Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren, 24 Jahre Schadenmanagement und Schadensteuerung seit den Anfängen in Deutschland liegen hinter uns. Vielleicht (nur) noch 20 Jahre liegen vor uns, in denen über diese Themen diskutiert und über die "richtige", "gerechte","gerademal kostendeckende" oder "betriebswirtschaftlich unbedingt notwendige" Entlohnung von Dienstleistung, sprich den Stundenverrechnungssatz (SVS) für Karosserie- bzw. Lackierarbeiten bei gesteuerten Unfallschäden gesprochen werden wird. Oder sagen wir besser: Gesprochen werden kann und muss, damit Instandsetzungsbetriebe nach dieser Epoche überhaupt noch eine Zukunft erleben. Das aufgezeigte Zeitfenster ist deutlich überschaubar und ein gewichtiger Faktor für die Zukunftsplanung aller K&L Betriebe. In Zeiten der Corona-Pandemie, deren Ende nicht einmal für das Jahr 2021 verlässlich vorhergesagt werden kann, mehr denn je! Und: Es ist nicht irgendeine Wahrsagerin der allmächtigen Glaskugel, von der diese ernüchternde Zukunftsprognose in Sachen K&L ausgeht – nein, die Vision stammt vom obersten Frontmann des deutschen Karosserie- und Fahrzeugbaues, ZFK-Präsident Peter Börner, der da vor wenigen Tagen auf dem Schadentalk bei Volkswagen in Dresden vorhersagte: "Wir schaffen uns definitiv selbst ab, denn in 20 Jahren gibt es nämlich keinen Meister mehr, der einen Gesellen ausbildet." Schadensteuerung und alles, was derzeit im Mittelpunkt vielfacher Diskussionen steht, werde sich maximal verändern und eine völlig neue Bedeutung bekommen. Alleine schon wegen der fortschreitenden Optimierung von Fahrerassistenzsystemen (FAS) und der damit einhergehenden Unfallvermeidung würde das Reparaturvolumen in den K&L Betrieben immer geringer ausfallen. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die mit Versicherern zunächst rein gar nichts zu tun hat", so Börner. Das Handwerk aber verliere dadurch immer mehr an Auftragskapazität. Dass die Aussichten insbesondere für auf Schadensteuerung spezialisierte Betriebe nicht rosig sind, wurde während der Veranstaltung an vielen Punkten und durch fast alle Redeteilnehmer deutlich. Hauptgrund: Der SVS wird in der Schadensteuerung schon betriebsseitig zu gering gerechnet – zum Beispiel durch Aussparung des Unternehmerlohnes, der Immobilie (Grundstück, Gebäude) – oder eben die Firma als solche beim Jahresabschluss gar nicht entsprechend berücksichtigt. BVdP-Vorstandsvorsitzender Reinhard Beyer: "Es ist doch klar, dass wir mit diesen SVS unsere Betriebe nicht mehr aufrecht erhalten können. In vielen Unternehmen herrscht eine Stimmung der Angst, dass bei richtig gerechneten und verlangten SVS die Aufträge anschließend verloren gehen." Wie hoch inzwischen der Unmut im Schadenmarkt beim Thema Entlohnung gesteuerter Schäden ist, zeigt sich auch daran, dass vor wenigen Wochen mit der sogenannten "Werkstatt-Werte-Union" (WWU) ein neuer, ins Vereinsregister eingetragener Verband aus Kreisen von K&L Fachbetrieben gegründet wurde. Laut eigenem Bekunden will die WWU "für Lackierer und Karosseriebauer eine Alternative zu den bestehenden Verbänden schaffen". Das gelte insbesondere für Schadenlenkung, bei der die WWU mehr Transparenz schaffen und "Betrieben klare Handlungsempfehlungen" für Volumenkunden geben möchte. Zu den Hauptakteuren der WWU gehören aktuell die K&L Unternehmer Matthias Kaupp, Marco Böge und Harald Beckl. In einem Interview für das im Konradin-Verlag erscheinende Lackiererblatt (Online-Newsletter v. 14. September) sagte Beckl wörtlich: "Ich hätte gerne, dass die WWU den Charakter einer kleinen, schlagkräftigen Gewerkschaft hat. Wir wollen weniger ,Kamingespräche´, weniger ,Schadentalks´ mit den immer gleichen Entscheidern, sondern faire, notfalls harte Verhandlungen auf Augenhöhe. Da muss man auch mal klare Kante zeigen. So betrachtet, ist die Gründung der WWU auch ein Schritt ,back to the roots´." Die WWU möchte also unverkennbar eine Alternative vor allem zu den bereits bestehenden Verbänden wie etwa den BVdP, die BFL oder den ZKF sein. Damit scheint sich im Markt eine völlig neue Front von Auseinandersetzungen aufzutun, wie wir dies zuletzt vor gut zehn Jahren von K&L-Betrieben gegen die Innovation Group erlebten (daraus entstand letztlich der BVdP) oder beim "Signalisationsstreit" um das Werkstattkonzept "Die Partnerwerkstatt" der HUK-Coburg, wo erst 2017 ein "Burgfriede" zwischen allen Beteiligten erwirkt wurde. Welche neuen Werte in naher Zukunft wirklich durchgesetzt werden können, wird sich noch zeigen. Vielleicht gelingt es ja sogar, die Verbände als Lobbyisten mit einer gemeinsamen Stimme zusammenzuführen, die dann die Interessen aller K&L Betriebe gegenüber ihren Volumen-Auftraggebern artikulieren? Die Zeit dafür wäre alleine schon durch die Corona-Pandemie gegeben. Dazu allerdings bedarf es der berühmten "Solidarität". Und erinnern wir uns: Der frühere ZKF-Präsident Friedrich Nagel beklagte bereits vor 16 Jahren, dass viele Unternehmer dieses Wort nicht einmal würden buchstabieren können. Nun denn: In 16 Jahren kann sich Manches im Denken und Handeln verändern. Möglicherweise reicht es, damit die für die Zeit um das Jahr 2040 von Nachfolger Börner gegebene Prognose am Ende doch noch etwas positiver ausfällt. Ich wünsche Ihnen allen eine nachdenkliche und gleichzeitig erfolgreiche Woche. Herzlichst, Ihr Karsten Thätner
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