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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 15.11.2021 | Düsteres Novembergrau bei bis zu 7°C. | ||
+ „Berlino Veritas“: Der Checkpoint-Wein ist da + Kontrolle ist besser: Ab heute gilt 2G in Berlin + „Auf die Lieferfristen wenig Einfluss“: Warum immer noch Luftfilter an den Schulen fehlen + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, +++ Achtung! ++++ Wir beginnen heute mit einer Warnung ++++ Achtung! ++++ Dieser Checkpoint kann Spuren von Weißwein enthalten. Und Rotwein. Und Weißwein. Und wieder von vorn … Dass wir hier, um die vielen Nachtschichten für Sie durchzustehen, ab und zu mal einen kleinen Schluck nehmen (wie soll man den Irrsinn dieser Stadt auch sonst ertragen?), dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Insofern ist es nur folgerichtig, dass wir das Checkpoint-Sortiment (Information, Witz & Musik) nun logisch erweitern: um eine eigene Weinkollektion. Kein Witz! „Berlino Veritas“ heißt der edle Tropfen in Rot und Weiß, und er ist wie wir: Immer auf der Suche nach der Wahrheit, „gehaltvoll, spritzig und geerdet“. Ob zwei Probierflaschen oder lieber gleich eine ganze Kiste mit sechs Flaschen (rot oder weiß oder gemischt) – den Checkpoint-Tropfen gibt’s ab sofort im Tagesspiegel-Shop. Was lernen wir daraus? Die Welt ist eben nicht immer schwarz oder weiß – manchmal ist sie auch rot (der SPD gefällt das). Prost! | |||
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Auch in Österreich haben sie bekanntlich ganz gute Weine, ob das Land auch sonst bald zum Vorbild wird? Dort müssen Ungeimpfte ab heute in den Lockdown – heißt: Ausgang nur noch mit triftigem Grund. In Berlin lautet die Vorstufe ab heute „2G flächendeckend“, ist aber sonst nicht mehr weit davon entfernt: Überall dort, wo in vorpandemischen Zeiten der Spaß war, dürfen nur noch Geimpfte und Genesene rein (alle Regeln hier). Ein Test – auch wenn er jetzt wieder kostenlos ist – reicht nicht mehr aus, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Vielleicht motiviert in der Stadt der Hipster(bärte) die Angst vorm Leben ohne Friseur den einen oder anderen nun doch zur Impfung. Lange Schlangen vor den Impfzentren in den vergangenen Tagen deuten darauf hin, dass die Ungemütlichkeit der Lage zumindest einige erreicht, die bislang gezögert haben. Im Osten der Stadt, auf der Trabrennbahn Karlshorst, soll noch im November ein drittes Impfzentrum eröffnen, die Kapazität im Lichtenberger Ringcenter ausgebaut werden. Die nächste Stufe bereitet der Bund bereits vor: Die Rückkehr der Homeoffice-Pflicht und 3G am Arbeitsplatz. Dann müssten Beschäftigte ihren Impfstatus offenlegen, wie es Arbeitgeber seit Monaten fordern. Fest steht: „Es wird ungemütlicher und komplizierter, nicht geimpft oder genesen zu sein“, wie es Berlins Noch-Regierender Michael Müller (SPD) kürzlich ausdrückte. Kompliziert ist aber vor allem die Frage: Wer soll das alles kontrollieren? Die Ordnungsämter aller Bezirke haben schon abgewunken: nicht zu leisten, nicht zu machen. Laut Hotel- und Gaststättenverband wünschen sich viele, dass regelmäßig kontrolliert wird: Weil das die Diskussion mit dem Stammgast erleichtert und jenen hilft, die sich schon jetzt an die Regeln halten. Es gibt viele solcher Beispiele – von Fitnessstudios über Kinos bis hin zur Eckkneipe (eine interaktive Karte mit den mehr als 300 Positivbeispielen, die Sie uns geschickt haben, gibt es hier). Hier wird weitgehend ohne staatliche Kontrollen bereits sehr genau darauf geachtet, dass die Impfung stimmt und der Ausweis auch – denn den meisten ist klar, was die nächste Stufe ist: alles dicht. Die Maßnahmenspirale ist bereits in vollem Gange, „2G plus Test“ längst im Gespräch. Berlin hat die 300er Marke bei der Sieben-Tage-Inzidenz am Wochenende überschritten. Es wird wieder überall gewarnt (Wissenschaft) und geweint (Intensivstationen). Die den Sommer über homöopathisch verteilten Appelle haben nicht gereicht, damit uns die Impfquote sicher durch den Herbst bringt. Nun sollen Gastronomen und Betriebe helfen, den Druck zu erhöhen. Die Politik darf sie dabei nicht allein lassen. Das heißt auch: Eine Lösung zu finden für regelmäßige Kontrollen. (Der Impfpässe, nicht der Bärte.) | |||
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Apropos Weinen. Wenn Sie noch einen Grund brauchen: Die Charité hat am Wochenende ein emotionales Video veröffentlicht, in dem Pflegekräfte zum Impfen aufrufen. „Es ist schwer, jetzt die Motivation noch zu finden, noch eine Welle durchzustehen“, sagt eine. Gelacht haben viele von ihnen vermutlich darüber, dass Jens Spahn (CDU) Ende der vergangenen Woche nach 18 Monaten Pandemie und viel Applaus gefordert hat, man solle die Pflegekräfte besser bezahlen. Gesundheitsminister müsste man sein. | |||
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Wenig zu lachen haben bekanntlich die Kinder in der Pandemie. Nach der großen Gesichtsfreiheit tragen sie nun brav wieder ihre Masken – trotzdem befinden sich bereits vier Schulen im Wechselunterricht (CP von Samstag). Vor einer von ihnen, der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg, demonstrieren heute Vormittag Eltern und Lehrerinnen – „mit Rasseln, Trommeln und Plakaten“. Es gibt mittlerweile 20 positive Fälle an der Schule, was bei rund 650 Kindern einer Inzidenz von etwa 3000 entspricht, schreibt uns ein betroffener Vater. Allerdings gebe es zahlreiche Klassen, die keinen einzigen Fall hätten, „und trotzdem geht es für alle in den Wechselunterricht“. Eltern und Schulleitung seien von dieser Entscheidung völlig überrascht worden. Gemeinsam wollen sie nun „auf die unverhältnismäßig große Belastung und den hohen Preis für Kinder und Familien“ aufmerksam machen, „während an anderer Stelle Menschen in vollen Stadien etc. zusammenkommen“. Die Schulaufsicht hat auf die Anfragen der Schule bislang nicht reagiert. Die Jüdische Oberschule stellt es den Eltern ab heute frei, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Mal sehen, was die Schulaufsicht dazu sagt. | |||
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Aber zum Glück gibt es ja in allen Klassenräumen inzwischen moderne Luftfilter, die das Lernen sicher … Moment. So hätte eine Meldung lauten können, wenn die Anschaffung nicht noch zäher wäre, als jede Schulstunde. Bis alle Räume ausgestattet sind, kann es noch Monate dauern. Von den rund 11.000 Luftfiltern (immerhin die Hälfte der Klassenräume) stehen nur rund 40 Prozent in den Grundschulen, wo ungeimpfte (zuletzt maskenlose) Kinder sitzen. Ergebnis: Die Inzidenz liegt bei bei 866 (5- bis 9-Jährige), 965 (10-14) und 422 (15-19). Schlimm genug, doch was ist nun mit den restlichen Filtern? Behördenstatus: kompliziert. Während die fehlenden 6000, die der Senat auf eigene Kosten beschafft hat, immerhin noch in diesem Jahr ausgeliefert werden sollen (irre!), sind die weiteren 5000 wohl ein Fall für die Bürokratieabbaubehörde: Nachdem Berlin endlich die stickigsten Räume mit Luftfiltern ausgestattet hatte, gab es noch einmal Bundesmittel für 5000 Geräte. Mit ihnen aber durften nur Räume ausgestattet werden, die schlecht zu lüften sind. Die aber, sagt die mit der Ausschreibung betraute Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), hätten zu diesem Zeitpunkt keinen Bedarf mehr gehabt. Es wurde nachverhandelt, weshalb der Immobiliendienstleister den Auftrag zur Beschaffung erst Mitte Oktober erhielt. Aber auch dann war an schnelle Luft nicht zu denken: Die Geräte müssen EU-weit ausgeschrieben werden. Laut BIM geht es dann so weiter: Woche 1: Erstellung von Leistungsverzeichnis und Ausschreibungsunterlagen Woche 2: Platzierung der Ausschreibung „am Markt“ Woche 3: Kalkulation und Angebotserstellung durch Firmen Woche 4: Angebotsprüfung und Vergabe. Na, dann kann’s ja jetzt (Mitte November) endlich losgehen, oder? „Auf die Lieferfristen haben wir wenig Einfluss“, sagt BIM-Sprecherin Johanna Steinke. Entscheidend sei, „ob die Lieferanten trotz des bekannten Materialmangels bereits Geräte vorproduziert und vorrätig haben“. Und dann koste es noch Zeit, die Geräte im Stadtgebiet bei rund 900 Schulen auszuliefern – das sei „eine logistische Herausforderung“. Jetzt alle mal durchpusten: Der nächste Winter kommt bestimmt. | |||
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In den Kitas hingegen können Eltern theoretisch wählen, ob sie ihre Kinder angesichts der hohen Inzidenzen noch hinschicken wollen oder nicht – theoretisch. Denn letztlich, das zeigt der Fall einer Schöneberger Kita, hängt vieles vom Kontostand ab. Als es in einer Gruppe am Mittwoch einen Corona-Fall gab, wurden 36 Kinder in Quarantäne geschickt. Da der letzte Kontakt fünf Tage her war, konnten die Eltern ihre Kinder mit einem PCR-Test freitesten lassen. 13 Kinder waren schon am nächsten Tag wieder da: Ihre Eltern hatten in einem privaten Testzentrum einen Same-Day-PCR-Test machen lassen, Kosten: 75 Euro. Am nächsten Tag kamen jene hinzu, deren Eltern die 49,99-Euro-Variante gewählt hatten, mit Ergebnis am Folgetag. Eine Mutter zahlte 120 Euro für den Bugaboo unter den Corona-Tests: 30 Minuten später konnte sie einen dringenden beruflichen Termin wahrnehmen. Der Rest der Gruppe muss noch warten, bis die sieben Tage vorbei sind, nach denen ein billiger Schnelltest reicht, um die Quarantäne wieder aufzuheben. Die Kita bestätigt: Nach jedem Fall kommen zuerst jene Kinder zurück, die auch im Lockdown immer da waren. Mit zwei berufstätigen Eltern, die ihre Systemrelevanz begründen konnten. Zu Hause bleiben jene, die nicht mal eben 49,99 Euro für einen Corona-Test ausgeben können – zumal es in diesem Winter sicher nicht der letzte war. Ein Anruf der Kitaleitung beim Amt ergibt: Staatliche Kostenübernahme ist in dem Fall ausgeschlossen. Und wieder einmal zeigt sich: Corona trifft am stärksten die Schwächsten. | |||
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Ganz schwach wird einem bekanntlich, wenn man in dieser Stadt einen Termin beim Bürgeramt braucht. Nach monatelangem unmotiviertem Klicken war er plötzlich da: 12.11., 12.12 Uhr. Bis zuletzt vermutete ich eine Guerilla-Aktion des Senats, um Checkpoint-Autorinnen in den Wahnsinn zu treiben. Doch als ich mit dem Fahrrad unsicher suchend die Klosterstraße hinunterfuhr, rief mir schon der freundliche Türsteher entgegen: „Bürgeramt?“ Oh ja! Linker Fahrstuhl, erster Stock, alles neu und doch behördencharmant. Um 12.13 erscheint die Nummer auf dem Bildschirm, Herzklopfen, guten Tag Herr Lange, der Perso ist seit Februar abgelaufen, sorry, Sie wissen ja ... „Kein Problem“, sagt er langsam und begutachtet das mitgebrachte Foto: „Dit ist ja dasselbe wie beim letzten Mal.“ Ja, stimmt schon, aber … sehen Sie jetzt nicht wegen der Maske: Ich hab‘ mich null verändert. Lange, grinsend: „Sie können sich vorstellen, dass das alle sagen?“ Hm, vielleicht. Lange starrt lange aufs Bild, dann die ernüchternden Worte: „Können wir leider nicht machen, das Foto darf nicht älter als sechs Monate sein.“ Schockstarre. Geht jetzt alles von vorn los? Ein innerer Schrei der Entrüstung ist fast schon raus, als er sagt: „Eine Tür weiter, Fotoautomat, lassen Sie Ihre Sachen einfach hier. Ich warte.“ Äh gut, Kleingeld? „Nein, können Sie alles gleich bei mir bezahlen.“ Fünf Minuten später, immer noch gebannt von der Modernität des Augenblicks, sitze ich wieder vor ihm: Der superschicke Automat hat Fingerabdrücke und digitale Unterschrift gleich mitübertragen. Lange grinst wissend: „Macht 43 Euro 50.“ Als die EC-Karte am Gerät liegt, blinkt es auf. „Maximale Anzahl der kontaktlosen Zahlungen erreicht.“ Hoffentlich wird’s bei der Bank genauso schön. | |||
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