matthias Beermann plädiert daher dafür, sich mit einer neuen Generation von Atomkraftwerken zu beschäftigen. Wenn Sie etwas gegen Denkverbote haben, sollten Sie seinen Text lesen. Start-ups in den USA, aber auch Spitzenforscher in Europa und Asien arbeiten an Reaktoren, die kleiner und viel flexibler sind als die alten Meiler. Günstig zu produzierende Mini-AKW sollen die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ich habe einst in Brokdorf gestanden und mich mit Tränengas einnebeln lassen, ich war immer gegen Atomkraft, nicht zuletzt wegen der fehlenden Endlager, aber ich finde diesen Ansatz hochinteressant.

In Deutschland ist ja nicht nur jeder Fußballtrainer, sondern auch Bahnchef. Über verpasste oder überfüllte Züge, geschlossene Bordrestaurants und verdreckte Toiletten lässt sich viel erzählen. Dass es inzwischen kaum möglich ist, die Fahrtzeit mit dem Auto zuverlässig zu planen, dass eine Flugreise stressig und eben auch nicht pünktlich verläuft, geht häufig unter. Ich wünsche mir bei allen berechtigten Forderungen an die Bahn etwas mehr Demut und Gelassenheit mit diesem Verkehrsträger. Aber neben den gefühlten Wahrheiten gibt es auch Daten und Fakten über das Staatsunternehmen, die sich nicht schönreden lassen. Wie viele Züge im alten Jahr ersatzlos gestrichen wurden, lesen Sie hier. Die FDP hat ihr Urteil schon gesprochen: „kein hinnehmbarer Zustand“.

Als Reaktion auf die zunehmenden Angriffe auf Polizisten rüsten die Bundesländer ihre Beamten immer besser aus. Das hat unsere exklusive Nachfrage unseres Kollegen Christos Pasvantis bei allen Innen- und Justizministerien ergeben. So viel vorweg: NRW ist mit dem Einsatz der Bodycams relativ weit, aber bei den Tasern – im Beamtendeutsch Distanz-Elektroimpulsgeräte genannt – ist sich das Innenministerium noch nicht sicher, wie es weitergeht.

Gestern sprach mich unser Kulturredakteur Dr. Wolfram Goertz mit den Worten an: „Jones ist tot.“ Ich musste nachfragen, aber dann wusste ich Bescheid: Terry Jones aus der britischen Comedytruppe Monty Python. Ich war keiner der ganz großen Fans, von denen es in meiner Altersgruppe einige gibt, aber ich fand diesen respektlosen, intelligenten Humor schon klasse. Der Kollege hat einen schönen Nachruf geschrieben, den Sie hier lesen können. Wenn Sie jetzt über den Sinn des Lebens nachdenken („Kommen wir zu Punkt 6 der Tagesordnung!“), sind wir wieder am Anfang des Newsletters. Denn Monty Python zufolge lautet die Antwort, dass wir erstens zu selten Hüte tragen und es zweitens viele Energiequellen im Universum gibt, die wir (noch) nicht wahrnehmen können.

Egal, ob Sie Letzteres spirituell oder physikalisch verstehen: Ich wünsche Ihnen viel Energie für diesen neuen Tag!

Herzliche Grüße

Ihr

Moritz Döbler

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