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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 01.04.2021 | Verregnete und wolkenverhangene 17 °C. | ||
+ Ausgangsbeschränkungen geplant: Sondersitzung des Senats ab 10 Uhr + Gesundheitsverwaltung vergibt dubiosen Millionenauftrag für Aufbau von Schnelltestzentren + Umfrage: Drei von fünf Berlinern wollen das Tempelhofer Feld randbebauen + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, Wissenschaft, Wunsch und Wirklichkeit klaffen ja gerade auseinander wie selten. Einen Teil der Gründe beschreibt Christian Drosten in seinem Podcast: „Weil wir sehr viel irreführende Debatten in der Öffentlichkeit hatten, weil wir eine schier undurchdringliche Bürokratie in der Umsetzung von Maßnahmen haben. (…) Und leider auch eine Fehlverwendung von wissenschaftlichen Argumenten in der politischen Debatte. Die geht fast in den Bereich von Wissenschaftsleugnung.“ Auch deshalb tapse Deutschland auf der Stelle, meint der Charité-Virologe, nutze die gleichen „Holzhammer“-Werkzeuge wie in der ersten Welle. Ein Beispiel? | |||
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Am Dienstagabend schalteten sich Rathauschef Michael Müller, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Kultursenator Klaus Lederer nach der ergebnislosen Senatssitzung mit Drosten zusammen. Er soll drastische Worte für die Infektionslage gefunden und gemahnt haben, die Maßnahmen deutlich zu verschärfen – sonst drohe Berlin eine Situation wie in Großbritannien im Januar. Damals hatte es in der britischen Hauptstadt Inzidenzen von mehr als 1000 gegeben, der Bürgermeister rief den Katastrophenfall aus. Mehr als 36 Stunden später ist auf den Appell – außer einiger Aufregung im Senat – nichts gefolgt. Wirtschaftssenatorin Pop forderte am Mittwochmorgen Ausgangsbeschränkungen, auch die SPD soll sich mittlerweile dafür erwärmen. Die Linkspartei um Lederer will eigentlich lieber auf ein Gesamtpaket setzen – und auch die Betriebe herunterfahren. Eine Senatssitzung am Mittwoch kam nicht zu Stande. Für heute um 10 Uhr ist nun eine Video-Schalte geplant. Folgende Regeln könnten dann laut eines Beschlusspapiers, das dem Checkpoint vorliegt, beschlossen werden: + Zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens soll der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur allein oder zu zweit gestattet sein. Ausnahme: eigene Kinder unter 15 Jahren. + Zusammenkünfte in Innenräumen sollen ab kommendem Dienstag (nach Ostern) nur noch mit dem eigenen Haushalt und einer weiteren Person gestattet sein. + Kitas sollen wieder geschlossen werden. Es soll eine Notbetreuung geben für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen (ein Elternteil reicht), Alleinerziehende und solche, bei denen es aus „dringenden pädagogischen Gründen“ erforderlich ist. | |||
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Goldrausch im Nasenbusiness. So schnell wie in kaum einem anderen Bundesland öffneten in Berlin Corona-Schnelltest-Stationen – in Clubs, Apotheken oder Schulen. 210 gibt es inzwischen, 617.000 kostenlose Abstriche sind pro Woche möglich. Eine Erfolgsgeschichte. Für Unternehmer lohnt sich dieses Geschäft: 18 Euro pro Test zahlt der Staat. Organisiert wird der Aufbau in Berlin vom Unternehmen 21DX. Dazu werden 31 landeseigene Test-Zentren von dem Unternehmen selbst betrieben. Den Millionen-Auftrag hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ohne Ausschreibung vergeben, es sollte rasch mit den Schnelltests gehen. Jetzt gibt es – nach heftiger Kritik und einer Datenpanne – doch eine Ausschreibung. Zumindest soll alles danach aussehen. Nach Recherchen des Checkpoints wurde der Zuschnitt des Auftrags, die „Leistungsbeschreibung“, von der 21DX-Geschäftsführerin angefertigt und nicht wie üblich von der Verwaltung (Beweis hier). Branchenkenner gehen davon, dass der Auftrag so auf das Unternehmen zugeschnitten sein könnte, dass niemand anders eine Chance habe, sich zu bewerben. So würden sehr enge Bewerbervoraussetzungen aufgerufen, die wohl nur 21DX erfüllen kann. Im Gegensatz dazu ist der Preisrahmen sehr großzügig (CP 26.03.): mehr als 84 Millionen Euro ist der Auftrag wert. Wohl deutlich mehr Geld, als für das Test-Volumen nach der Test-Verordnung des Bundes notwendig wäre. Die Gesundheitsverwaltung antwortet auf Checkpoint-Anfrage knapp: „Das laufende Ausschreibungsverfahren richtet sich in vollem Umfang nach den geltenden Bestimmungen des Vergaberechts“, schreibt ein Sprecher. Auch 21DX erkennt kein Problem: „Wir haben die Senatsverwaltung bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung unterstützt“, schreibt die Firma aus München. „Als Bestandsunternehmen wurden wir gebeten, einen Teil der Leistungsbeschreibung beizufügen.“ Und natürlich bewerbe man sich auch wieder auf den Auftrag. Wolfram Krohn, Vergaberechts-Spezialist der Kanzlei Dentons, sieht den Fall kritisch: „Es ist zwar nicht grundsätzlich verboten, dass die Verwaltung sich vom Bestandsbetreiber bei der Vorbereitung der Ausschreibung helfen lässt. Wettbewerblich ist das aber hoch problematisch.“ Die Verwaltung müsse sicherstellen, dass dadurch keine Wettbewerbsverzerrung eintritt. „Die Verzerrung kann vor allem darin bestehen, dass das Unternehmen Anforderungen in der Ausschreibung unterbringt, die es nur selbst erfüllen kann, oder bei denen es erhebliche Vorteile hat“, sagt Krohn. „Ein Geschmäckle hat eine Hilfestellung durch den Bestandsdienstleister in jedem Fall.“ Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, sagte dem Checkpoint: „Das ist mehr als dubios. Mir scheint, hier wird irgendjemandem ein Auftrag zugeschustert – und massiv Steuergeld verschwendet.“ Ein Fall fürs Parlament. | |||
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Arbeitsschutz I: Die Regeln für Homeoffice sind in Berlin seit Mittwoch so scharf wie nirgendwo sonst in Deutschland. Die Grünen-Politikerin Laura Sophie Dornheim, die seit Januar mit dem Hashtag #MachtdieBüroszu wirbt, fragte gestern via Twitter, wie die neuen Regeln angenommen werden. Eine Auswahl: „Wir müssen größtenteils ab 06.04 wieder ins Büro kommen, weil man Normalität möchte.“ „Hier wird das Thema bislang totgeschwiegen. Auf die Tests wird eingegangen und angekündigt, dass wir welche bekommen sollen (... irgendwann).“ „Wir sind weiterhin geteilt unterwegs. Hälfte Homeoffice, andere Hälfte Einzelbüros + Lager. Unterstützt jetzt noch durch Schnelltest einmal die Woche. Nicht ganz das Optimum aber insgesamt sind wir da schon ganz gut unterwegs.“ „Ich kann aus dem gestrigen Gespräch mit einem Freund berichten: Bundesbehörde in Berlin. Von Pflicht haben sie nicht gehört, Arbeiten noch mit Windows 7 und haben keine Laptops.“ | |||
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Arbeitsschutz II: Jede Regel braucht einen, der sie durchsetzt. Und da hakt es ja häufiger in dieser Pandemie (Stichwort: undurchdringliche Bürokratie). Und beim Arbeitsschutz? Auf Checkpoint-Anfrage erklärt die Arbeitsverwaltung von Elke Breitenbach (Linke), man habe „in einem pandemiebedingten Sonderaufsichtsprogramm“ mit 60 Mitarbeitern des Landesamtes für Arbeitsschutz (LAGetSi) 1.900 Berliner Betriebe auf die Einhaltung des Pandemie-Arbeitsschutzes überprüft. In 128 Fällen wurden „mündlich oder schriftlich Forderungen erhoben“. Bußgelder wurden nicht verhängt. Seit Ende Januar gibt es in Berlin eine Telefon-Hotline für Anfragen und Beschwerden zum Homeoffice. Seither sind dort 130 Anrufe und 165 E-Mails eingegangen. 68 davon waren Beschwerden. „Das LAGetSi ist mit den bisherigen Kontrollquoten an der Grenze der Leistungsfähigkeit“, schreibt ein Sprecher. Wie wir alle. | |||
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Nach den Hiobsbotschaften zu Astrazeneca von gestern haben wir heute drei heilsame Nachrichten von der Impf-Front – kein Aprilscherz, versprochen! + Jeder Berliner zwischen 60 und 70 Jahren kann sich jetzt ohne Einladung mit Astrazeneca impfen lassen. Ab heute 7 Uhr kann man sich unter der Nummer 030 90282200 telefonisch einen Termin buchen. Dafür ist eine E-Mail-Adresse oder eine Handynummer erforderlich. Stichtage sind vom 2.-6. April im Impfzentrum Tegel oder vom 2.-11. April im Impfzentrum Tempelhof. + Der Biontech-Impfstoff wirkt zu 100 Prozent bei Jugendlichen: Das geht aus Ergebnissen einer Studie mit 2260 jungen Menschen zwischen 12 und 15 Jahren in den USA hervor. Studien bei noch jüngeren Kindern laufen schon. + Raider heißt jetzt Twix: Das Unternehmen Astrazeneca verkauft seinen Impfstoff künftig unter dem Namen „Vaxzevria“. Das klingt zwar eher nach der Cousine des Druiden Miraculix als nach einem rettenden Impfstoff, ist aber immerhin (ja wirklich!) auch kein blöder Aprilscherz. Heilsam! | |||
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Bau auf, bau auf. Die Weite des Tempelhofer Feldes bedeutet für die einen Freiheit, für die anderen steht seine Leere für politische Lethargie. Jetzt will eine deutliche Mehrheit der Berliner das ehemalige Flugfeld doch randbebauen. Drei von fünf Teilnehmern antworteten in einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Civey mit „ja“ auf die Frage: „Sollte das Tempelhofer Feld am Rand bebaut werden, damit dort neue Wohnungen entstehen können?“ Am größten ist die Zustimmung für eine Bebauung unter Wählern der FDP und der SPD mit jeweils mehr als 75 Prozent. Eine Mehrheit für eine behutsame Bebauung des Feldes gibt es auch unter Grünen-Wählern, Linke lehnen die Randbebauung eher ab. SPD-Bundestagskandidat Kevin Kühnert hatte kürzlich in einem Interview mit der NZZ gesagt: „Wenn wir nicht den Grunewald abholzen wollen, dann werden wir uns riesige Freiflächen wie das Tempelhofer Feld ansehen und uns vom Purismus einer gänzlich unantastbaren grünen Wiese verabschieden müssen.“ Seine Gegenkandidatin im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg, Renate Künast, ärgert das: „Das ist mir zu schlicht – und zu populistisch. Das Tempelhofer Feld ist der Kompromiss. Und es ist doch auch ein Ökotop, dort haben Menschen Gärten, es gibt Eidechsen und die Feldlerche“, sagt die Grünen-Politikerin im Streitgespräch mit Kühnert. Sie sieht das „Wohl und Wehe der Stadt“ nicht vom Tempelhofer Feld abhängig. Er würde einen neuen Volksentscheid unterstützen und wirft ihr „Bloß-nicht-bei-mir-Mentalität“ vor. Das doppelseitige Gespräch mit beiden lesen Sie am Samstag im Tagesspiegel. | |||
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