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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 16.06.2023 | wolkig, unbeständig, 13 bis 21°C. | ||
+ Plätze für 26.000 Siebtklässler vergeben + Zeitzeugen erinnern an Volksaufstand vom 17. Juni + Rolle rückwärts: Verkehrssenatorin bremst Radwege aus + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, haben Sie das gestern auch gehört? Was klang wie das lang ersehnte Gewitter, war ein Gebirge der Erleichterung, das Zehntausenden Müttern und Vätern von ihren Herzen gefallen ist. Denn von Kreuzberg bis zum Mont Klamott erreichten am Donnerstag die Briefe der Bildungsverwaltung die Familien von 26.000 Kindern – mit der jeweils ihnen zugeteilten weiterführenden Schule (Die Liste der gefragtesten Oberschulen und Gymnasien gibt’s hier). Laut Bildungsverwaltung haben 91 Prozent einen Platz an einer ihrer drei ausgewählten Wunschschulen erhalten. Was dabei unerwähnt bleibt: Die meisten Eltern haben in der alljährlichen Schullotterie ihren eigentlichen Drittwunsch lieber als Erstwunsch angegeben, weil wegen des Schulplatzmangels oft nicht mal der Zweitwunsch in Erfüllung geht. Und weil jedes Kind, das eine Stunde lang durch die Stadt zum Unterricht pendeln muss, eines zu viel ist. Um wirklich Schule zu machen und wenigstens ab der siebten Klasse erstklassig zu werden, muss Berlin wohl noch eine Weile nachsitzen. | |||
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Wie das scheppert. Wie das bebt. Das Rasseln der Panzer auf Berlins engen Straßen, an deren Bürgersteigen noch Ruinen stehen und auf deren Pflaster ein neuer Kampf um die Freiheit tobt, schon wieder um Tod und Leben. Es sind die gleichen Panzer, die Deutschland und die Welt wenige Jahre zuvor vom Nationalsozialismus befreit haben. Panzer, die nun die kommunistische DDR retten sollen, die sich nur noch mit Gewalt an der Macht halten kann. Lutz Rackow steht auf einem Haus in Berlin-Mitte und sieht unten einen Mann, der eine Aktentasche zusammengerollt unter den Arm geklemmt hat. Mit der freien Hand wirft er einen Stein gegen das verrammelte Verkehrsministerium, dann noch einen und noch einen. Bis die sowjetischen Panzer kommen. „Es war eine surreale Szene“, erinnert sich Rackow, damals Journalist und Augenzeuge, heute mit 90 Jahren rüstiger Rentner am Müggelsee. Ein wütender Mann gegen die verbarrikadierte Macht – ein Sinnbild für den 17. Juni 1953. „Am Ende konnte er nichts ausrichten.“ Der 17. Juni ist, gleich am Anfang der DDR, fast schon ihr Ende. Eine Million Menschen in 700 Orten Ostdeutschlands rufen nach Freiheit, mindestens 55 Menschen sterben. Einige werden standrechtlich erschossen, wie im Krieg. Das Bild von Ostdeutschland und den bleibenden Wunden der Teilung, das Bild von Russland und den wieder aufgerissenen Verwundungen der Vergangenheit – all dies gründet sich auch auf der Einordnung des Volksaufstandes vor 70 Jahren, der in Berlin fast vergessen scheint. Die letzten Zeitzeugen gehen in ihre letzten Jahre. Für den Tagesspiegel habe ich drei von ihnen getroffen und erzähle anhand historischer Dokumente, wie der Aufstand Berlin erfasste und wie er Deutschland bis heute prägt – nachzulesen hier. | |||
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Spuren des 17. Juni in der Stadt ausfindig zu machen, ist gar nicht so einfach. Erinnerungsreste finden sich an der früheren Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee), wo auf den Baustellen des Sozialismus einst die Revolte für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen losbrach. Vor dem Haus der DDR-Ministerien in Mitte, einst Hauptquartier von Hermann Görings Nazi-Luftwaffe und heute Bundesfinanzministerium, wo die Menschen nach Freiheit und Demokratie riefen, gibt es inzwischen ein Bodendenkmal für die Mutigen. Neu hinzugekommen auf dem unwirtlichen „Platz des Volksaufstandes von 1953“ ist ein historisches Plakat. Es ist Teil einer Ausstellung, mit der in Berlin an den Aufstand erinnert wird – in einem allerdings bescheidenen Rahmen. Mehr Plakate mit historischen Bildern gibt es Unter den Linden, direkt vor der russischen Botschaft. Sie umrahmen dort die zivilgesellschaftliche Mahnwache gegen den russischen Terrorkrieg. Ist dies Absicht und wirklich die richtige Idee, das Gedenken an die ukrainischen Kriegsopfer quasi zu überdecken? „Es ist kein Zufall“, sagt Zora Block von den zuständigen „Kulturprojekten“ auf Checkpoint-Anfrage. „An diesem historischen Ort des Aufstands bekommen die Bilder der sowjetischen Panzer beklemmende Aktualität. Sie erinnern daran, dass auch heute russische Panzer eingesetzt werden, um Bestrebungen nach Freiheit und Demokratie zu unterdrücken.“ Am Donnerstag beschäftigten sich Bundestag und Abgeordnetenhaus in Aktuellen Stunden mit dem Volksaufstand (nachzulesen hier). Im Tagesspiegel erinnern wir am Sonnabend ausführlich mit einer Spurensuche an den historischen Orten an Macht und Ohnmacht der Aufständischen. Darüber hinaus bietet die „Berlin History App“ ab dem heutigen Freitag einen Liveticker mit allen historischen Ereignissen, minutengenau 70 Jahre später. Präsentiert vom Tagesspiegel, wird mit Karten, Dossiers und vielen historischen Dokumenten die Geschichte neu erlebbar (abrufbar hier). Damit die Erinnerung an die Mutigen, die für unsere heutige Freiheit gekämpft haben und dafür teilweise umgebracht wurden, niemals stirbt. | |||
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Was Berlins neuer Senat unter Rat und Tat versteht, zeigt sich bereits in der Verkehrspolitik – in einer ungebremsten Tat gegen das Rad. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) verlangt per Brief an die Bezirke die „vorübergehende Aussetzung der Umsetzung von angeordneten Projekten“, welche: „a) den Wegfall von einem oder mehr Fahrstreifen zur Folge haben; b) und/oder den Wegfall von Parkplätzen (der Wegfall eines Stellplatzes reicht schon aus) zur Folge haben; c) Tempo 30 proaktiv von Amts wegen bzw. bei Anträgen lange Strecken beinhalten“. Berlin, das mit grüner Verkehrspolitik nicht gerade vorwärtskam, fährt ab sofort rückwärts. Der Wegfall eines Auto-Parkplatzes reicht dafür vorerst aus, der mögliche Wegfall eines Menschenlebens auf ungeschützten Radwegen offenbar nicht. | |||
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Und Gottes Wille geschehe, selbst in Berlin. Der Kirchenaustritt wird in der Stadt der unglaublich vielen Ungläubigen vorerst nicht digital möglich sein, wie die Justizverwaltung auf Grünen-Anfrage wissen lässt. Zwar sei eine einfache Aufkündigung von Gottes Gefolgschaft auf Bundesebene angedacht und somit Teil des (Himmel, hilf!) „Onlinezugangsgesetz-Umsetzungskataloges“. In Berlin sei das aber rechtlich nicht möglich, denn laut Kirchenaustrittsgesetz muss die Austrittserklärung persönlich oder in beglaubigter Form ans Amtsgericht gehen. Die beiden großen Kirchen wollen daran laut Justizverwaltung auch nichts ändern – für sie stelle es demnach einen Eingriff in ihr Selbstverwaltungsrecht dar, „wenn der Staat den Modus des Endes der Mitgliedschaft derart ‚würdelos‘ mit quasi einem Mausklick ausgestalte“. Und damit: Aus die Kirchenmaus! | |||
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