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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 25.08.2020 | Sonne und Wolken wechseln sich ab, max. 24°C. | ||
+ Heute soll Wenke Christoph zur Staatssekretärin für Bauen ernannt werden + Sandra Scheeres beantragte Bahncard 100, die sie kaum nutzte + Kreuzberger Frösche ohne Nachwuchs + |
von Robert Ide |
Guten Morgen, falls Sie schon gut aus den Augen blicken können, weiten Sie Ihren Blick. „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt.“ Was einst für Berlin galt, ist jetzt wichtig für Minsk – für die Menschen, die um ihr Menschenrecht auf Freiheitsrechte kämpfen, gegen alle Festnahmen (aktuelle Entwicklungen hier) und alle illegitime Macht, die Europas letzter Diktator Alexander Lukaschenko bis zur letzten Patrone gegen sein eigenes Volk walten lassen will. Nun organisieren auch Menschen in Berlin den Widerstand, um in Belarus zu helfen – wie Ann Shkor. Die 30-Jährige ist in Minsk aufgewachsen und gründet gerade mit Mitstreitern den Verein „Belarus Razam“ (Belarus zusammen), regelmäßig demonstrieren sie am Potsdamer Platz ihre Solidarität. „Für uns ist das sehr emotional, wir fühlen uns machtlos und haben riesige Angst um unsere Freunde und Familien in Belarus“, erzählt Shkor am Checkpoint-Telefon. Als „surreal“ erlebt sie die Ereignisse in ihrer Heimat. „Eigentlich ist Minsk eine sichere Stadt. Nun sind die Menschen selbst am Tag nicht mehr sicher.“ Der neue Hilfsverein, der schon Unterstützer in Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat, will sich auch um verletzte Protestierende kümmern. Dafür werden Spenden gesammelt und Gespräche mit Kliniken in Deutschland geführt. Die Diakonie in Düsseldorf habe bereits Hilfe angeboten, erzählt ein Beteiligter, der seinen Namen aus Angst nicht öffentlich sagen möchte – mit Charité und Vivantes in Berlin gebe es Gespräche. Allerdings versuchten die belarussischen Behörden, die Ausreise von Verletzten zu verhindern und benötigte Dokumente zurückzuhalten, berichten Aktivisten. In einem Land in Europa, das auf Einschüchterung gebaut ist, überwinden Menschen Tag für Tag ihre Angst neu für die Demokratie. Für sie bleibt es wichtig, dass unsere Augen sie weiterhin sehen. Und auch uns selbst schulden wir das: dass wir als frei lebende Menschen so frei sind, Mitmenschen zu unterstützen, die in Staaten, die lupenreinen Diktaturen gleichen, für mehr Menschlichkeit kämpfen und dafür gefoltert oder gar fast ermordet werden. Menschen wie dem Kremlkritiker Alexej Nawalny, der in unserer Stadt immer noch im Koma liegt (die Erkenntnisse der Charité zum mutmaßlichen Giftanschlag in Russland auf ihn finden Sie hier), schulden wir unseren Blick. Erst recht in Berlin, der Stadt, die sich ihre Freiheit auch immer erkämpfen musste. Und dabei auf die Augen der Welt zählen konnte. | |||
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Nach diesem Sommer reiben wir uns die Augen; verwundert darf allerdings niemand darüber sein, was wir dabei sehen: Die Politik kämpft nach allzu lockeren Urlaubswochen darum, dass die Corona-Pandemie nicht zur Dauerwelle wird – und setzt dabei auf Labore am Rande ihrer Reagenzglas-Kapazitäten und Gesundheitsämter, die in der eigenen Zettelwirtschaft untergehen. Immerhin im Berliner Senat weiß man, was man jetzt will: Dort soll – laut einer internen Vorlage für die heutige Sitzung – beschlossen werden, dass sich künftig die Gesundheitsverwaltung um die „Planung und Umsetzung der nationalen Teststrategie“ kümmert. Die Strategie bräuchte es dazu allerdings noch. | |||
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Tja, in diesem Jahr müssen wir viele Kröten schlucken, aber müssen es auch noch die Frösche aus dem Kreuzberger Viktoriapark sein? Eigentlich sind die Erdkröten und Grasfrösche, die ihren Nachwuchs in zwei Tümpeln am Fuße des weltbekannten Wasserfalls zeugen, ja bezirksberühmt. Doch weil in diesem Frühjahr monatelang Pumpe war und das Amt die Pumpen reparierte, fiel gar kein Wasser vom Fall und die Laichzeit wegen Trockenheit aus (via „Kiez und Kneipe“). Kreuzbergs Stadtnatur-Ranger Toni Becker spricht von einer „mittelschweren Unpässlichkeit“. Aber Frösche kennen das ja: Laichen pflastern ihren Weg. | |||
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Früher an der Mauer, heute auf der Lauer liegt man in Treptow. Hier soll auf Berliner Erden etwas Seltenes entstehen: bezahlbare Wohnungen, genossenschaftlich finanziert, direkt auf dem Mauerstreifen zwischen Alt-Treptow und Neukölln. Das Bauschild steht schon – doch laut unserem Bezirksrechercheur Thomas Loy könnte es sein, dass bald ein Transparent draufgeklebt wird: „Verhindert durch die SPD.“ Und das kommt so: Die Baugenossenschaft DPF will 101 Wohnungen bauen, auf eigenem Grundstück, kriegt dafür aber keine Genehmigung vom Bezirk. Der Bauantrag wurde schon im September 2019 gestellt, im Frühjahr wollten die Baugenossen loslegen. Doch SPD-Genosse Rainer Hölmer, Baustadtrat, gab nur rotes Licht, weil seine Bauamtsleiterin den Entwurf ablehnt. Die Gebäude seien zu massiv, Abstände zu gering, sagt Hölmer auf Checkpoint-Nachfrage. Außerdem sei der Entwurf nicht mit dem Bauamt abgestimmt gewesen. Das weist DPF-Vorstand Andreas Böhm zurück: „Es gibt einen Vermerk.“ Nebenan sind die „Bouchégärten“ entstanden, dicht bebaut mit sieben Etagen und einem Querriegel, sagt Böhm, „warum sind die genehmigt worden?“ Die Genossenschaft klagt jetzt wegen Untätigkeit vor dem Verwaltungsgericht. „Wir wollen günstigen Wohnraum schaffen, auf einem Grundstück, das inzwischen 20 Millionen Euro wert ist“, sagt Böhm. Die DPF habe beim Erwerb 2007 nur ein Bruchteil davon bezahlt. Würde sie es verkaufen, wären die Baugenossen reich, und Hölmer hätte ein reichhaltiges Problem, weil dann nur teurer Wohnraum entstehen würde, „das ist Verrat an seinen Wählern“, schimpft Böhm. 400 Interessenten gebe es schon für die Wohnungen, mehrere SPD-Politiker hätten sich eingeschaltet, inzwischen liegt der Streitfall bei der Wohnungsbauleitstelle. „Wir haben ein großes Interesse daran, hier eine genehmigungsfähige Lösung zu finden“, sagt Hölmer. Die Berliner SPD sicher auch. Dafür müsste man in Treptow allerdings aufhören zu mauern. | |||
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Wenigstens in der Landesregierung will man nicht behämmert sein und schraubt weiter an der Bauverwaltung herum. Neben dem neuen Bausenator Sebastian Scheel (Linke) soll nun eine neue Staatssekretärin beim Wohnungsneubau mehr Nägel mit Köpfen machen: Wenke Christoph. Die Geografin, die heute im Senat benannt werden soll, war Bundessprecherin des Linken-Jugendverbandes Solid, koordinierte bei der linken Landesstiftung „Helle Panke“ den Arbeitskreis „Linke Metropolenkritik“ und war bei der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung Referentin für Mittel- und Osteuropa. Berlins Mietendeckel sieht sie als „Beschluss mit europäischer Dimension“. Einfach mit links durchsetzen lässt der sich freilich nicht. Denn der Deckel muss noch halten, was er verspricht. Und erst mal halten. | |||
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Falls Sie Berlins Nahverkehr unterirdisch finden: Bald (berlinisch für: ab Herbst 2022) gehen die ersten 24 von irgendwann bis zu 1500 neuen U-Bahn-Wagen ins Netz. Und die Linie U5 zwischen Hauptbahnhof und Hönow erwacht am 4. Dezember 2020 tatsächlich aus ihrem jahrelangen Tunnelschlaf. Ein Erweckungserlebnis auch für Berlins alte Mitte, in der gerade die Friedrichstraße auto- und noch sinnfrei in sich selbst versinkt (Foto von Lorenz Maroldt hier). Immerhin, nebenan entsteht oberirdisch eine ganz neue Meile, die zuletzt unter ferner lief: Unter den Linden. | |||
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Besser laufen hätte es für Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) schon lange müssen. Doch statt besser zu laufen, fuhr sie mit einer Bahncard 100 erster Klasse durch das Land und ihren politischen Problemen davon. Kostenlos bekommen hat sie die Kostenlos-Fahrkarte 2015 und 2016 für ihre Termine im Bundesrat, der bahnbrechende 3,3 Kilometer von ihrem Dienstsitz entfernt liegt. Egal, an einer „auswertbaren Sitzung“ des Bundesrats nahm Scheeres sowieso nicht teil. Rechtlich ist das alles nicht zu beanstanden (dennoch musste die „Bild“-Zeitung die Veröffentlichung der 89 davon profitierenden Politiker einklagen). Und die Bildungsverwaltung versuchte es mit der Selbstverteidigung von Scheeres am Montagabend so: „Die Bundesratstätigkeit ist nicht nur an den Standort Berlin gebunden.“ Ein Sprecher verwies dafür auf die Familienministerkonferenz und die Kultusministerkonferenzen (KMK), zu denen Scheeres mit der Bahncard gereist sei. Die Familienministerkonferenz findet einmal jährlich statt, die KMK viermal im Jahr – davon dreimal in Berlin. Regulär kostete die Bahncard 100 damals 6890 Euro. Bei der Bahn fahren Schüler kostenlos, Schulsenatorinnen offenbar instinktlos. | |||
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