|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 22.05.2023 | Überwiegend blauer Himmel bei bis zu 25°C. | ||
+ Neuer Bericht der Datenschutzbeauftragten: Verwaltungen setzen den Zugang zu Informationen „oft nur unzureichend um“ + Wegner will das Gendern abschaffen – oder etwa doch nicht? + Wärmewende scheitert in Berlin an einem Zentimeter + |
von Margarethe Gallersdörfer und Lorenz Maroldt |
|
Guten Morgen, heute ist der Tag der Biodiversität, zu Deutsch: Artenvielfalt! Wir kriechen aus unseren Höhlen, ungekämmt wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Da ertönt eine Durchsage vom Botanischen Garten Berlin: Bitte aufhören mit unkundiger Rumsäerei! „Samenmischungen werden zurzeit überall verschenkt, oft von Unternehmen als Greenwashing“, sagt Thomas Borsch, Direktor und Professor für Systematische Botanik und Pflanzengeographie. „Auf Regio-Saaten achten die natürlich gar nicht.“ So ein Tütchen im eigenen Garten oder auf dem Balkon entleeren – geschenkt. Nur bitte nicht auf der Brache hinterm Haus: „Jahrzehntealte Rasenflächen sehen oft nach nicht viel aus, können aber superwertvoll sein“, sagt Botaniker Borsch. „Im Berlin-Brandenburger Raum werden beispielsweise Reste wertvoller Vegetation mit spezifischen Arten wie Silbergras, Sandstrohblumen, Heidenelke, Frühlingssegge oder Schillergras umgegraben und zerstört und durch Aussaaten ‚insektenfreundlicher Pflanzen‘ ersetzt. Damit verschwinden nicht nur bedrohte Pflanzenarten, sondern auch die selteneren und gefährdeten Insektenarten.“ Wer seinem Garten wirklich helfen will, zum Beispiel, um die schrecklich klingende, aber ansonsten entzückende lila Duft-Skabiose zu retten, sollte kundigen Rat einholen: Bei der Stiftung Naturschutz, dem Botanischen Verein von Berlin und Brandenburg oder im Botanischen Garten – „einfach melden“, rät Professor Borsch. | |||
|
Für Adressabfragen ist Meike Kamp als Berliner Beauftragte für Datenschutz ebenso zuständig wie für die Informationsfreiheit. Deshalb nehmen wir uns hier die Freiheit, im Checkpoint schon mal vorab darüber zu informieren, was in Kamps Jahresbericht 2022 steht (170 Seiten, wird im Laufe des Tages offiziell vorgestellt): + Die gute Nachricht: Es gab 2022 etwas weniger Eingaben und Pannen (was aber vor allem mit dem Vergleich zu den Pandemiejahren zu tun hat). + Verhängt wurden Bußgelder in Höhe von 716.575 Euro bei vier Anordnungen, sieben Warnungen und 269 Verwarnungen gegenüber privaten und öffentlichen Stellen. Ob das folgende Zitat aus dem Bericht eine gute oder schlechte Nachricht ist, entscheiden Sie selbst – es kommt auf die Betonung und die innere Haltung an (ist Ihre Kaffeetasse gerade halbvoll oder halbleer?): „Die Digitalisierung der Berliner Verwaltung nimmt langsam Fahrt auf.“ Oder: „Die Digitalisierung der Berliner Verwaltung nimmt langsam Fahrt auf.“ Besonders interessant sind die Seiten 114 und 115 – hier wird beschrieben, wie Angehörige der Polizei aus privaten Gründen die Datenbanken ihrer Behörde anzapfen, um sich illegal Informationen über Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde sowie Nachbarn zu beschaffen. Private Anfragen in dienstlichen Datenbanken stellte Kamps Behörde auch in Jobcentern sowie Landes- und Bezirksämtern fest. Verwarnt wurde auch eine Partei, die gegen Datenschutzbestimmungen verstieß. Da hat die Digitalisierung also eher schnell Fahrt aufgenommen. Nachträglich teuer könnte der Bundestagswahlkampf für den CDU-Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf werden: Wegen verschiedener Datenschutzverstöße bei personalisierter Testimonial-Werbung für einen Kandidaten prüft die Behörde „derzeit die Verhängung eines Bußgelds“. Entsprechenden Ärger hatte es im Zusammenhang mit der Kampagne des Abgeordneten Thomas Heilmann gegeben (hier nachzulesen) – Name der Partei und des Kandidaten werden im Bericht nicht genannt. Was nicht Schule machen sollte: die Schule. Lapidar stellt der Bericht fest, dass hier „in weiten Teilen Stillstand“ herrscht: „Die Bildungsverwaltung holte die angebotene Beratung zu vielen datenschutzrechtlichen Themen entweder nicht ein oder nahm die Empfehlungen nicht auf.“ Und ein Totalausfall ist in Berlin das Transparenzgesetz – die Aufsichtsbehörde stellt hierfür fest: „letztendlich erneut gescheitert“. Den Zugang zu amtlichen Informationen „setzen die Verwaltungen oft nur unzureichend um“ (S. 142). Wie gut, dass es da den Checkpoint gibt, der oft mehr weiß und verrät, als es der Politik recht ist. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
„Aufgrund des § 231 Absatz 4 SGB IX wird der Vomhundertsatz für die Erstattung der Fahrgeldausfälle, die durch die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr im Land Berlin entstehen, für das Kalenderjahr 2022 auf 3,78 vom Hundert der in diesem Zeitraum nachgewiesenen Einnahmen festgesetzt“, heißt es im aktuellen Amtsblatt. (Regieanweisung: An dieser Stelle bitte ein Vuvuzela-Geräusch einspielen).Klarer Fall – das ist was für unseren Kurs Mathe mit dem Checkpoint! Frage 1: Wie nennen wir im Alltag den unschönen deutschen „Vomhundertsatz“? Frage 2: Umsatzerlös der BVG für das Kalenderjahr 2022 waren 1.330.348.000 Euro. Wie viel müsste der Senat auf dieser Grundlage erstatten? Ihre Antworten mit Lösungsweg reichen Sie bitte unter checkpoint@tagesspiegel.de ein. Zu gewinnen gibt es einen Einzelfahrschein (Tarifbereich AB) mit Originalautogramm von BVG-Chef Henrik Falk. | |||
|
Bleiben wir noch einen Moment bei unserer Matheaufgabe – ist Ihnen da etwas aufgefallen? Nein? Ok, Auflösung: Sie war nicht ganz leicht zu verstehen, obwohl hier kein einziger Genderstern den Lese- und Gedankenfluss unterbrach. Warum das bemerkenswert ist? Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner hat in der „Bild am Sonntag“ dazu Folgendes gesagt: „Ich habe noch keinen Brief in Gendersprache unterschrieben. Mir ist wichtig, dass die Sprache der Verwaltung verständlich ist. Jeder kann privat sprechen, wie er möchte. Aber ich möchte gern das Deutsch sprechen, das ich in der Schule gelernt habe und das alle verstehen. Wir erwarten ja auch von Menschen, die nach Deutschland kommen, dass sie Deutsch lernen, und gerade die Behörden sollten es ihnen nicht unnötig schwer machen.“ Die dpa machte daraus eine Meldung, die der RBB so interpretierte: „Kai Wegner hat angekündigt, dass es in der Verwaltung künftig keine Gendersprache mehr geben wird.“ Auch der „Spiegel“ folgerte flugs: „Berliner Verwaltung verzichtet künftig auf Gendersprache“. Tatsächlich aber entspricht der Interviewsatz dem Motto des neuen Senats, so wie es Klaus Wowereit vorgegeben hat und wie es Kai Wegner ausdrücklich gefällt, nämlich: „schwarz, aber schillernd“. Also dunkel raunend und nicht ganz klar. Um die Aufregung, die aufs Stichwort „Gendern“ auch am heiligen Sonntag verlässlich ausbrach, zu rechtfertigen (auch Franziska Giffey stimmte ein), fehlt aber das Entscheidende: eine echte Ankündigung, dass es in der Berliner Verwaltung künftig keine Gendersprache mehr geben wird. Dem Tagesspiegel sagte Wegner gestern dann auch: „Mir geht es nicht um Verbote. Es wird auch keine Rückabwicklung in der Berliner Verwaltung geben.“ Na, mal abwarten, was der Rat der Bürger*innenmeister*innen dazu sagt. | |||
|
| |||
| |||
|
Und was sagt Wegner zur „Letzten Generation“? Wird es, wie in Brandenburg erwogen, auch in Berlin eine Einstufung als „terroristische Vereinigung“ geben? Der Regiermeister spricht in seinem „BamS“-Interview zwar lediglich davon, „Berlin aus der Geiselhaft dieser Chaoten zu befreien“ – mithilfe der Staatsanwaltschaft vor Ort, schnelleren Urteilen und fünf Tagen „Unterbindungsgewahrsam“. Aber Justizsenatorin Felor Badenberg ist schon einen Schritt weiter: Sie kündigte an, „alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, und dazu gehört eben auch die Frage, ob es sich bei der Letzten Generation um eine ‚kriminelle Vereinigung‘ handelt.“ Aber würde die Justizsenatorin dann die Staatsanwaltschaft auch anweisen, gegen die „Letzte Generation“ wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln? Wir haben sie gefragt, ihre Verwaltung übernimmt die Antwort – und weicht aus: „Die Senatorin hat ihr Haus um Prüfung der Rechtsfrage gebeten. Alle Entscheidungen zum weiteren Vorgehen werden nach Abschluss der Prüfung erfolgen.“ Besser ist das. Warum eine direkte Anweisung ein Fauxpas wäre, erklärt hier unser Innenexperte Alexander Fröhlich. | |||
|
Falls Sie schon eine Vermisstenmeldung aufgeben wollten: „Den/die echte/n Berliner/in“ gibt’s noch - und zwar das Original mit dem goldenen Herzen. Ein solches Wesen tatsächlich noch kennengelernt hat vergangene Woche eine 87-jährige Checkpoint-Leserin: „Bei Lidl, Lichterfelde-Ost, kaufte ich ein und der Wagen war randvoll, das Portemonnaie zu meinem Entsetzen leer, die Einkaufssumme hoch (52 Euro). Ich war fassungs- und ratlos, war ich doch 40 Minuten gelaufen, um einzukaufen. Die Dame, die nach mir an der Kasse anstand, und die mit mir schon ein paar freundliche Worte gewechselt hatte, war dann Herrin und Heldin der Situation, reichte mir einen 50 Euro-Schein und sagte mir: ,Den schenke ich Ihnen’. Jeden Versuch, ihren Namen und die Adresse zwecks Rückgabe zu erfahren, lehnte sie ab und wiederholte immer wieder dieses ,Den schenke ich Ihnen’. Mir blieb also nichts, als in tiefster Dankbarkeit dieses Geschenk anzunehmen, von dem ich wenigstens das möchte, daß es publik werde.“ Hiermit geschehen – wenn sich da mal nicht gleich zwei Goldherzen begegnet sind… | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|