Liebe Leserin, Lieber Leser,
im Jahr 1930 schrieb Erich Kästner ein Gedicht, in dem er sich über die Lieblingsfrage seines Publikums beklagte: „Wo bleibt das Positive?“ Seine – bittere – Antwort: „Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“ Nun will ich mich um Gottes Willen nicht mit dem gestrengen Dichterfürsten vergleichen. Aber die Frage kenne ich. Nachdem ich etwa vorgestern hier den Bundespräsidenten kritisiert habe, erreichte mich gefühlt 98 Prozent Zustimmung. Aber man bleibt ja immer am Rest hängen. So schrieb mir Claudia Däumer (und ich habe natürlich gefragt, ob ich sie hier zitieren darf) eine lange und sehr inspirierende Mail, die um die Frage kreiste: „Wo sind die Beiträge der Presse, um positiv und mutmachend zu zeigen, was gut ist in unserem Land?“ Mein erster Reflex war: „Ja, weiß der Teufel, wo die sind.“ Die Aufgabe von uns Journalisten ist es ja nicht, nett zu sein. Erst recht nicht zu Politikern jeder Couleur, die begleitet, kontrolliert und auch kritisiert gehören. Unsere Demokratie will das so. Empfindlich werde ich auch, wenn ich etwas kommentiere und als Replik höre: „Damit bedienen Sie Narrative der AfD.“ Nein, tu ich nicht. Ich versuche dieser Protestpartei eher Themen wegzunehmen, indem ich sie offen dorthin spiele, wo sie hingehören: in die Mitte der Gesellschaft. Egal ob Migration, Islamismus oder Energiewende – wir müssen reden! Auch streiten. Die AfD bewirtschaftet erst die Tabus, die wir ihr lassen. Andererseits verstehe ich Frau Däumer sehr gut. All das wachsende Gekrittel links wie rechts (womöglich auch mein eigenes) macht ja sogar mich müde. Und wissen Sie, was mir dann hilft: Rausgehen und mit klugen Leuten sprechen. |