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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 27.03.2023 | abwechselnd Regen und Wolken zwischen 2 und 5°C. | ||
+ Sechs Bezirke dafür, sechs dagegen – Klimaentscheid „unecht“ gescheitert + Mega-Warnstreik: Die BVG fährt, die Heidekrautbahn auch, die S-Bahn erst abends + Neue City-S-Bahn verzögert sich wegen bröselnden Betons auf unbestimmte Zeit + |
von Stefan Jacobs |
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Guten Morgen, der Volksentscheid zur Klimaneutralität Berlins 2030 ist auf hohen Niveau gescheitert – und zwar „unecht“, weil zwar die Mehrheit der Teilnehmer mit Ja gestimmt hat, aber das Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten nicht erreicht wurde. 50,9 Prozent Ja- und 48,7 Prozent Nein-Stimmen, lautet die Bilanz für die ganze Stadt. Die drei westlichen und östlichen Randbezirke stimmten jeweils mehrheitlich mit Nein, die sechs dazwischen mit Ja. 35,8 Prozent Beteiligung sind für einen Volksentscheid abseits von Wahlterminen überdurchschnittlich: Der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ nennt als Mittel aus 16 so terminierten Entscheiden 34,1 Prozent Beteiligung gegenüber 63,1 Prozent bei an Wahlen gekoppelten. | |||
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Mit AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker ist angesichts des Ergebnisses gleich die Mathematik durchgegangen: „Gerade einmal zehn Prozent der Berliner haben für den Entscheid gestimmt“, lautet ihre Erkenntnis angesichts von 442.210 Ja-Stimmen. Bei derselben Rechenmethode gilt fürs Ergebnis der Wiederholungswahl vom Februar allerdings, dass gerade mal 3,1 Prozent der Berliner für die AfD gestimmt haben. Die sollte sich als Geste des politischen Anstandes folglich aus dem Abgeordnetenhaus verabschieden. Bei den Parteien, die die Klimakrise nicht leugnen, reichten die Reaktionen vom Bekenntnis zur Notwendigkeit von Klimaschutz (CDU und SPD) übers Lob für den „Sieg der Vernunft“ (FDP) bis zur bedauernden Anerkenntnis der Polarisierung und Ängste (Grüne). Franziska Giffey wiederholte einmal mehr ihre tollkühne Behauptung, dass das Berliner Klimaschutzgesetz „eines der ehrgeizigsten“ in Deutschland sei. Tatsächlich gilt das Zieljahr 2045 für Klimaneutralität sowohl bundesweit als auch in den meisten Ländern; Bayern und Baden-Württemberg haben sich zu 2040 verpflichtet. | |||
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Dass der notorische „B.Z.“-Ärgermacher Gunnar Schupelius vor dem Wochenende gefordert hatte: „Stimmen Sie mit Nein!“ war ein starkes Argument, mit Ja zu stimmen. Schupelius beklagte u.a., dass „klassische Medien wie der ‚Tagesspiegel‘ sich einseitig der Kampagne angeschlossen“ hätten. In diesem Zusammenhang seien insbesondere unser kritischer Realitätscheck, der Hinweis auf die gigantischen Kosten, der Bericht über die Skepsis der IHK und der strikt ablehnende Kommentar des Kollegen Christoph von Marschall erwähnt. Danke für ihre Unaufmerksamkeit! | |||
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Zu den juristischen Konsequenzen im Erfolgsfall und die Möglichkeiten nach dem Scheitern des Entscheids hat der CP am Sonntagabend einen der renommiertesten Verwaltungsrechtler Deutschlands ans Telefon geholt, während der gerade Kaiserschmarrn für die Familie machte: Prof. Remo Klinger, der z.B. Verfahren gegen Autokonzerne im Dieselskandal geführt, Fahrverbote wegen zu dreckiger Luft erzwungen und zwei der vier Verfassungsbeschwerden für mehr Klimaschutz geführt und gewonnen hat. Sie sind Experte darin, Umwelt- und Klimaschutz durchzusetzen, auch wenn es wehtut. Sollten wir Berliner froh sein, dass uns ein unrealistisches Gesetz mit milliardenschweren Folgekosten erspart bleibt? Bei einem Erfolg hätte das Land die Pflicht gehabt, alle denkbaren Maßnahmen bis an den Rand des Möglichen zu ergreifen. Wenn bis 2030 nicht 95 Prozent CO2-Minderung machbar gewesen wären, sondern vielleicht nur 85, dann eben 85. Ein Ja zu der Gesetzesänderung hätte einen starken Impuls gesetzt. Ich bin gespannt, was die künftige Koalition nun tun wird für mehr Klimaschutz. Hätte der Senat nicht jederzeit auf die unverhältnismäßigen Konsequenzen verweisen können? Die Hürden, da Abstriche zu machen, wären sehr hoch. Zwar muss die Verhältnismäßigkeit einzelner Maßnahmen stets abgewogen werden, aber der Klimaschutz hat juristisch einen hohen Wert. Vor allem wären Rückschritte noch schwerer zu rechtfertigen, etwa durch einen 17. Bauabschnitt der A100: Dann hätte man sagen müssen, wie man die damit verbundene Klimabelastung ausgleicht. Die Autobahn verursacht ja schon im Zementwerk eine irre Menge CO2, nicht erst durch den zusätzlichen Verkehr. Mit dem Verweis darauf, dass Berlin nicht im Alleingang die Welt retten kann, wäre ein Senat also nicht davongekommen? Nein: Gesetz ist Gesetz. Wir haben das bei den Verfahren zur dreckigen Luft erlebt, wo viele der rund 40 betroffenen Kommunen auf alles Mögliche verwiesen haben, von EU-Abgasnormen bis zu fehlenden Schildern im Katalog der StVO. Die Gerichte haben diese Kritik zwar gehört, aber zugleich klargestellt: Ihr müsst trotzdem alles tun, was ihr könnt. Das Scheitern des Volksentscheids ändert nichts an der Notwendigkeit von mehr Klimaschutz, aber im Straßenverkehr steigen auch in Berlin die Emissionen sogar noch. Müssen wir uns damit nun abfinden? Das ginge schon rechtlich nicht, die aktuellen Klimaschutzvorgaben bleiben ja. Man muss schon zur Erfüllung des aktuellen Rechts viel unternehmen, um die Verkehrswende voranzutreiben. Dass um fast jedes Stück Fahrradweg derart aufgeregt debattiert wird, ist eine Berliner Besonderheit und macht es sicher nicht einfacher. Und unser öffentlicher Nahverkehr ist auch noch nicht premium. Was den Volksentscheid betrifft: Die Legislaturperiode ist nicht allzu lang, und in der nächsten ist ein neuer Versuch möglich – vielleicht zusammen mit einem Wahltermin, dann hat man kein Problem mit der Beteiligung. Wenn die Regierenden da wieder gewinnen wollen, sollten sie bis dahin zeigen, dass es beim Klimaschutz vorangeht. Wie haben Sie eigentlich abgestimmt? Ich habe mein Wahlrecht leider verwirkt – indem ich vor ein paar Jahren ins Umland gezogen bin. | |||
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Gerade bestätigt sich wieder, dass eine Schwalbe noch keinen Frühling macht: Kaum meldet der Nabu die Rückkehr der ersten Rauchschwalben aus den Winterquartieren, reist der Winter den geplagten Vögeln hinterher. Falls Sie schon die Kübel mit den Mittelmeerpflanzen aus dem Treppenhaus auf den Balkon gebuckelt haben: Holen Sie sie lieber wieder rein, nächste Nacht soll’s Frost geben (falls es nach abendlichem Graupel aufklart). Für die Natur ist das Wetter ein Glück. Mit knapp 170 Liter pro Quadratmeter hat es seit Jahresbeginn schon beinahe halb so viel geregnet wie im gesamten Extremdürrejahr 2022. Um das seit 2018 aufgelaufene Regendefizit auszugleichen, fehlen allerdings immer noch mehr als 500 Liter. | |||
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Manche der abgewählten FDP-Abgeordneten schulen auf Kesselflicker um: Nachdem der von Höckes AfD einst zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählte Thomas Kemmerich seine erneute Spitzenkandidatur für 2024 angekündigt hatte, wünschte ein Liberaler, „dass dieser Landesverband die 5%-Hürde verfehlt und aus dem Landtag fliegt“. Woraufhin der Berliner FDP-Generalsekretär Lars Lindemann öffentlich zurück twitterte: „Die Partei schädigen Sie mit solchem Geblubber.“ Ein paar Scharmützel weiter unten spielt der Kritiker auf den Rauswurf der Berliner FDP aus dem Agh an – woraufhin ihm Ex-MdA Björn Jotzo schreibt: „Entweder du hattest an unserem Wahlkampf, Kandidaten oder Programm etwas auszusetzen oder du hältst einfach mal dazu deine Fresse.“ Ex-MdA Stefan Förster sekundiert: „Ratschläge von Leuten, die noch nicht einmal die Wahl zum Schülersprecher gewonnen haben, hilft am Ende niemandem.“ Helfen. Es muss „helfen“ heißen. | |||
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