Ausgabe vom 03.12.2020

Auch negative Nachrichten lassen die Anleger kalt

Auch negative Nachrichten lassen die Anleger kalt
von Sven Weisenhaus

Gestern schrieb ich, dass die Aktienmärkte schon viel Positives eingepreist haben und die Kurse daher aktuell kaum noch mit Kursgewinnen auf positive Nachrichten reagieren. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Märkte derzeit auch nicht auf negative Nachrichten reagieren.

Die Corona-Krise kann noch sehr negative Folgen haben

So spielen die nach wie vor problematischen Infektions- und Sterblichkeitszahlen zur Corona-Pandemie scheinbar überhaupt keine Rolle mehr. Das ist angesichts der Impfstoffhoffnungen und der Tatsache, dass an der Börse die Zukunft gehandelt wird, durchaus verständlich. Aber für die Wirtschaft stellen die derzeitigen Restriktionen durchaus noch Probleme dar. Wie schwerwiegend diese sind, wird sich erst zeigen, wenn einige Maßnahmen auslaufen, wie zum Beispiel die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.

Handelsstreitigkeiten sind mit einem US-Präsident Biden nicht beendet

Neben der Hoffnung auf eine Lösung der Corona-Krise durch Impfstoffe herrscht an den Börsen auch die Hoffnung auf eine Beilegung der Handelsstreitigkeiten durch einen US-Präsidenten Joe Biden. Doch auch hier stellen die derzeit verhängten Zölle für die Wirtschaft noch eine Belastung dar. Und es noch nicht absehbar, wann sich das ändern könnte. Denn Biden will an den von Amtsinhaber Donald Trump mit China vereinbarten Handelsvereinbarungen vorerst festhalten.

Ich werde nicht sofort Schritte unternehmen, und das betrifft auch die Zölle“, sagte Biden der Zeitung „New York Times“. Biden wolle seine Möglichkeiten nicht einschränken. Und er fügte hinzu, dass er eine Politik verfolgen werde, die auf Chinas „missbräuchliche Praktiken“ abziele, darunter „Diebstahl von geistigem Eigentum, Dumping, illegale Subventionen von Unternehmen“ und Technologietransfers.

Die Erwartung, dass die Handelsstreitigkeiten unter einem US-Präsidenten Biden sofort beendet werden, wird sich also nicht erfüllen. Denn nicht nur Donald Trump oder die Republikaner stören sich an Chinas Verhalten in einigen Bereichen, sondern auch die Demokraten und Biden. Und auch US-Zölle auf Produkte aus der EU werden nicht ohne Gegenleistung entfallen.

Die EU hat erst kürzlich neue Zölle auf US-Importe beschlossen

Wohl um sich in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen, hat die EU auch nicht abgewartet, ob der künftige US-Präsident Joe Biden einen Kurswechsel in der Handelspolitik einleitet. Stattdessen beschloss die EU jüngst, wegen rechtswidriger Subventionen für den Flugzeugbauer Boeing neue Strafzölle auf US-Importe zu erheben.

Dem vorangegangen war eine Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO, die der EU Strafzölle in dieser Angelegenheit erlaubt. Unabhängige Streitschlichter hatten entschieden, dass die EU auf US-Importe im Umfang von knapp 4 Milliarden Dollar pro Jahr Zölle verhängen darf. Und zuvor hatten die Schlichter den USA wegen unerlaubter Subventionen für Airbus Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt. Daraufhin erließen die USA umgehend Zölle auf Produkte aus der EU von bis zu 25 %, die noch heute gültig sind. Hintergrund ist ein seit 16 Jahren  vor der WTO ausgetragener Streit über staatliche Hilfen für Airbus und auch für den Rivalen Boeing.

Doch diese Meldung im Handelsstreit ging im Getöse der Corona-Pandemie völlig unter. Kursreaktionen hat sie jedenfalls nicht hervorgerufen, genau wie die gestrige Meldung, dass Biden in Sachen Zölle gegenüber China erst einmal nicht einlenken wird.

Dow Jones: Bearisher Keil?

Im Dow Jones sind die Kurse zum Beispiel seit dem 9. November nur noch in relativ engen Bahnen seitwärts bzw. moderat aufwärts gelaufen. Dadurch könnten wir es hier mit einem Bear-Keil zu tun haben (siehe blaue Linien im folgenden Chart).

Dow Jones - Chartanalyse

Dabei ist es eigentlich egal, mit was für einer Formation wir es aktuell zu tun haben – wird die kurzfristige Aufwärtstrendlinie gebrochen, wäre dies bearish zu werten. Und wenn der Index unter das Hoch vom 3. September fällt (rote horizontale Linie), wird es für die Bullen deutlich problematischer. Kann der Index aber weiter zulegen und die Widerstandslinie (blau) deutlich überwinden, setzt sich das bullishe Elliott-Wellen-Szenario fort, wonach nach der ABC-Korrektur (blaue Buchstaben im Chart) ein neuer Aufwärtstrend vorliegt.

Fazit

Jüngst wurden negative Nachrichten ignoriert und positive kaum noch honoriert. Letzteres hat dabei immerhin dazu geführt, dass die Aktienindizes ihr hohes Niveau halten und die Kursgewinne tendenziell sogar ausbauen konnten. Die Chartbilder sind damit klar bullish. Aber durch die geringen Schwankungen der jüngsten Zeit reicht bereits ein schwacher Tag aus, um deutlich bearishe Signale zu liefern. Wie gestern schon geschrieben, sollte man daher in der aktuellen charttechnischen Situation an den Aktienmärkten auf alles Mögliche vorbereitet sein.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
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