ANZEIGE |
|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 21.11.2024 | bewölkt bei 0 bis 4°C. | ||
+ Ex-Finanzsenator Kollatz wünscht sich weitere Investitionen + Ex-Kultursenator Lederer wünscht sich die Rettung der Kultur + Ex-Bürgermeisterin Herrmann wünscht sich eine neue Verkehrswende + Kältebus hilft seit 30 Jahren + Kokainschwemme auch in Berlin + Wodka in Wasserflaschen + |
von Robert Ide |
|
Guten Morgen, tote Hose heute, oder? Kein Wunder, denn: „Die Zeiten des ‚Wünsch Dir was‘ sind vorbei.“ So verkündeten es der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und sein Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) wortgleich bei ihrer Drei-Milliarden-Einspar-Pressekonferenz, deren Folgen die Stadt noch lange zu spüren bekommt. Berlin soll sich nicht mehr nach dem Wünschbaren richten, sondern nach dem Machbaren. Und so summen wir nostalgisch und ein letztes Mal den 90er-Jahre-Schrammel-Hit der „Toten Hosen“ mit dem verheißungsvollen Titel „Wünsch Dir was“ (Schrammel-Video hier) und träumen von einer Welt, in der auch noch Träume zählen dürfen. Summen Sie mit? „Ich glaube, dass die Menschheit mal in Frieden lebt / Und es dann wahre Freundschaft gibt / Und der Planet der Liebe wird die Erde sein / Und die Sonne wird sich um uns drehen / Das wird die Zeit / In der das Wünschen wieder hilft.“ | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Eine Verkörperung des Machbaren sollen stets Berlins Finanzsenatoren sein. Einer von ihnen, der vor zehn Jahren ins Amt gekommene Matthias Kollatz (SPD), hat sich exklusiv für den Checkpoint über das Sparprogramm seines Nach-Nachfolgers gebeugt und liefert uns eine Expertise aus finanzpolitischer Sicht. Dabei spart er auch nicht mit Kritik an seiner eigenen Partei. Herr Kollatz, hat Berlin zu lange über seine Verhältnisse gelebt, etwa was die Förderung der Kultur oder den Ausbau des Verkehrs angeht? Berlin hat über seine Verhältnisse gelebt, das begann in der Corona-Zeit. Gegensteuern war damals nötig und die Netto-Neuverschuldung unvermeidlich, aber zu viele in Linkspartei, Grünen, der SPD und der CDU fanden Spaß daran, über den Corona-Zweck hinauszugehen und das zu versprechen, was man schon immer mal gerne tun wollte. Es wird vielfach erzählt, dass das in anderen Bundesländern auch so gewesen sei. Dem ist nicht so. Die Pro-Kopf-Netto-Neuverschuldung in Berlin seit den Corona-Jahren liegt deutlich über denen der anderen Bundesländer, weil das Parlament bewusst deutlich über die vom Senat geschätzten anti-zyklischen Corona-Bedarfe hinausging und die Mittel für andere Sektoren wie Verkehr verwenden wollte. Das war unverträglich mit der Schuldenbremse, die aber keineswegs aufgehoben ist. Was Matthias Kollatz beim Sparen anders machen würde und warum er den Aufschub bei der Sanierung der Komischen Oper für einen Fehler hält, erzählt der frühere Finanzsenator im weiteren Interview in der Checkpoint-Vollversion – nachzulesen hier. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Einen Wiederaufbau-Plan nach der Einsparrunde braucht auf jeden Fall Berlins Kultur. So soll sich das Stadtmuseum aus dem Humboldt-Forum im Schloss-Nachbau zurückziehen, die Digitalisierung der Bibliotheken wird eingebremst, Philharmoniker, Konzerthaus und Friedrichstadt-Palast müssen jeweils Millionensummen einsparen, ebenso die großen Theaterhäuser (Sparliste hier). Das bei Kindern und Jugendlichen beliebte Theater an der Parkaue in Lichtenberg etwa wird laut Intendantin Christina Schulz nun alle Premieren absetzen, die Theaterclubs schließen und die kulturelle Bildungsarbeit einstellen. Das traditionsreiche Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg sieht sich gar in seiner Existenz bedroht. Der erfolgreich eingeführte Museumssonntag bei freiem Eintritt wird wieder wegfallen. „Unsystematische Förderungen und kostenfreie Angebote sollten eingestellt werden“, sagt dazu Kultursenator Joe Chialo (CDU). Sein Vorgänger Klaus Lederer (früher Linke) gibt sich auf Facebook konsterniert: „Eine Katastrophe für gesellschaftliche Teilhabe und den Zusammenhalt in dieser Stadt.“ Die Kultur gerate mit den Beschlüssen des schwarz-roten Senats „unter die Räder der haushaltspolitischen Abrissbirne einer Koalition, die ‚Prioritäten setzt‘. Auf dieser Prioritätenliste steht offenkundig: Kultur zuletzt“. Für Chialo, der gegen die massiven Einschnitte kaum Widerstand leistete, hat Lederer nur noch Buh-Rufe übrig: „Wenn es ohnehin nicht ums Kämpfen geht, kann man auch einpacken, lieber Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ | |||
|
|
Nächster Halt: Zusammenhalt. Dieser Fahrplan gilt in jedem Winter beim Berliner Kältebus. Dieser ist, einst auch unterstützt von der Tagesspiegel-Spendenaktion „Menschen helfen!“, nun schon seit 30 Jahren in der Stadt unterwegs, um auf der Straße lebende Menschen vor dem Erfrieren zu retten. „In 30 Jahren wurde viel geschafft“, erzählt Barbara Breuer von der Stadtmission. Die Arbeit der Kältebusse sei professioneller und das Team größer geworden. Im vergangenen Winter hätten die drei Busse 1.580 obdachlose Menschen in Unterkünfte gebracht. In jeder Nacht kann der Kältebus gerufen werden unter der Telefonnummer 030 / 690 333 690. Ein aktuelles Problem für die Kältehilfe ist laut Breuer, dass es in der Stadt keine barrierefreien Notunterkünfte gebe. Erst vorige Woche habe ein Kältebusfahrer deshalb drei Menschen im Rollstuhl nicht befördern können. „Es gab keinen Ort, wo er sie hätte hinbringen können. Das musste er sowohl den Menschen erklären, die den Kältebus gerufen haben, als auch den Menschen im Rollstuhl, die er nicht mitnehmen konnte.“ Die Sozialverwaltung ließ auf Nachfrage wissen, es gebe in Berlin durchaus barrierearme Unterkünfte. Eine eher erkenntnisarme Antwort. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
In rasanter Bewegung bleibt die Politik in und um Berlin. Die SPD-Spitze weiß immer noch nicht, ob Kanzler Olaf Scholz nicht doch der falsche Kandidat fürs höchste Staatsamt ist (die Basis weiß es schon eher). Die Linke versucht auf ihre alten Tage mit einer „Aktion Silberlocke“ noch einmal drei Direktmandate und damit wieder eine politische Gegenwart zu gewinnen (obwohl Gregor Gysi, der erneut in Treptow-Köpenick antritt, eine Glatze hat). In Thüringen greift das populistische Bündnis Sahra Wagenknecht erstmals nach der Regierungsmacht (inzwischen abgesegnet vom Zentralkomitee im Saarland). Sachsen dagegen steuert auf eine Minderheitsregierung und eine politische Blockade zu (selbst ausgelöst von Noch-Ministerpräsident Michael Kretschmer). Im gleichen Zuge steigen gerade in Ostdeutschland engagierte Menschen wegen permanenter Bedrohungen und Beschimpfungen aus der lokalen Politik aus. Prominentester und aktueller Fall ist der ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung Marco Wanderwitz (CDU), der wie seine Lebensgefährtin Yvonne Magwas nicht mehr für den Bundestag kandidiert und dessen Begründung ein Alarmsignal für die Demokratie sein sollte: „Ich muss mich und meine Familie schützen.“ Wanderwitz, der im Erzgebirge lebt, ist einer der Initiatoren eines NPD-Verbotsverfahrens, das mehr als 100 Bundestagsabgeordnete anstoßen wollen. Die Aushebung der rechtsextremen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ mit Verbindungen zur lokalen AfD habe gezeigt, „wie eng die Verknüpfungen von Rechtsterrorismus und AfD sind“, sagte Wanderwitz am Mittwochabend bei einem Twitter-Debatten-Space. In Thüringen habe die Partei zudem versucht, „das Konstituierungsrecht des Landtags zu unterlaufen und Demokratie lächerlich zu machen“. Seit seinem Einsatz für ein Verbotsverfahren hätten die Angriffe auf ihn und seine Familie zugenommen, berichtet Wanderwitz. „Die Art und Weise, wie man angegangen wird im Digitalen und im Analogen, hat sich sehr stark verändert. Die wollen uns als Menschen zerstören.“ Welche Entwicklungen Ostdeutschland und damit bald ganz Deutschland noch bewegen, können Sie in unserem wöchentlichen Tagesspiegel-Newsletter „Im Osten“ lesen, der heute wieder von meinem Kollegen Julius Geiler verschickt wird. Ein kostenloses Abo gibt’s hier. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Zehn Jahre lang begleitet Sie und uns der Checkpoint. Nach den gestrigen Glückwünschen von Landeswahlleiter Stephan Bröchler (Kennerinnen und Kenner der Landespolitik haben ihn sicherlich erkannt) beantwortet uns heute Monika Herrmann, langjährige Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, drei Fragen zum Jubiläum: Was war das Beste in den vergangenen zehn Berlin-Jahren? Das Beste in Berlin war für mich, als konsequente Fahrradfahrerin, der Start der Verkehrswende. Endlich wurde diskutiert, geplant und umgesetzt, was der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden dient. Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Berlin-Jahre? Was wir in den nächsten zehn Jahren dringend brauchen, ist die Weiterführung der Verkehrswende. Der öffentliche Raum muss neu organisiert werden, damit alle Verkehrsteilnehmenden tatsächlich die Wahl haben, wie sie sich in der Stadt fortbewegen wollen. Was ist der Checkpoint für Sie? Der Checkpoint ist nach wie vor meine morgendliche Erstlektüre, um mich über das Aktuelle in Berlin zu informieren. Allerdings lese ich ihn inzwischen deutlich entspannter als zu meiner Amtszeit. Morgen gratuliert hier Berlins barmherziger Barde Frank Zander. Alle warten voller Spannung… | |||
|
Schätzen Sie auch unsere Arbeit wert und wollen uns mit einem Abo unterstützen? Dann holen Sie sich gerne die Checkpoint-Vollversion sowie alle Bezirks-Newsletter und sämtliche Tagesspiegel-Plus-Artikel, und zwar hier. Sie zahlen für zwei Monate nur zwei Euro und bekommen, solange der Vorrat reicht, einen Checkpoint-Beutel geschenkt. Viel Spaß damit und Dankeschön! Im heutigen Newsletter würden Sie dann noch dazubekommen: + Spuren der Sucht: Die schnell abhängig machende Droge Crack breitet sich in immer mehr Kiezen rasant aus. Eine Expertin erzählt, wo inzwischen die Hotspots der Kokainschwemme sind. + Lachen mit einem Drachen: Das Märchen „Der Drache“ geißelt den Opportunismus und wurde nach seiner Uraufführung in Moskau sofort verboten. In Berlin führt Dieter Hallervorden es im Schlosspark-Theater neu auf; wir verlosen Tickets für morgen Abend. + Zittern beim Zeichnen: Das soziale Berlin bibbert vor den Einsparungen – und im beginnenden Winter fällt auch noch die Heizung aus. Unsere Zeichnerin Naomi Fearn weiß in ihrem Comic eine Rettung. + Mein Checkpoint-Lesetipp für Sie ist heute ein Videotipp: Hannah Hebenstreit ist Paartherapeutin in Berlin. In unserer neuen Video-Liebeskolumne gibt sie Tipps zum Thema Dating, Vertrauensbruch, Trennung und Leidenschaft. Die zehn Weisheiten einer Paartherapeutin im Gespräch mit meiner Kollegin Sophie Peschke lesen und sehen Sie hier. | |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
| |||
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|