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Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 17.09.2024 | sonnig bei 14 bis 25°C. | ||
+ Brandenburg bereitet sich auf Hochwasser vor + Berlin saniert Erinnerung an den Mauerfall + Schulen versorgen ihre Kinder selbst mit Essen + Cyberangriff auf das Archiv der DDR-Opposition + U-Bahn in der Dauerkrise + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, herbstlich Willkommen an einem Tag, an dem der Spätsommer am Himmel noch einmal sein freundliches Gesicht zeigt. Doch der Sonnenschein trügt: Das Wasser, das die Wolken in rauen Mengen aus dem vom Klimawandel überhitzten Mittelmeer an die Hochgebirge Mitteleuropas getragen haben und das sich seit Tagen zu heftigen Wassermassen zusammenregnet, lässt nun die Pegelstände in den Alpen und auch in Ostdeutschland massiv steigen. Insbesondere an der Elbe, deren Fluten in Dresden noch die zusammengebrochene Carolabrücke mitreißen könnten, und an der Oder werden heftige Wassermassen im Verlauf der Woche erwartet. Auch die Lausitzer Neiße, die Schwarze Elster und die Spree sind betroffen. In Brandenburg ist man bereits im Krisenmodus. „Wir hoffen das Beste und bereiten uns auf das Schlimmste vor“, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach einem Krisentreffen mit den Rettungsbehörden. Alle möglichen Szenarien kalkuliert auch der Landkreis Märkisch-Oderland östlich von Berlin durch. „Am Wochenende erwarten wir die höchsten Pegelstände“, sagt Johanna Seelig vom Katastrophenschutz des Landkreises am Checkpoint-Telefon. „Wenn Deiche überspült werden und das Wasser ins Oderbruch fließt, könnte es Evakuierungen geben.“ Bereits jetzt seien im benachbarten Polen die Pegelstände höher als beim großen Oder-Hochwasser 1997. Seit dieser Katastrophe haben beide Länder massiv in den Hochwasserschutz investiert, etwa durch Regenauffangbecken, modernisierte Deiche und Ableitungssysteme. In den nächsten Tagen sollen dennoch Hilfspunkte und ein regelmäßiger Wachdienst entlang der sensiblen Deiche eingerichtet werden. Laut Angaben der Landesregierung liegen in Brandenburg 2,6 Millionen Sandsäcke zum Einsatz bereit. In Berlin immerhin werden kaum höhere Pegelstände der Spree erwartet. In Spremberg wurden zwar vorsorglich schon Brücken über den Fluss gesperrt. Doch bevor das Wasser flussabwärts die Hauptstadt überschwemmen kann, wird es schon im Spreewald verteilt und durch Talsperren aufgehalten. Zudem sei die verstärkte Flutung des künstlichen Ostsees in Cottbus eingeleitet worden. „Für Berlin gibt keinen Grund zur Besorgnis“, sagt Wasserschutzexperte Benjamin Creutzfeldt von der Umweltverwaltung dem Checkpoint. Sandige Böden, kaum Erhebungen sowie ein weitverzweigtes Wassersystem rund um und in Berlin bremsen das Wasser. „Genau deshalb ist ja zum Beispiel auch der Teltowkanal angelegt worden“, sagt Creutzfeld. Während in süddeutschen Städten der Pegel gerade in kurzer Zeit um mehrere Meter steigt, ist bei einem Hochwasser in Berlin höchstens mit einem Unterschied von 20 bis 30 Zentimetern zu rechnen. Dies könnte aber auch zu Überschwemmungen führen, da etwa die Siedlungen am Kanalsystem Klein-Venedig in Spandau nah am Wasser gebaut seien. Das letzte Hochwasser nach Berlin kam auch nicht aus dem Süden, sondern aus dem nördlichen Barnim; das dicht zugebaute, kleine Flüsschen Panke verwandelte sich 2012 in einen reißenden Fluss und verursachte Millionenschäden. Auch Starkregen kann zu Überflutungen führen, etwa an der Friedenauer Senke, erklärt Wasserexperte Creutzfeld mit Blick auf Berlins Überschwemmungsgebiete (Karte hier). Angesichts der spätsommerlichen Wetterprognosen ist davon aber nicht auszugehen. In den nächsten Tagen scheint in Berlin zum Glück die Sonne. | |||
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Meine Daten gehören mir. Was selbstverständlich sein sollte, ist wegen undurchsichtiger Regeln selten gut ersichtlich. Offensichtliche Verstöße verfolgt Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp, die heute den Jahresbericht ihrer Behörde vorstellt. Schwerpunkt des 174 Seiten umfassenden Dokuments, das dem Checkpoint vorab exklusiv vorliegt, sind neben einer datenschutzkonformen Digitalisierung der Verwaltung einige heftige Verstöße gegen den Schutz geschützter Informationen, die mit Bußgeldern belegt worden sind. So wurde gegen eine Bank ein Bußgeld von 300.000 Euro verhängt, weil sie die automatisierte Ablehnung seines Kreditkartenantrags gegenüber den betroffenen Kunden nicht nachvollziehbar begründen konnte. Ein Unternehmen aus dem Kulturbereich wurde mit einer Buße von 215.000 Euro belegt, weil es unzulässigerweise „Informationen über den Gesundheitszustand von Beschäftigten sowie deren Interesse an der Gründung eines Betriebsrates dokumentiert“ hatte – so sollten offenbar „Kündigungen von Beschäftigten vorbereitet werden, die sich in Probezeit befanden“. Ein Bußgeld von 4000 Euro musste eine Firma zahlen, die drei Praktikantinnen und Praktikanten an ihren Arbeitsplätzen durch in Steckdosen versteckte Videokameras überwacht hatte, ohne dass die Betroffenen dies wussten. Zudem wurden laut Datenschutzbericht 35 Verfahren gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingeleitet, die in der amtlichen Polizei-Datenbank aus privaten Interessen recherchiert hatten. Dabei wurden 32 Bußgelder verhängt, der Bericht listet dazu unter anderem folgende Fälle auf: • Eine Polizeibeamtin fragte aus privatem Interesse Daten ihres Ex-Manns ab; • Ein Polizeibeamter fragte als Geschädigter eines mutmaßlichen Wohnungseinbruchs den dazugehörigen Ermittlungsvorgang aus privatem Interesse ab; • Ein Polizeibeamter schrieb eine Bürgerin über sein privates Mobiltelefon für einen Flirtversuch an, deren Nummer er im Rahmen eines Polizeieinsatzes dienstlich erhalten hatte. Daten sollen frei sein, gerade im freizügigen Berlin. Daten zum Daten sind aber immer Privatsache. | |||
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Nicht mehr in Erinnerungen suchen kann derzeit auch das größte Archiv der DDR-Opposition. „Wir möchten Sie darüber informieren, dass die Robert-Havemann-Gesellschaft Opfer eines Cyberangriffs wurde“, schreibt der Verein in einer aktuellen Mail an all seine Kontakte. Demnach sei es durch den Vorfall Ende August „vermutlich zum Abfluss personenbezogener Daten gekommen“. Nach Aussage von Mitarbeitern der in der früheren Stasi-Zentrale in Lichtenberg ansässigen Gesellschaft liegt die digitale Infrastruktur des Archivs nun brach; in der Datenbank mit 10.000 Fotos von oppositionellen Aktionen in der DDR kann derzeit nicht gesucht werden. „Wir können von Glück sagen, dass der Trojaner offenbar an unseren riesigen Datenmengen verzweifelt ist und dass wir von allen Dokumenten Sicherungskopien haben“, erzählt Stephan Stach, Geschäftsführer der Havemann-Gesellschaft, am Checkpoint-Telefon. Zu den bis zu zehn Terrabyte Daten gehören neben Fotos und eingescannten Dokumenten sowie Akten über die DDR-Opposition auch Nachlässe bedeutender ehemaliger Widerständiger wie Bärbel Bohley und Jürgen Fuchs. „Wir müssen nun unsere digitale Infrastruktur ganz neu aufbauen“, berichtet Stach. Danach solle die Firewall rund um die Uhr gut funktionieren und bei Angriffen sofort reagieren. Bisher habe dieser Ausbau nicht im Fokus gestanden, da das Archiv viele Jahre lang nur projektweise gefördert worden und das digitale Archiv dabei Stück für Stück gewachsen sei. „Ich kann nach unserer Erfahrung nur allen raten, sich gleich ganz abzusichern und hier nicht zu sparen“, sagt Stach. Und, fühlen Sie sich auch ertappt? | |||
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Wir kommen zur neuen Rubrik: Gute Meldungen im Schlechten. Lassen Sie es sich schmecken! Der zum Schuljahresstart heillos überforderte Schulcaterer „40 Seconds“ gibt zwar nicht den Löffel, aber die Hälfte seiner Aufträge ab. Vielerorts hatte die Firma, die auf einen Schlag mehr als 100 Schulen beliefern wollte, das Mittagessen für Kinder nur verspätet, ungenießbar oder gar nicht ausgeben können. „Wir möchten bei den Schülern, Eltern und Lehrern um Entschuldigung bitten“, sagt nun Geschäftsführer Thorsten Schermall. Mit Pankow und Treptow-Köpenick hat er sich bereits auf Auflösungsverträge geeinigt, die Bezirke schreiben die Aufträge für die betroffenen Schulen neu aus. In der Übergangszeit gibt es in Treptow-Köpenick laut Bezirksamt bereits ab heute „Interimslösungen“, in Pankow muss für sechs Schulen ein neuer Mittagessen-Lieferant gefunden werden. Diese Woche sollen sich die Schulen am besten noch selbst versorgen, sagt Bezirksstadtrat Jörn Pasternack (CDU), „da dies mehrheitlich gewünscht war“. Beim Kartoffelschälen lernen Berlins Kinder gleich noch was fürs Leben. | |||
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Die Krise beim Schulessen, die auch durch eine verspätete Auftragsvergabe ausgelöst worden sein soll, hat harte soziale Folgen, wie Stephan Witzke zu berichten weiß. Der 45-Jährige leitet die Lisa-Tetzner-Schule in Neukölln und ist Vorsitzender des Verbands Berliner Grundschulleitungen. Im Checkpoint-Interview mit meiner Kollegin Margarethe Gallersdörfer berichtet er über die Wärme, die ein warmes Essen für Kinder gibt. Herr Witzke, auch Ihre Schülerinnen und Schüler sind von den Mangelleistungen des Schulcaterers „40 Seconds“ betroffen. An einem Tag wurde wegen einer Küchenschließung an mindestens 80 Schulen gar kein Essen geliefert. Wie sind Sie mit der Situation umgegangen? Wir haben zusammen mit einer anderen Neuköllner Schule deren Kontakt zum Kaufland in der Nähe genutzt und haben Verpflegung für 400 Kinder geholt, auch mithilfe der Mitarbeiter dort. Es wurden für uns Börek, Brezeln, Geflügelwürstchen, Kartoffel- und Nudelsalat zusammengestellt, welche wir innerhalb von zwei Stunden abholen konnten. Den Schulen wird in dieser Situation gesagt, sie sollen die Kosten vorstrecken, der Caterer erstattet das dann. Wie viel haben Sie ausgegeben? Das hätte für den einen Tag ungefähr 2000 Euro gekostet – veranschlagt haben wir 5 Euro pro Portion, Kaufland hat uns aber nur 1 Euro, also insgesamt rund 400 Euro berechnet. Ich habe jetzt bis zum Dezember noch knapp 8000 Euro übrig im Schulbudget – Papier, Bücher, alles ist teurer geworden. Insofern fand ich diese Idee des Schulträgers erst einigermaßen absurd. Mittlerweile hat das Schulamt mir aber persönlich zugesichert, dass wir auf den Kosten nicht sitzen bleiben. An den Schulbudgets ist schon genug gekürzt und einbehalten worden. Warum ist es so wichtig, dass das Mittagessen an einer Schule wie Ihrer nicht einfach ausfällt? Wir sind als Schule ein Ort der Grundversorgung, das schließt Essen mit ein. 80 Prozent unserer Kinder beziehen Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket, kommen also aus armen Familien. Die kommen morgens mit einer leeren oder überschaubar gefüllten Brotdose in die Schule, oder manchmal kriegen sie fünf Euro in die Hand gedrückt und holen sich damit beim Discounter um die Ecke eine Tüte Chips. Wenn dann noch das gewohnte Mittagessen ausfällt, ist das schon sehr gravierend. An manchen Tagen gab es Kinder, die gesagt haben: „Ich hab‘ so einen Hunger.“ Und das ist einfach furchtbar. Was haben Sie dann gemacht? Wir haben mit Frischkäse auf Knäckebrot und dem Handobst, das manchmal immerhin geliefert wurde, irgendwie versucht, uns über den Tag zu retten. Wir hatten auch Glück, dass es meistens noch recht warm war – da ist der Hunger ja etwas geringer ausgeprägt, und die Kinder wollen eh lieber draußen spielen als in die Mensa zu gehen. Wir haben natürlich darum gebeten, dass die Eltern mehr einpacken, aber das gelingt nicht allen. | |||
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