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Avaya – Schon wieder pleite...

Liebe Geldanleger,

 

falls ihr schon über 40 seid, und Sportfans, erinnert ihr euch vielleicht an die Erkennungsmelodie des ZDF Sportstudios, in voller Länge „Das aktuelle Sportstudio“. Alleine der antiquiert klingende Name zeigt, wie lange es diese Sendung schon gibt – nämlich genau seit 24. August 1963, dem 1. Spieltag der Fußball-Bundesliga.

Ein Erkennungsmerkmal ist immer noch der Vorspann: Die Titel-Melodie und der dunkle Bildschirm. Beim Tusch erscheint dann eine Uhr. Viele Jahre lange zierte diese Uhr ein Rhombus-Logo und darunter die Buchstaben T und N übereinander, später versetzt nebeneinander.

Diese standen für TeleNorma, die Telefonbau und Normalzeit GmbH, die damit das erste Unternehmen war, das sich des Product Placements im deutschen Fernsehen bedient hat.

Dessen Ursprünge wiederum reichen bis ins Jahr 1899 zurück als man damit begann, private Telefon-Nebenstellen-Anlagen zu vermieten und zu warten. Das Besondere daran: Ein für die damalige Zeit revolutionäres Franchising-System ermöglichte steiles Wachstum ohne zusätzlichen Kapitalbedarf. Den Startschuss für die Expansion des privaten Telefongeschäfts gab übrigens die Reichspostverwaltung im Jahr 1900, indem sie das Verbot, Haustelefonanlagen ans Amt anzuschließen, aufhob.

Eine große Erfolgsgeschichte... die in dieser Woche ihr trauriges Ende gefunden hat!

Das amerikanische Kommunikations-Unternehmen Avaya beantragte bereits zum zweiten Mal innerhalb von 6 Jahren Gläubigerschutz gemäß Chapter 11 des U.S. Bankruptcy Codes. Mit anderen Worten: Die Firma ist schon wieder pleite!

Was das mit TeleNorma zu tun hat: Nun, die starke Präsenz von Avaya in Deutschland geht auf die Übernahme von Tenovis, der Nachfolgefirma von TeleNorma, zurück. Das war im Jahr 2004 und Bosch war der letzte deutsche Eigentümer. Selbst nachdem der Privat Equity-Investor Kohlberg Kravis Roberts & Co. (besser bekannt unter KKR) 40% der Mitarbeiter abgebaut hatte, beschäftigte Tenovis europaweit zu diesem Zeitpunkt immer noch 5.400 Mitarbeiter.

Avaya seinerseits war zu Anfang des Jahrtausends von der mittlerweile im Nokia-Konzern aufgegangenen Muttergesellschaft Lucent Technologies abgespalten worden. Wer viel auf Deutschlands Autobahnen unterwegs ist, hat sicher schon gelegentlich die silbernen Fahrzeuge des Unternehmens mit dem großen roten Logo wahrgenommen.

Fakt ist: Die gesamte Telekommunikations-Branche ist seither quasi permanent großen Veränderungen unterworfen.

Der Fokus von Avaya liegt inzwischen ausschließlich auf Firmenkunden, denen man eine breite Palette aus Produkten und Lösungen in den Bereichen Contact Center, Hybrid Cloud sowie Communication & Collaboration anbietet.

Und es ging turbulent weiter: Im Jahr 2007 wurde Avaya dann seinerseits von einem Konsortium aus Private Equity-Firmen im Rahmen eines Leveraged Buy Out übernommen und 4 Jahre später mit den resultierenden Schulden wieder an der Börse gelistet.

Doch der Geschäftsverlauf des Unternehmens blieb uneinheitlich, denn Avaya tat sich schwer mit der Adaption neuer Geschäftsmodelle, insbesondere der Übergang zu Software- und Cloud-basierten Lösungen und der immer stärkere Trend in Richtung Subscription (als Alternative zum Kauf) erfolgte nicht in der gebotenen Geschwindigkeit, so dass Newcomer und flexiblere Wettbewerber dem Unternehmen Marktanteile abjagen konnten.

Schwächere Ergebnisse in Verbindung mit hohen Schulden erforderten bereits vor 6 Jahren eine erste Restrukturierung unter Chapter 11 mit dem Resultat, dass die vorrangig besicherten Gläubiger Avayas neue Aktionäre wurden – im Gegenzug wurden Schulden in Höhe von rund 3 Mrd. US-Dollar gestrichen.

In weniger als 12 Monaten kehrte Avaya damals an die Börse zurück und zeigte in den Folgejahren insgesamt stabile Ergebnisse.

Deal mit RingCentral hilft nur kurzfristig

Im Jahr 2019 zog das Unternehmen einen 500 Mio. US-Dollar-Deal mit RingCentral, einem erfolgreichen Anbieter cloudbasierter Kommunikations-Lösungen, an Land, bei dem RingCentral die Rechte als exklusiver Partner für die neu eingeführte Plattform „Avaya Cloud Office“ erwarb. Die Erlöse wurden insbesondere für Aktienrückkäufe und zu einem kleineren Teil zur Rückführung von Schulden verwendet.

Im Verlauf der letzten beiden Jahre gerieten Avayas Ergebnisse aufgrund der schnell fortschreitenden Transformation des Unternehmens in Richtung Cloud und Subscription jedoch unter zunehmenden Druck, da die gewohnt hohen Cash Flows aus dem Verkauf von kombinierten Hard- und Softwarelösungen an Kunden in immer stärkerem Maße durch deutlich geringere, monatliche Abonnement-Gebühren ersetzt wurden.

Nachdem Avaya sich Ende Juni 2022 noch erfolgreich 600 Mio. US-Dollar an frischem Kapital in Form von neuen Krediten und Wandelschuldverschreibungen besorgt hatte, kam es nur einen Monat später dann zum Paukenschlag: Völlig überraschend wurden die Erwartungen für Umsatz und Gewinn im 3. Quartal drastisch zusammengestrichen und vor resultierendem, hohen Abschreibungsbedarf auf immaterielle Vermögenswerte gewarnt.

Nicht nur die Aktionäre, sondern insbesondere auch die Kapitalgeber der oben genannten, gerade abgeschlossenen Finanzierungen fielen verständlicherweise aus allen Wolken und so brach der Aktienkurs an einem einzigen Tag um knapp 60% ein, während die Kurse für Avayas Anleihen ebenfalls rapide auf Talfahrt gingen.

Zwar keimte mit der Verpflichtung von Alan Masarek als neuem CEO, dem früheren Vorstandsvorsitzenden von Vonage Holdings, noch einmal kurzfristig Hoffnung auf, jedoch spätestens im Dezember wurde klar, dass eine Mehrheit der vorrangig besicherten Gläubiger, darunter große Private Equity- und Investment-Management Firmen wie Apollo Global Management („Apollo“), Ares Management („Ares“) und Invesco einer außergerichtlichen Restrukturierung der bestehenden Verbindlichkeiten nicht zustimmen würden.

So konzentrierte man sich in den folgenden Wochen darauf, sämtliche Einzelheiten der bevorstehenden Rekapitalisierung im Vorfeld detailliert auszuhandeln („Prepackaged Bankruptcy“), damit Avaya nicht länger als unbedingt nötig unter Gläubigerschutz agieren muss, insbesondere um negative Einflüsse auf bestehende Kundenbeziehungen zu minimieren.

Am Dienstag konnte dann das Ergebnis verkündet werden:

Das Unternehmen wird den vorrangig besicherten Gläubigern übereignet – im Gegenzug werden rund 3,4 Mrd. US-Dollar an Altschulden gestrichen und knapp 780 Mio. US-Dollar (davon alleine 650 Mio. US-Dollar seitens der Erstranggläubiger) an frischem Kapital zur Verfügung gestellt. Aktionäre gehen leer aus, darunter auch RingCentral, deren 125 Mio. US-Dollar an Preferred Shares ebenfalls ersatzlos eliminiert werden.

Avaya Holdings Corp. (ISIN: US05351X1019)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 22e/23e/24e
Kurs
A2JAF9 / AVYAQ
1,8 Mio. USD
neg. / neg. / neg.
0,03 USD

Sogar Besitzer von unbesicherten Schuldverschreibungen des Unternehmens werden dem Plan zufolge leer ausgehen.

Da mehr als 90% der vorrangig besicherten Gläubiger das Restrukturierungs-Konzept unterstützen, dürfte einer beschleunigten Abwicklung nichts im Wege stehen und folgerichtig erwartet Avaya, das Chapter 11-Verfahren innerhalb der nächsten 2 bis 3 Monate abzuschließen.

Das restrukturierte Unternehmen wird dabei zunächst in privater Hand bleiben und dürfte erst nach erfolgreich abgeschlossener Sanierung des operativen Geschäfts wieder den Weg an die Börse finden, was durchaus noch einige Jahre dauern könnte.

Vermutlich werden sich einige Leser fragen, warum im amerikanischen Insolvenzrecht offensichtlich immer die Aktionäre die Zeche zahlen müssen, während ranghohe Gläubiger regelmäßig das Unternehmen übereignet bekommen? Die Antwort ist vergleichsweise einfach: Hoch besicherte Gläubiger tragen zwar das geringste Risiko, erhalten dafür allerdings auch eine entsprechend niedrige Verzinsung auf ihr eingesetztes Kapital während Aktionäre zwar als Eigenkapitalgeber in der Kapitalstruktur ganz unten rangieren, dafür aber in quasi unbegrenztem Ausmaß von potentiellen Erfolgen des Unternehmens profitieren.

Aber selbst die vorrangig besicherten Gläubiger kommen bei Avaya keineswegs ungeschoren davon, denn seitens der beratenden Investmentbank Evercore wurde der Eigenkapitalwert des restrukturierten Unternehmens nur auf 539 Mio. US-Dollar taxiert, während sich die ausstehenden Erstrangforderungen auf rund 3,3 Mrd. US-Dollar belaufen.

Entsprechend erhalten also selbst die am höchsten besicherten Gläubiger nur einen Bruchteil Ihrer Forderungen in Form von neuen Aktien des Unternehmens und müssen zudem aber noch rund 650 Mio. US-Dollar an frischem Kapital zur Verfügung stellen.

Nur wenn eine nachhaltige Sanierung des Unternehmens gelingt, können die vormaligen Erstranggläubiger (und zukünftigen Aktionäre) auf höhere Erlöse hoffen.

Allerdings dürften auf derartige Fälle spezialisierte Unternehmen wie Apollo oder Ares die Schuldverschreibungen von Avaya erst in den letzten Monaten zu einem Bruchteil des Nennwerts auf dem Zweitmarkt erworben haben, so dass die Gewinnschwelle für die neuen Besitzer deutlich niedriger liegen dürfte.

Seit mehr als 15 Jahren (siehe oben) ist Avaya bereits ein stetig wiederkehrender Spielball der großen Private Equity-Firmen und nach der erneuten Insolvenz ist ein Ende auch mittelfristig nicht in Sicht.

Sollten noch Leser die Avaya-Aktie in ihrem Depot haben:

Der Handel an deutschen Börsenplätzen wurde aufgrund des Delistings seitens der NYSE eingestellt und wird auch nicht wieder aufgenommen werden. Verkäufe sind nur noch direkt in den USA über die Freiverkehr-ähnlichen Pink Sheets möglich, allerdings bieten nicht alle deutschen Banken und Broker einen entsprechenden Zugang an.

Auch wenn die Aktie (neuer US-Ticker AVYAQ) nur noch für wenige Cent gehandelt wird, so ist ein Verkauf alleine aus steuerlicher Sicht unbedingt geboten, denn die Anrechnung von Verlusten aus wertlos ausgebuchten Aktien ist nach wie vor mit diversen Hürden versehen.

Apropos Deutschland: Nach der überraschenden Insolvenz von Compleo Charging Solutions im Dezember 2022...

Compleo Charging Solutions (ISIN: DE000A2QDNX9)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 22e/23e/24e
Kurs
A2QDNX / C0M
21 Mio. EUR
neg. / neg. / neg.
4,15 EUR

... musste am gestrigen Freitag ein zweiter Newcomer aus dem Bereich E-Mobility, Clean Logistics, die Segel streichen. Noch im Sommer vergangenen Jahres war die Aktie bis auf 18 Euro gestiegen und als Zukunftshoffnung im Bereich Wasserstoff-LKWs gehandelt worden. Nun ist die Aktie ein Pennystock und die Geschichte wird wahrscheinlich mit einem Totalverlust für die Aktionäre enden:

Clean Logistics SE (ISIN: DE000A1YDAZ7)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 22e/23e/24e
Kurs
A1YDAZ / SD1
9 Mio. EUR
neg. / neg. / neg.
0,56 EUR

Die Gründe bei beiden Unternehmen: Die Banken drehten den Geldhahn zu, neue Finanzierungen waren nicht zu bekommen, obwohl speziell bei Compleo die operative Lage nicht hoffnungslos aussah.


Mein Fazit

Was können wir als Aktionäre aus dieser Entwicklung lernen? Nun, im „neuen“ Marktumfeld mit einem deutlich höheren Zinsniveau und einer drohenden Rezession werden die Banken wesentlich knausriger mit der Vergabe von Krediten.

Nach dem alten Motto: „Wenn die Sonne scheint, verteilen wir Regenschirme, und wenn es regnet, nehmen wir sie euch wieder weg.“ Wobei es zu kurz greift, den Schwarzen Peter nur den Banken zuzuschieben. Diese sind auf Grund der massiv verschärften Eigenkapitalvorschriften (vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Sitz in Basel im Dezember 2010 entwickelt als Folge der Finanzkrise, mittlerweile in seiner dritten Fassung, Basel III, in Kraft) teilweise auch gezwungen, besonders vorsichtig vorzugehen – was letztendlich wieder auf uns als Aktionäre zurückfällt!

Das heißt: Es ist unabdingbar bei Investments noch mehr auf Qualität zu achten und sehr genau zu schauen, ob Aktien aus dem eigenen Depot mit in Kürze fällig werdenden Schulden und/oder knapp Liquidität zu kämpfen haben. Sind diese Firmen gleichzeitig defizitär ist höchste Vorsicht gegeben und die Papiere sollten im Zweifelsfall lieber verkauft werden.

Übrigens, ganz egal was die Analysten sagen: Diese hatten Clean Logistics bis zum Schluss auf „Hinzufügen“ und Compleo auf „Halten“ bzw. „Neutral“. Lediglich Warburg hatte den Mut, Compleo am 20. September auf „Verkaufen“ zu stufen, wobei selbst hier das Kursziel von 13 Euro nur knapp unter dem damaligen Kurs lag.

Deshalb merken: Analysten stufen meistens dann, wenn es zu spät ist – oder – um nicht ganz so blamiert dazustehen – „setzen sie das Rating aus“ – und nehmen es dann nie wieder auf!

Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte:
Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: - - -

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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen &
ein schönes Wochenende wünscht Dir

Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

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