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Rivian & Lucid – Auf den Spuren von Tesla oder gehypte Nachahmer?

Lieber Geldanleger,

 

nur die wenigsten Anleger haben sich vor 3 Jahren – also vor dem Mega-Kursanstieg – Tesla ins Depot gelegt, und noch weniger haben bis heute durchgehalten. Ganz im Gegenteil: Damals fiel Tesla eher durch die von Gründer und CEO Elon Musk ausgelösten Kontroversen auf.

Joint rauchend in zwielichtigen Internet-Shows oder tobend in Analysten-Konferenzen – Elon war immer für einen kleinen oder auch größeren Skandal gut! Vor allem aber hielt er oft seine operativen Versprechen nicht – zumindest nicht auf der Zeitebene. Entsprechend war die Zahl der Skeptiker groß. Der Markttenor damals: Tesla verbrennt Geld ohne Ende und kann sich glücklich schätzen, vielleicht einmal von einem der „großen“ deutschen Autobauer übernommen zu werden.

Nun, wir wissen, dass es anders gekommen ist. Tesla hat seine Probleme mit der Model 3-Produktion in den Griff bekommen und den Turnaround geschafft – wenn auch bisher nur mit Hilfe von Emissions-Zertifikaten, also mit staatlicher Unterstützung, aber das interessiert den Markt nicht wirklich. Das Unternehmen wächst rasant und wird heute als visionärer Technologie-Konzern gesehen und bewertet. Mit entsprechend stattlicher Bewertung (die in etwa beim 10-fachen der deutschen Player liegt).

Die Story des 3.000%-Kursanstiegs von Tesla seither ist unserer Ansicht nach eine zweigleisige: Zum einen macht Tesla unglaublich viel richtig. Armin hat 8 Trademarks herausgearbeitet (hier Video ansehen), die Tesla von der Konkurrenz abheben:

1) Vertikale Integration

2016 hat Elon Musk gesagt: Unser Ziel ist es, so gut wie jedes Autoteil selber produzieren zu können – und damit die Abhängigkeit von Zulieferern auf null zu senken. Wie Tesla davon profitiert, lässt sich bereits jetzt erkennen: Angesichts des Chip-Engpasses musste Tesla im Frühjahr nur für wenige Tage eine Fabrik schließen. Die Konkurrenz war viel stärker betroffen. Zudem hat man durch die vertikale Integration

- mehr Kontrolle über die Produktqualität
- mehr Kontrolle über die Produktionsplanung
- weniger Logistikkosten und

kann schneller liefern und die einzelnen Autoteile besser auf die eigenen Bedürfnisse anpassen.

2) Chip-Technologie / Auto-Pilot

Hier geht es vor allem um den Bereich „Künstliche Intelligenz“. Ziel sind „selbstfahrende Autos“. Eine der größten Herausforderungen dabei: Das Trainieren der Neuronalen Netzwerke damit diese richtige Entscheidungen treffen.

Die Prozessoren bzw. die Chips dafür müssen extrem schnell sein, u.a. müssen sie in der Lage sein, neue Daten zu verarbeiten, während das Auto fährt!

Und auch hier geht Tesla einen komplett anderen Weg: Man hat eigene Chips entwickelt, die speziell darauf ausgerichtet sind.

Die Konkurrenz verwendet dagegen Chips von Nvidia und AMD. Die sind zwar auch hochleistungsfähig, aber eben nicht speziell für das Autonome Fahren entwickelt.

Und das ist noch nicht alles: Tesla hat eine komplett andere Philosophie und setzt bei „selbstfahrenden Autos“ nur auf Vision (Sicht). Alle Entscheidungen des Autos basieren auf 8 HD-Kameras mit 36 Frames je Sekunde, die Millionen von Datenelementen durch den FSD-Chip pumpen.

Das Krasse dabei: Tesla ist das einzige Unternehmen, dass das so macht. Alle anderen setzen auf HD-Landkarten und Radar-Technologie. Musk hält das für falsch.

Der große Vorteil dabei für Tesla: Dadurch, dass immer mehr Teslas auf Straßen unterwegs sind – und alle diese Teslas Daten sammeln und über WLAN über Nacht an Tesla übermitteln – werden die neuronalen Netzwerke in unfassbarer Geschwindigkeit trainiert!

Behält Musk mit dieser Strategie Recht, würde die Konkurrenz – inklusive Waymo von Google – nur noch die Rücklichter sehen.

3) Batterie-Strategie

Fast alle E-Autobauer setzen bei der Strategie auf Drittanbieter. Tesla bisher auch. Musk ist aber sicher, dass es eine Batterieknappheit geben wird in Zukunft. Deswegen forscht Tesla fieberhaft intern, baut bereits eigene Batterien – und will eher früher als später auch alle Batterien selber bauen.

Musk glaubt, aber dass Tesla am Ende 135 Gigafabriken brauchen würde, um die Nachfrage selber zu decken. Das ist unmöglich. Deswegen will Tesla die Herstellungskosten für Batterien um weitere 56% senken. Gelingt das würde man die Konkurrenz noch weiter abhängen. Der einzige andere Autobauer weltweit, der bei der Batterie-Technologie noch einigermaßen mithalten kann, ist GM. Der Rest hat wahrscheinlich keine Chance. Mit Ausnahme von BYD mit ihren Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien im mittleren und unteren Preissegment eventuell.

4) Solar-Strategie

Ganz simpel gesagt kann man Energieverluste beim Aufladeprozess vermeiden, wenn der Strom direkt von Solarpaneelen auf dem Dach kommt. Die liefern nämlich Gleichstrom, während der normale Stromkreislauf im Haus wechselstrom-basiert ist. Tesla setzt darauf, dass früher oder später die meisten E-Autos mit Solarstrom geladen werden – und hat dafür sein eigenes Produkt: Die Powerwall.

Aber Tesla denkt noch weiter: Ziel ist es, dass früher oder später auch die Autos selber mit Solar-Zellen ausgestattet werden und sich die Batterie so während der Fahrt oder auch während des Parkens zumindest zum Teil mit Solar-Energie selber wieder aufladen kann. Das wäre ein absoluter Quantensprung und würde einen weiteren großen Imagegewinn bringen, wenn Tesla hier als erster in die Serienproduktion gehen würde.

5) Bitcoin-Strategie

Ja, richtig. Bitcoin. Musk musste sich herbe Kritik anhören als Tesla für 1,5 Mrd. US-Dollar Bitcoin gekauft hat. Nun ist der Wert des Bestands bereits um über 50% gestiegen. Im Ernstfall kann das zu zusätzlichem Cash gemacht werden, auf das Tesla zugreifen kann. Oder alternativ: Wenn der Bitcoin weiter stark steigt, wird der Bestand natürlich immer mehr Wert.

6) Patente

Das hängt mit der beschriebenen Strategie zusammen, extrem auf Forschung und Entwicklung zu setzen. Tesla hat in den letzten 4 Jahren an über 700 Patenten gearbeitet. Heißt: Ca. alle 4 Tage ein neues Patent. Damit stellt man die Konkurrenz in den Schatten.

7) Präsenz in China

Tesla hat in Rekordzeit und als erstes westliches Unternehmen eine Gigafactory in China hochgezogen – von der grünen Wiese in nur 15 Monaten. Diese soll am Ende eine Kapazität von über einer Million Fahrzeuge pro Jahr haben. Damit stellt man nicht nur die westliche Konkurrenz in den Schatten. Tesla liefert momentan auch mehr als 5-mal so viele Elektro-Fahrzeuge in China aus wie jeder der größten chinesischen Herausforderer.

8) Automatisierung

Tesla hat inzwischen weltweit gleich 6 Gigafabriken. Hier eine Übersicht:

Giga-Factory-Weltkarte | Quelle: Tesla

Kalifornien, Texas, New York, Shanghai und zuletzt Berlin finden sich da auf der Landkarte. Weitere sollen folgen in China, Indien, Japan, Korea und Großbritannien.

Aber nicht nur die Geschwindigkeit, in der gebaut wird, ist atemberaubend. Auch der Automatisierungsgrad. Nach Angaben von Musk sind die Fabriken bereits zu über 75% automatisiert. Tendenz stark steigend. Sie muten teilweise an wie Science Fiction-Fabriken. Damit sind enorme Skalierungseffekte möglich.

Bedeutet: Die Kosten je produziertem Auto sinken extrem, je mehr die produzierten Volumina ansteigen. Und: Die Automation bringt ein sehr hohes Level an Qualität und Präzision, die vom menschlichen Auge gar nicht mehr wahrgenommen werden. Noch wird ja kritisiert, dass Tesla-Autos schlecht verarbeitet seien. Das mag stimmen, dürfte aber eine Kinderkrankheit sein, die Tesla bald in den Griff bekommen wird.

Tesla hat also gigantische Vorteile gegenüber der Konkurrenz Insider sagen, dass Tesla bei den Batterien und den AI-Chips einen Vorsprung von 6 Jahren ggü. der Konkurrenz habe. Tendenz eher steigend.

Das Contra-Argument: Die Bewertung!

Das war die Sichtweise der Bullen. Wer die 8 Punkte aber etwas kritischer durchforstet, dem fällt auf: Hier ist viel „wenn und aber“ mit und was das beispielsweise das Autonome Fahren betrifft, ist bei weitem noch nicht entschieden, welche Technologie sich am Ende als überlegen herausstellt und von wem sie stammen wird.

Die Bären-Fraktion verweist zurecht darauf, dass zumindest ein Teil des explosiven Anstiegs auch auf eine Änderung des Markt-Sentiments von „bärisch“ auf extrem „bullisch“ zurückzuführen ist. Von einem Unternehmen, welches damals nicht einmal mit einem Kurs/Umsatz Verhältnis von 2 gehandelt worden ist – was für traditionelle Autobauer noch immer zu hoch war – wurde eines mit einem Multiple von über 20.

Die Marktkapitalisierung lag in der Spitze bei über 1 Billion US-Dollar! Das ist exorbitant, denn im Kern ist Tesla eben immer noch ein Autobauer. Die beschriebenen Tesla-Trademarks scheinen da mehr als eingepreist!

Tesla, Inc. (ISIN: US88160R1014)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 21e/22e/23e
Kurs
A1CX3T / TSLA
933 Mrd. USD
210 / 130 / 94
943,80 USD

Wir beschreiben die Situation und die Bewertungsrelationen bei Tesla so ausführlich, weil man diese kennen muss, um zu verstehen warum die 2 Herausforderer, um die es nachfolgend geht, so bewertet sind, wie das eben der Fall ist.

Wenn das Zugpferd derart davon galoppiert, folgen die kleinen im Schlepptau. Das kennen wir aus anderen Märkten und nicht zuletzt auch vom Krypto-Sektor: Der Bitcoin marschierte voran, dann folgten erst die „Altcoins“ und dann die „Shit-, sorry, die „Meme-Coins“, also Projekte mit sehr wenig Substanz. Mit letzteren verbrannten sich Anleger meist die Finger. Nur die großen haben über die Jahre durchgehalten und notieren jetzt höher als zuvor.

Auch wenn der Vergleich hinkt: Uns erinnert dieses Phänomen an die aktuelle Situation bei Elektro-Fahrzeug (EV)-Aktien. Es strömen „Hersteller“ an die Börse, die noch kaum ein Auto ausgeliefert haben und deren Geschäftsmodelle noch nicht markterprobt sind. Rosige Versprechungen werden gemacht und es wird viel Geld eingesammelt. Und der Markt ruft die gleichen Bewertungen auf wie bei Pionier und Branchen-Primus Tesla, oder sogar noch verrücktere.

Der Grund: Viele Kleinanleger wollen schnell reich werden. Frei nach dem Motto „Mal eben einen Vervielfacher mitnehmen“ wird nur auf den Preis der Aktie geschaut, nicht aber auf den zugrundeliegenden Wert, den man dafür erhält. Zu groß ist die Verlockung, die „neue Tesla“ zu kaufen. Wir sehen diese Entwicklung kritisch und warnen davor, zu jeder Bewertung zu kaufen. Der Gewinn liegt bekanntlich im Einkauf. Valuation matters.

Ungeachtet dessen sind die theoretischen Marktchancen bei diesen Newcomern enorm. Der Markt für Auto-Hersteller wandelt sich rasant. Das Straßenbild in 10 Jahren wird anders aussehen als heute. Wir werden Automarken sehen, von denen wir heute vielleicht noch nicht einmal gehört haben. 2 US-Kandidaten haben mit ihren Börsengängen in den letzten Monaten ordentlich für Schlagzeilen gesorgt. Wir werden diese heute unter die Lupe nehmen. Haben sie das Potenzial, eines Tages sogar das große Vorbild Tesla zu überholen und könnten sie deshalb auch jetzt schon ein gutes Investment sein? Machen wir uns ein Bild und finden es heraus:


Herausforderer Nr.1 – Rivian Automotive Inc.
(US-Kürzel: RIVN | WKN: A3C47B)

Wir leben in Goldenen Zeiten für Aktionäre, in einer großen, durch billiges Geld gestützten Boom-Phase. Unternehmen die sämtliche Cashflows in ihr Wachstum reinvestieren, werden dafür mit hohen Bewertungen belohnt – sofern das Umsatzwachstum stimmt.

Entsprechend setzen wir als Investoren gerne statt dem Kurs/Gewinn-Verhältnis eben das Kurs/Umsatz-Verhältnis als Bewertungsmaßstab an. Doch was machen wir bei Unternehmen, die nicht einmal Umsatz generieren?

Das stellt uns vor neue Herausforderungen und lässt uns nur eine Wahl: Wir müssen ganz auf Prognosen und Erwartungen vertrauen. Das birgt enorme Risiken, wenn die Erwartungen enttäuscht werden. Die Umsatzmultiples stehen auf verdammt wackligen Beinen. Die Aktien sind „priced for perfection“. Entsprechend allergisch reagieren sie auf die kleinsten Enttäuschungen.

So wie gestern beispielsweise als die Quartalszahlen veröffentlicht wurden. Der Verlust je Aktie fiel dabei mit -12,21 US-Dollar deutlich höher aus als die von den Analysten im Konsens erwarteten -5,52 US-Dollar. In der Analystenkonferenz hieß es, man werde die angepeilte Produktion von 1.200 Stück „um ein paar Hundert“ nicht erreichen.

Auch war das Hochfahren der Produktion für den R1T „schwieriger als erwartet“. Wirklich überraschend kommt das nicht, reicht aber für einen Kurssturz von rund 12% bei der Aktie, was wiederum ein neues Allzeit-Tief bedeutet. Gut, lang ist die Kurshistorie beim EV-Truck- und SUV-Entwickler noch nicht, ging dieser doch erst letzten Monat an den Markt. Für eine Kursverdopplung vom Ausgabe-Preis von 78 US-Dollar und nun wieder eine Fast-Halbierung hat die Zeit aber schon gereicht:

Rivian Automotive (ISIN: US76954A1034)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 21e/22e/23e
Kurs
A3C47B / RIVN
97 Mrd. USD
neg. / neg. / neg.
96,94 USD

Vor dem Hintergrund des Status-quo scheint auch die Rivian-Prognose für 2022 sehr ambitioniert: Nächstes Jahr sollen nämlich bereits etwas mehr als 3,5 Mrd. US-Dollar Umsatz anfallen. Das Jahr darauf soll sich diese Zahl dann nochmal mehr als verdoppeln.

Zur Orientierung: Bis Mitte Dezember dieses Jahres hat Rivian 386 Fahrzeuge ausgeliefert. Diese Zahl ist kein Scherz und wir haben keine Nullstellen vergessen. Zum Vergleich: Volkswagen hat in den letzten 3 Quartalen fast 7 Mio. Fahrzeuge geschafft. Und trotzdem kostet Rivian an der Börse fast gleich viel.

Ein Grund für den Optimismus der Börsianer: Niemand geringeres als Amazon hat 100.000 Fahrzeuge bei Rivian bestellt, mit denen man die eigenen Pakete ausliefern möchte. Das macht den Shopping-Riesen unabhängig von anderen Herstellern. „In House“ lautet das Gebot der Stunde. Die Bestellung wird wegen der noch begrenzten Kapazitäten des Unternehmens jedoch so bald nicht erfüllt werden können und über die nächsten Jahre nur Schritt für Schritt abgearbeitet.

Der Tech-Gigant hält knapp 20 % der Anteile, also nicht verwunderlich, dass man bei der eigenen Tochter bestellt. Außerdem ist man auf einen verlässlichen Partner angewiesen, der die Lieferflotte komplett umkrempelt. Bei der Größe von Amazon kein leichtes Unterfangen. Dank der Bestellung und der Beteiligung verfügt Rivian auch über eine solide Bilanz mit ausreichend Cash auf der hohen Kante.

Aber erstens hat Amazon für seine Anteile viel weniger Geld bezahlt und zweitens hat Amazon eben nicht primär den Aktienkurs von Rivian im Blick, sondern deren Lieferfähigkeit. Amazon dürfte beispielsweise auch kein Problem haben, Rivian irgendwann für einen Bruchteil des aktuellen Kurses komplett zu übernehmen – falls der Newcomer in Schwierigkeiten kommen sollte. Die Aktionäre dürften davon dann aber – wie meistens in solchen Fällen – relativ wenig haben.

Ford gehören weitere 12% des Unternehmens. Der traditionelle US-Autobauer ist nun auch mittels Beteiligungen auf den EV-Zug aufgesprungen und hofft so, nicht den Anschluss zu verlieren.

Zwei derart namhafte Großaktionäre sprechen eindeutig für Rivian. Allerdings gibt es Spekulationen, Ford könne seine Anteile bald abstoßen. Das wäre schlecht. Ein mögliches Joint-Venture mit Ford wäre von immenser Bedeutung, weil Rivian dann die Produktionskapazitäten des Platzhirsches nutzen könnte. Ein solches ist aber momentan weiter nicht in Sicht. Ford möchte seine Kapazitäten lieber für seine eigene EVs nutzen, dazu gleich mehr.

Und auch die Vorbestellungen können sich sehen lassen. Mehr als 71.000 verzeichnet der Konzern für seine Modelle R1T und R1S. Die ersten Auslieferungen sollen schon im Frühling nächsten Jahres erfolgen. Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von rund 70.000 US-Dollar ergibt das ein Volumen von 3,8 Mrd. US-Dollar. Wie ernst man diese Bestellzahlen nehmen kann, ist allerdings fraglich. 1.000 US-Dollar Anzahlung reichen und eine Stornierung ist jederzeit möglich. Auch das erinnert an Tesla. Viele könnten wieder abspringen, besonders wenn es zu Verzögerungen bei der Auslieferung kommt.

Rivian R1T | Quelle: Rivian

Zwar schlägt sich der R1T in Tests gut. Doch die Konkurrenzsituation für EVs und insbesondere die in den USA besonders beliebten Pickups wird schwieriger. General Motors wird in Kürze den „GMC Hummer“ auf den Markt bringen, welcher sowohl als Pickup als auch als SUV erhältlich sein wird.

Ford folgt Anfang 2022 mit dem Ford F-150 Lightning. Ford musste die Reservierungen für diesen aufgrund der überwältigenden Nachfrage sogar schließen. Umso begehrter wird das Modell. Bislang hat das amerikanische Traditions-Unternehmen, das vor allem für seine Flaggschiff-Baureihe F-150 bekannt ist, rund 200.000 Reservierungen für die EV-Version erhalten, also deutlich mehr als Rivian. Teslas kontroverser Cybertruck soll Ende 2023 in die Massenproduktion gehen. Auch andere Hersteller investieren massiv und drängen in den Markt.

Und hier sehen wir auch ein weiteres Problem: Welches Alleinstellungsmerkmal hat Rivian? Natürlich, die Autos werden qualitativ gut sein, das optische Erscheinungsbild überzeugt ebenfalls, aber das dürfte bei der Konkurrenz eben auch der Fall sein. Eine vertikale Integration und den Aufbau eines gesamten Ökosystems wie bei Tesla können wir in der Praxis noch nicht erkennen. Auch spielt der Markenwert von Tesla in einer anderen Liga.

Rivian muss sich das Vertrauen des Marktes erst noch erarbeiten bzw. nach den eher enttäuschenden ersten Quartalsergebnissen als börsennotiertes Unternehmen wieder erarbeiten. Auch wird sich noch herausstellen, wie schnell die Fabriken für die weitere Expansion gebaut werden können.

Aus der Erfahrung mit Tesla lässt sich sagen: Es ist alles andere als leicht, einen Autoentwickler erfolgreich in die Massenproduktion zu befördern. Wir erinnern uns an die Aussagen von Elon Musk: „Das Autogeschäft ist die Hölle.“ (Dezember 2018), „Wir sind in der Auslieferungs-Logistik-Hölle.“ (September 2018) und „Fertigung ist die Hölle“ (Februar 2021).

Und die Lieferketten-Problematik kommt ja noch erschwerend hinzu. Fraglich also, ob Rivian die enorm hohen Erwartungen und ambitionierten eigenen Prognosen erfüllen kann.


Herausforderer Nr.2 – Lucid Group Inc.
(US-Kürzel: LCID | WKN: A3CVXG) 

Lucid ist schon Mitte des Jahres via SPAC an die Börse gegangen und in den letzten Monaten gewann die Aktie wieder an Momentum. Mit einer Marktkapitalisierung von 65 Mrd. US-Dollar hat man zuletzt auch BMW überholt. Das Management setzt auf ein anderes Segment wie Rivian: Luxuriöse Oberklasse-Limousinen. Entsprechendes Know-how ist definitiv vorhanden, war CEO Peter Rawlinson doch von 2009 bis 2012 als leitender Fahrzeug-Ingenieur für die Entwicklung des Model S bei Tesla verantwortlich. Die Strategie scheint aufzugehen: Die traditionsreiche US-Zeitschrift MotorTrend kürte das bisher einzige Modell des Unternehmens „Lucid Air“ unlängst zum Auto des Jahres.

Lucid Group (ISIN: US5494981039)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 21e/22e/23e
Kurs
A3CVXG / LCID
66 Mrd. USD
neg. / neg. / neg.
39,26 USD

Das bestechend gute Design, die hohe Effizienz und das komfortable Fahrverhalten gaben für die Jury den Ausschlag. Die Qualität der Ausstattung dürfte dabei besser sein als beim Vorbild Tesla. Tesla ist in den Augen von Lucid zwar innovativ, aber nicht luxuriös, das will das Unternehmen mit dem „Air“ ändern.

Aber auch die Leistung der Batterie ist beeindruckend und rekordverdächtig: Mit je nach Ausstattung über 500 Meilen Reichweite (ca. 800 km) stellt es das Model S von Tesla in den Schatten. Ebenso ist die Auflade-Geschwindigkeit beachtlich. 300 Meilen Reichweite zu „tanken“ benötigt keine 20 Minuten. Bei diesen Zahlen löst sich jede Angst vor einer zu geringen Reichweite in Luft auf.

Kein Wunder also, dass potenzielle Kunden Vorbestellungen tätigen. 17.000 sind bereits eingegangen, Tendenz stark steigend. Die Reservierungsgebühr fängt ab 300 US-Dollar an. Noch weniger als bei Rivian, diese Zahlen sind also ebenso mit Vorsicht zu genießen. Denn auch Lucid steht erst noch am Anfang der Massenproduktion. Nächstes Jahr stellt das Management 20.000 ausgelieferte Fahrzeuge in Aussicht, das Jahr darauf sollen 50.000 Stück vom Band laufen. Ob das in der Form gelingt, bleibt abzuwarten.

Lucid Air | Quelle: Lucid

Denn auch Lucid wird wahrscheinlich mit Produktionsproblemen zu kämpfen haben. Inwieweit diese in der optimistischen Prognose schon berücksichtigt sind, ist fraglich. Eine Garantie, dass es für diese Kapazitäten auch genug Nachfrage geben wird, gibt es ebenso nicht. Obwohl wir davon ausgehen, dass wenn das Auto wirklich hält, was es verspricht, sich dafür Kunden finden werden.

Der Luxus-Limousine soll 2023 auch ein luxuriöser SUV folgen, das Management will Rivian also Konkurrenz machen. Wir merken abermals: Es drängen viele Player auf den Markt und der Markt wird umkämpfter. Doch anders als bei Rivian sehen wir bei Lucid das Potenzial, durch die technisch hervorragenden und wunderbar designten Fahrzeuge ein Alleinstellungsmerkmal und einen Markenwert herauszubilden. Lucid präsentiert sich als Apple der Autos.

Ob der Hersteller auch in niedrigeren Preisklassen konkurrieren kann, wird sich, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren herausstellen. Auf eigene Ladenetzwerke setzt das Unternehmen nicht, stattdessen verlässt man sich auf Drittanbieter. Das könnte sich sogar als die richtige Strategie herausstellen, spart es doch Kosten.

Und auch Tesla versucht sein Supercharger-Netzwerk gerade für andere Marken zu öffnen. Das zeigt, wohin der Trend gehen könnte.

Der Analystenkonsens erwartet für nächstes Jahr Umsätze von etwas mehr als 2 Mrd. US-Dollar, was einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von knapp 30 entsprechen würde. Von einer schwarzen Null wird man an diesem Punkt jedoch noch weit entfernt sein. Für jeden US-Dollar, der nächstes Jahr in die Kassen gespült wird, soll der Konzern fast zwei ausgeben. Die ohnehin schon ambitioniert bepreiste Tesla-Aktie wird nächstes Jahr mit einem Umsatz-Vielfachen von „nur“ 13 bewertet.


Unser Fazit

Das Bild bei Rivian und Lucid ist ähnlich. Beide setzten sich übergroße Ziele. Anlegern wird eine aussichtsreiche Zukunft vorgezeichnet. Entsprechend hoch sind die Erwartungen sowie die Bewertungen beider Aktien. In der Praxis wirklich beweisen müssen sich beide noch. Der große Vorteil bei Rivian sind die namhaften Investoren, welche Kapitalsicherheit und Aufträge versprechen. Lucid sehen wir besonders technologisch weit voraus und durch einzigartiges Design bestechend.

Nichtsdestotrotz: Ich treffe keine Investment-Entscheidungen, allein weil das Produkt toll ist oder berühmte Firmen zu den Kapitalgebern zählen. Für mich muss vor allem eines stimmen: Die Bewertung. Und diese ist bei beiden gespickt mit hohen Erwartungen und entsprechend sehr ambitioniert.

Rückschläge, Verzögerungen oder Schwierigkeiten in der Lieferkette sind prädestiniert dafür, den beiden Aktienkursen kräftige Dämpfer zu verpassen. Gerade im aktuellen Marktumfeld, in welchem High-Growth Storys aus der zweiten und dritten Reihe abgestraft werden, wundert es mich, dass sich diese zwei noch so gut halten (wobei bei Rivian der Kurs ja gerade „bröckelt“).

Ich persönlich halte mich bei Investment-Entscheidungen immer an den Rat von Warren Buffett. Er lehrt uns: „Kaufe keine einzige Aktie eines Unternehmens, wenn du nicht bereit bist, das ganze Unternehmen zu kaufen, wenn du genügend Kapital hättest.“ Und genau das ist eine Aktie ja: Ein Teil eines Unternehmens und kein Spekulationsobjekt. Wichtig ist auch, dass Du mit Deinen angesammelten Unternehmen gut schlafen kannst und nicht alle 10 Minuten auf den aktuellen Preis schauen musst. Ich stelle zum Abschluss eine Frage an Dich: Würdest Du lieber Fresenius, Beiersdorf, Henkel und Zalando besitzen oder Rivian? Lieber Puma, RWE und Vonovia oder Lucid? Den Preis, also die Marktkapitalisierung, die Du hinblätterst, ist in etwa derselbe. Die Entscheidung musst Du selbst treffen...


Die heutige entstand wieder in
Zusammenarbeit mit Robin Auer.

Redakteur beiGewinner-Aktien
und Breakout-Trader.

Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte:
Der Autor ist in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Tesla

Weitere Informationen dazu findest Du hier...

 

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Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

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