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Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 17.10.2022 | Lockere Bewölkung bei molligen Höchsttemperaturen um 23°C. | ||
+ Neuwahlen: Plakat-Wahlkampf beginnt Heiligabend + Neu feiern: Berühmtes US-Kreativfestival kommt nach Berlin + Neukölln: Rapper Ali Buyame beleidigt Gesundheitsstadträtin Blumenthal + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, Heiligabend wird in diesem Jahr für die Parteien alles andere als eine stille Nacht – und schuld daran ist das Verfassungsgericht. Denn aus dem symbolhaften Verkündungstermin des Wahlwiederholungs-Urteils am 16.11.22 (Buß- und Bettag) ergibt sich ein Wahltermin am 12.2.23 („Die Wiederholungswahl muss spätestens 90 Tage nach der Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren stattfinden“, § 21 (2) WahlG BE) – und Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat bereits angekündigt, die Frist ausschöpfen zu wollen. Quizfrage: Was gehört zu einer Wahl wie Kerzen auf den Weihnachtsbaum? Richtig, Plakate. So, und dazu schauen wir jetzt mal ins Berliner Straßengesetz, § 11 (2a): „Werbeanlagen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Wahlen (…) stehen, sind ausschließlich für einen Zeitraum von sieben Wochen vor (…) dem Wahl- oder Abstimmungstag zu erlauben.“ Ok, und jetzt drehen wir die Uhr wieder zurück, und zwar um exakt sieben Wochen vom 12.2.23 an berechnet – und wo landen wir da? Sie ahnen es sicher schon: In der Heiligen Nacht. Uns in Berlin ist eben nichts so richtig heilig. Wer Wahlkämpfe kennt, weiß, wie wichtig die ersten Stunden sind, denn wer zuerst hängt, steht oder klebt, hängt, steht oder klebt am besten. Spätstarter finden allenfalls einen Platz in der zweiten Reihe oder am Ende der Laternenstange. Das nenne ich mal eine schöne Bescherung: Anstatt zur Mitternachtsmesse in die Kirche zu pilgern oder sich selig dem Völlegefühl zu ergeben, ziehen die Kandidierenden mit Kleistereimer und Klappleiter rastlos durch die Stadt wie einst Maria und Josef, stets auf der Suche nach einer freien Stelle (bzw. einem freien Stall). Geht das nicht doch noch anders? Mal sehen… + Auf eine unverbindliche Vereinbarung, erst zwei Tage später zu beginnen, wird sich keine Partei verlassen wollen – das hat noch nie funktioniert. + Die 90-Tage-Frist exakt bis zum 14.2.23 auszureizen, würde eine Wahl am Dienstag bedeuten – aber wer will schon am Tag des heiligen Valentin wählen? + Vielleicht hilft eine Feiertagsauslegung des Straßengesetzes… aber das hat der Spandauer Stadtrat Thorsten Schatz schon prüfen lassen – die Juristen sagen: keine Chance. + Das Plakatieren genehmigen müssen die Verkehrsstadträte. Könnten die nicht vielleicht ein bisschen… na ja, die Bearbeitung ein bisschen berlintypisch verzögern? Ach, besser nicht. + So bleibt noch die Möglichkeit einer Gesetzesänderung. Aber da müsste sich das Abgeordnetenhaus ziemlich beeilen – und weitgehend einig werden. Zudem kommt das nach dem bisherigen Pannenfestival sicher nicht gut an, wenn sich die Politik zur nächsten Wahl das Gesetz passend schnitzt. + Was noch? CDU-Stadtrat Schatz setzt auf einen „Weihnachtsfrieden“ – und wann, wenn nicht in dieser Zeit, darf man mal auf ein Wunder hoffen? Das größte Wunder wäre allerdings, würden die Parteien auf die übliche Materialschlacht verzichten und das Ersparte an jene weiterreichen, die es nötiger haben. Das Wort „Wahlkampfspende“ bekäme eine ganz neue Bedeutung, die Parteien könnten an Ansehen gewinnen – und Berlin wäre mal wieder vorbildlich. | |||
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Ob das Gericht tatsächlich komplett neu wählen lässt, steht noch nicht fest. Selbst in den Parteien, die Widerspruch eingelegt hatten, ist Verwunderung über die weitreichende Vorfestlegung zu hören. Und auch in der Linkspartei rumort es – aus politischen Gründen (miese Umfragewerte), aber auch aus rechtlichen. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel (hier zu lesen) argumentieren Antonio Leonhardt und Moheb Shafaqyar, beide Juristen und Bezirkspolitiker, warum sie eine vollständige Wahlwiederholung für unbegründet halten: „Dabei missachtet das Gericht eine Vielzahl an Wahlprüfungsgrundsätzen. Sollte es an dieser Einschätzung festhalten, würde es die chaotischen Verhältnisse in Berlin fortsetzen und selbst zum Teil des staatsorganisatorischen Problems werden.“ Tja, wenn es das nicht wegen der nachweislich falschen Dienstlichen Erklärung von Präsidentin Ludgera Selting im Zusammenhang mit einem Befangenheitsantrag (CP v. 28.9., hier im Detail und zum wörtlichen Vergleich nachzulesen) längst schon ist. | |||
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Übrigens: Mit welchen Slogans das Rathaus-Trio Betti, Klausi und Franzi die Berlinerinnen und Berliner von der Briefwahl überzeugen will, um ein neues Präsenzchaos zu vermeiden, hat Naomi Fearn für die „Berliner Schnuppen“aufgezeichnet – das Ergebnis können Sie mit einem Abo weiter unten ja mal auf sich wirken lassen. | |||
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Das „South by Southwest“-Festival in Texas ist eine der weltweit größten Veranstaltungen für Musik, Filme und Technologie – na klar, sowas brauchen wir hier auch! Und tatsächlich: Eher unscheinbar findet sich in den Haushaltsausschuss-Dokumenten in Kapitel 1320, Titel 68317, Punkt 6 unter der Bezeichnung „Leuchtturmveranstaltungen und Netzwerke der Kreativwirtschaft“ die geplante Ausgabe von 3,5 Millionen Euro an den Springer-Verlag und die Penske Media Group, „um ein mehrtägiges Kreativfestival in Berlin aufzubauen“. Und was macht die Penske Media Group sonst so? Mal schauen… na sowas: Sie ist Mehrheitseigentümer von „South by Southwest“. Vom nächsten Sommer an soll das Festival jährlich in Berlin stattfinden – mit zunächst 170 Konzerten und Clubevents, vier Kongressen zu den Themen Musik, Medien, Technologie und Start-ups plus 30 temporären Kunstinstallationen im öffentlichen Raum geben. „Die Events sind in einem Radius von rund fünf Kilometern geplant, um kurze Wege zu den einzelnen Veranstaltungsorten zu gewährleisten“, heißt es in der Vorlage der Wirtschaftsverwaltung, aber: „Der endgültige Name des Festivals steht noch nicht fest.“ South by Southwest wird es wohl nicht heißen – mit den Namensrechten würde es für den Senat noch teuer (zusätzlich eine zweistellige Millionensumme). „Internationale Strahlkraft“ soll das Festival entfalten, ok – aber gibt’s in Berlin nicht genug Power und Knowhow, um so ein Festival auch allein aufziehen? Tja… Immerhin ist von einer „Zusammenarbeit mit den Netzwerken und Vereinen der Berliner Kreativwirtschaft“ die Rede (Vorgespräche mit der „Club Commission“ soll es schon gegeben haben) – die Förderung geht jedoch erstmal an Springer und Penske, vier Jahre lang, ohne Ausschreibung: Die 3,5 Millionen sind nur der Anfang für 2023. | |||
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Die Uckermark ist schon weitgehend von Hauptstädtern besetzt – aber jetzt will CDU-Chef Kai Wegner auch gleich noch einen 13. Berliner Bezirk auf Brandenburger Grund und Boden errichten: „Vielleicht im Norden zwischen Pankow, Buch, Bernau und Oranienburg. Vielleicht im Westen zwischen Spandau, Zehlendorf, Potsdam und Falkensee oder im Süden zwischen Lichtenrade, Rudow und Rangsdorf“, heißt es in einem Fraktionsbeschluss, mit dem der Bau von 60.000 Wohnungen am Stadtrand und darüber hinaus vorangetrieben werden soll. Kurzer Blick auf den Kalender: Nein, es nicht der 1. April… … und die Brandenburger scheinen sich auch nicht so leicht ergeben zu wollen: „Es schütze uns des Kaisers Hand vor Groß-Berlin und Zweckverband“, trotzte der Bernauer Landtagsabgeordnete Péter Vida dem Vorstoß, und Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, reagierte sogar mit einem Gegenangriff: „Wovon spricht dieser Mann? Also wenn Herr Wegner von der CDU unbedingt will, können wir aus seinem Berliner Wahl- einen neuen brandenburgischen Landkreis machen. Und den nennen wir dann Zukunftsburg in Brandenburg. | |||
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Also, bei aller Liebe: Spandau bei Berlin geben wir nicht her! Und Brandenburg brauchen wir auch nicht. Ruft lieber Mallorca zum 17. deutschen Bundesland aus. Und ansonsten haben wir auch schon genug damit zu tun, unsere 12 Bezirke halbwegs am Laufen zu halten. In Reinickendorf schaffen wir es ja nicht mal mehr, regelmäßige BVV-Sitzungen zu organisieren (ist in Spandau übrigens auch schon passiert). Und in Mitte… ach herrje, Mitte – hier eine Mail des Bezirksamts Mitte mit dem Betreff „Automatische Antwort“: „Sehr geehrte Damen und Herren, leider kommt es aufgrund der Arbeits- und Personalsituation derzeit zu erheblichen Einschränkungen im Leistungsangebot der Personalstelle für Tarifbeschäftigte. Vorrangig können daher aktuell nur zahlungsrelevante Arbeitsvorgänge sowie Neueinstellungen und Weiterbeschäftigungen bearbeitet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Erreichbarkeit stark vermindert; es können leider keine Anrufe entgegengenommen werden. Bei der Beantwortung von E-Mails wird es zu teils erheblichen Verzögerungen kommen, gleiches gilt für schriftlich eingereichte Anfragen und Anträge aller Art. Wir bedauern diese Maßnahmen und bitten um Ihr Verständnis! Mit freundlichen Grüßen, Ihr Personalservice.“ | |||
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Nochmal kurz zurück nach Reinickendorf: Der Checkpoint hatte um ein Interview mit Bürgermeister Uwe Brockhausen gebeten, um zu klären, warum niemand etwas gegen den „Personalmangel im BVV-Büro“ unternimmt, der zum Ausfall der gewählten Vertretung von 270.000 Menschen führt (zwei Mitarbeiterinnen hatten fristgerecht gekündigt, die Büroleiterin befindet sich in Kur, die angelernte Vertreterin ist krank, und außer einem Azubi und einer Teilzeitkraft ist niemand mehr da). In der Antwort heißt es, „dass Herr Brockhausen Ihnen gern ab 07.11.22 zur Verfügung steht. Aus terminlichen Gründen ist es leider nicht früher möglich“. Es kommentiert Jelisaweta Kamm, Vorsitzende des Rats der Vorsteherinnen und Vorsteher: „Eine Sitzung der BVV absagen zu müssen, ist sehr bitter und gefährdet letztendlich unsere Demokratie. Wir haben ein systematisches Problem in der Berliner Verwaltung.“ Es sagt jedenfalls viel aus über die politische Kultur in Berlin, dass die Regierenden nach der Absage einer Bezirksversammlung achselzuckend zur Tagesordnung übergehen, anstatt sofort alles daran zu setzen, dass wenigstens die demokratischen Mindeststandards in dieser Stadt aufrecht erhalten bleiben – zumal nach einer so fahrlässig verschlampten Wahl wie der von 2021. Die fatalistische Haltung offenbart vor allem eines: Respektlosigkeit vor dem Beteiligungswillen der Bürgerinnen und Bürger Berlins. | |||
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Wird’s nun im Advent zwei verkaufsoffene Sonntage geben oder nicht? Die Rechtslage für eine Genehmigung ist schwieriger geworden – die Lage der Berliner Einzelhändler aber auch. Nach Checkpoint-Informationen sollen die Staatssekretäre der beteiligten Verwaltungen heute Vormittag eine Lösung vereinbaren. Und was meinen Sie? | |||
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