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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 29.04.2020 | Teilweise bewölkt, vereinzelt sind Schauer möglich bei max. 18°C. | ||
+ Der BER ist fertig – finanziell + Teuer bezahlte Scheinsicherheit: Antikörper-Teststelle in Mitte öffnet + Kitas absperren, Spielplätze aufsperren – alles nur Keim-Schieberei? + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, angeschnallt? Bitte noch den Tisch hochklappen und den Sitz in eine aufrechte Position bringen (erinnern Sie sich noch?), dann geht’s los: Während fast alle Flugzeuge der Welt am Boden bleiben, hebt Berlin komplett ab. „Der BER ist fertig.“ Einer, der schon fast als Klassiker in die Witzebücher eingegangen wäre. Doch gestern, kurz vor 18 Uhr, sagte ihn kein schenkelklopfender Kabarettist im Livestream auf seiner Facebook-Seite – Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat sich festgelegt. „Die BER-Baustelle-Witze werden langweilig. Alle können sich jetzt daran gewöhnen, vom BER statt von einer ewigen Baustelle, von einem zukünftigen Flughafen zu sprechen.“ Anlass für die Ausgelassenheit war der Landkreis Dahme-Spreewald, der die Freigabe für das Terminal 1 gab – und damit gewissermaßen die Starterlaubnis für den BER erteilte. Und Lütke Daldrup kommentierte: „Nach menschlichem Ermessen steht der Eröffnung des BER nun nichts mehr im Wege.“ Nun ist ausgerechnet in den vergangenen acht Wochen vieles passiert, das wir uns zu Beginn des Jahres nach menschlichem Ermessen nicht hätten vorstellen können, aber das passt ja wiederum ganz gut zusammen: Eine normale Eröffnung würde diesem Flughafen nicht gerecht. Und der Vorteil ist: Wenn das Coronavirus bis dahin nicht völlig überraschend wieder den Abflug macht, könnte es für ELD auch die etwas unangenehme Partyfrage lösen: Wie feiert man das Ende eines solchen Baudesasters? Richtig: Da machen sich die Verantwortlichen am besten ganz allein und heimlich zu Hause einen Henkel halbtrocken auf. Zumal die eigentliche Nachricht des Tages lautet: „Der BER ist fertig“ – finanziell. In den nächsten drei Jahren benötigt die Flughafengesellschaft viel mehr Geld als bisher bekannt, nämlich mindestens 1,5 Milliarden Euro. Anderenfalls müsste sie Insolvenz anmelden. „Die FBB ist ein Zuschussbetrieb und ein akuter Sanierungsfall“, lautet das Fazit einer Expertenstudie, die mein Kollege Thorsten Metzner exklusiv ausgewertet hat. Wirtschaftlich sei die Flughafengesellschaft ein gescheitertes Unternehmen, das sich nicht mehr selbst helfen kann. Auch deswegen würde ELD Tegel gern für zwei Monate schließen und etwa sieben Millionen Euro monatlich sparen. Darüber beraten die Eigner der Flughafengesellschaft und der Aufsichtsrat heute. Es kommentiert Kurzflughafensprecher Daniel Abbou: „Glauben Sie mir, kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen.“ Checkpoint-Kollegin Ann-Kathrin Hipp hat am Abend eine kleine Twitter-Umfrage gestartet: „Wie würdet ihr die #BER-Geschichte in einem Satz zusammenfassen?“ Kleine Auswahl der Antworten: „Der BER kommt...“ „Engelbert kam, sah und machte fertig“ (Martin Pallgen, Sprecher des Innensenators) „Ende gut... alles gut?!“ (Julian Mieth, stv. Senatssprecher, Grüne) „Als er endlich fertig war, gab‘s keinen Flugverkehr mehr“ (Jochen Biedermann, Stadtrat Neukölln, Grüne) „Giftspritze! Weil das meine erste Erinnerung ist an das Projekt. Das sagte Eberhard Diepgen im Plenum zu mir als ich (zugegeben penetrant) was wiederholt nachfragte zum #BER . Ging ja von Beginn an was schief. Übrigens: Eröffnung ohne Eröffnungsfeier!? Passt!“ (Renate Künast, MdB, Grüne) „Die Idee war gut, doch die Welt noch nicht bereit.“ „Irgendwas mit Langstreckenfluch“ „Es ist kompliziert“ „Viel Lärm um nichts“ „Einen Versuch war es wert“ „Erst unnötig lange nicht fertig, jetzt fertig aber unnötig“ „Auferstanden aus Ruinen“ „Ente tot Abendbrot“ Ich gebe zu: Der letzte hat sich vermutlich verflogen. Ansonsten halte ich es mit meinem Lieblings-Loriot-Charakter Hermann: „Ich lasse mir von einem fertigen Flughafen doch nicht vorschreiben, worüber ich Witze zu machen habe.“ | |||
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Wie aus einer anderen Welt kam mir dieser Tage auch die Idee des Bundesarbeitsministers vor, ein Recht auf Homeoffice gesetzlich zu regeln. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kenne derzeit nur Menschen, die sich mal wieder ein Recht aufs Office wünschen – aber da kann die SPD nun wirklich nichts dafür (außer vielleicht fehlendes Gespür für Timing). Die Berliner Bildungssenatorin derselben Partei ist jedenfalls nicht der Meinung, dass Kinderbetreuung locker aus dem Homeoffice heraus gestemmt werden kann. Diesen Eindruck hatten viele Eltern in den vergangenen Tagen bekommen, wenn sie von der Kita hörten, sie hätten (Systemrelevanz hin oder her) keinen Anspruch auf Notbetreuung, wenn der Partner im Homeoffice arbeite. Denn Eltern haben nach wie vor nur dann einen Anspruch auf Betreuung, „wenn sie keine andere, häusliche Form der Betreuung ermöglichen können“. Rund 20 Prozent der Eltern hätten einen Anspruch auf Notbetreuung angemeldet, sagte Scheeres gestern. Wie viele diese unter den sehr strengen Hygieneauflagen tatsächlich wahrnehmen, wisse man erst Ende der Woche. Wenn sich Eltern und Kita nicht einige werden können (zum Beispiel über eine Teilzeitbetreuung), entscheide die Kita-Aufsicht. Solche Fälle gebe es bereits, sagte Scheeres. Außerdem will sie nun eine Hotline einrichten, um Streitfälle zu klären. „Alle müssen bedenken: Wir sind noch immer in einer Ausnahmesituation. Es ist weiterhin erforderlich, soziale Kontakte zu reduzieren.“ Und während die Kitaleitungen versuchen, ihre Kleingruppen auf den Höfen mit Absperrbändern voneinander fernzuhalten, werden morgen an allen Spielplätzen der Stadt die Absperrbänder entfernt, damit sich die Kleingruppen nach der Kita zum fröhlichen Virentausch treffen können. CP-Weisheit Nr.1 dieser Tage: Nur, weil etwas erlaubt ist, müssen Sie es nicht tun. | |||
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Berlin bekommt nun also (als letztes Bundesland) doch noch die kommerzielle Maskerade. Nachdem die SPD in den vergangenen Tagen öffentlich Druck gemacht hatte, blieb den Koalitionspartnern gestern nichts anderes übrig, als sich der Maskenpflicht im Einzelhandel anzuschließen. Ziemlich sauer über diesen Vorgang waren vor allem die Grünen, Wirtschaftssenatorin Pop sprach von „Symbolik“ und stellte die Frage, ob eine Maskenpflicht in Pflegeheimen nicht viel wichtiger sei. Ihr Vorstoß wurde von verschiedenen Teilnehmern der Senatssitzung hinterher wahlweise als „Diskussionsbeitrag“ (das Thema war schließlich schon häufiger aufgekommen) oder „Revanche der Grünen“ interpretiert. Eine Maskenpflicht in Pflegeheimen gibt es seit Montag in Hamburg, wird aber von Experten als schwierig eingeschätzt, vor allem wegen der Bewohner selbst – und zwar in der ganzen Breite von Uneinsichtigkeit über Demenz bis Atemnot. Zudem ist das Tragen von Masken nicht unbedingt erforderlich, wenn eine Kohorte weitgehend unter sich bleibt. Und für Pfleger und Besucher sind die Vorschriften ohnehin schon sehr streng. Auf Initiative von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) läuft eine Abfrage bei den Pflegeheimen, um den Bedarf einer solchen Regelung zu klären. (Wieder-)Vorlage: nächsten Dienstag. Wie schnell sich die Lage wieder verschärfen kann, hat auch die Räumung eines Seniorenwohnhauses in Fennpfuhl gezeigt. Überhaupt warnen die Experten des RKI vor einem Anstieg der Reproduktionszahl, in Berlin ist sie zuletzt leicht gestiegen auf 1 und liegt dabei etwa im Bundesdurchschnitt. Hätten wir noch ein wenig länger mit schärferen Maßnahmen durchhalten müssen? Wie sich die Lockerungsübungen auf die Zahlen auswirken, werden wir seriös erst in zwei oder sogar drei Wochen wissen. Die Letzten werden die Ersten sein. Gilt hoffentlich nicht für die Infektionsraten. | |||
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Die peinlichsten Aussagen des gestrigen Tages kommen ausnahmsweise mal nicht aus dem Weißen Haus, sondern aus Tübingen und Marzahn-Hellersdorf. Entscheiden Sie selbst: Boris Palmer (Grüne): „Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einen halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.“ Marius Radtke (AfD): „Schützt #AfD-Wählen vor dem #Coronavirus? Wie sonst wäre es zu erklären, dass genau in Marzahn-Hellersdorf, wo besonders viele #Berliner unsere Partei wählen, so wenig Infizierte sind? [Zwinkersmiley] #Berlin“ (Quelle: Twitter-Status mit Grafik; Stand 29.04.2020, 5:33 Uhr, gelöscht) Dr. Marius Radtke ist übrigens praktizierender Zahnarzt in Weißensee. Im Medizinstudium ist er offenbar häufiger mal eingenickt. Oder es ist einfach zu lange her. Zwinkersmiley. | |||
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