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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 30.05.2022 | Teils bewölkt bei milden 16°C. | ||
+ Wohnen in Berlin: Giffey will Miethöhe am Einkommen bemessen + Sicherheitsdienst auf dem Tempelhofer Feld unterbezahlt + Justiz arbeitet mit alten und gefährdeten Programmen + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, auch den ersten Tag dieser neuen Woche beginnen wir mit einem Blick auf die Ereignisse der vergangenen Stunden im Krieg Russlands gegen die Ukraine: +++ Seit Kriegsbeginn sind von Vermögen russischer Oligarchen auf deutschen Konten inzwischen fast 143 Millionen Euro eingefroren worden. Das berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Angaben des Bundesfinanzministeriums. +++ Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Einnahme des ostukrainischen Donbass als „bedingungslose Priorität“ bezeichnet. Noch zu Beginn des Angriffskrieges am 24. Februar hatte Russlands Präsident Wladimir Putin versichert, dass Moskau die ukrainischen Gebiete nicht besetzen wolle, sondern prüfen werde, wie die Menschen reagieren. +++ Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck befürwortet Waffenlieferungen an die Ukraine – und Gespräche mit Putin. Wichtig sei allerdings, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Das habe sich auch „im Kalten Krieg als richtig erwiesen.“ Und damit zu den Meldungen aus Berlin: | |||
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„Dit könnte jehn“ lautet die Dauerparole, die Naomi Fearn unserer Regiermeisterin für die „Berliner Schnuppen“ ins Checkpoint-Rathauszimmer gezeichnet hat. Aber wie könnte gehen, was Franziska Giffey jetzt im Tagesspiegel-Interview vorgeschlagen hat? Schauen wir erst nochmal darauf, was genau sie sagte: + „Stellen Sie sichvor, dass niemand in Berlin mehr als 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen muss. Das wäre fair und eine nachvollziehbare Lösung für alle. Denn was eine leistbare Miete ist, unterscheidet sich – je nachdem, ob eine Verkäuferin, eine Zahnärztin oder die Regierende Bürgermeisterin eine Wohnung mietet. Wenn die 30 Prozent als Maximum für jeden gelten, wäre das eine sehr gerechte Lösung.“ + „Jeder kann dann prüfen: Ist meine Miete höher als 30 Prozent meines Einkommens? Wenn ja, muss es ein geregeltes Verfahren geben, zum Beispiel eine öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe der Überschreitung feststellt und Mieterinnen und Mieter dabei unterstützt, dagegen vorzugehen.“ + „Die 30-Prozent-Belastungsgrenze würde das Problem anders angehen als der Mietendeckel es getan hat. Denn der führte dazu, dass auch wohlhabende Mieter einer Wohnung beispielsweise am Ku’damm von der Absenkung der Miete profitierten. Das war nicht gerecht. Wir brauchen einen anderen Weg: Entlastungen müssen an die jeweilige Einkommenssituation gekoppelt sein.“ Während Giffey am Wochenende mit einer Steppjacke bekleidet und dem Tagesspiegel in der Hand lächelnd dem feuchtkühlen Wetter trotzte und ihr eigenes Interview gemütlich auf dem Schaukelstuhl im Blumengarten sitzend noch ein zweites Mal genoss (hier zu sehen), waren Freund und Feind schon damit beschäftigt, ihre „Gute-Mieten-Gesetz“-Idee zu zerpflücken. + Sebastian Czaja warnt vor einem „bürokratischen Monster“, das nur Verlierer produziere – an Mieter mit geringem Einkommen würden dann „nur noch staatliche Akteure vermieten“, sagte der FDP-Fraktionschef. + Klaus Lederer nennt den Vorschlag „unrealistisch“ – ein Verfahren zur Prüfung von zehntausenden Mietverhältnissen sei nicht praktikabel, sagte der Bürgermeister und Kultursenator von der Linkspartei. Ein paar Detailfragen wären da tatsächlich noch zu klären: Wie sollen künftig Soloselbstständige, Jungfamilien und Fastrentner überhaupt noch die Chance auf den Zuschlag für eine freie Wohnung bekommen – oder anders gefragt: Welcher Vermieter ist wagemutig genug, sich auf so ein Risiko einzulassen? Was passiert, wenn das Einkommen von Mietern stark schwankt? Welche Befugnisse bekommt die Mietpreisprüfstelle – und wie groß muss die sein? Wie viele zusätzliche Stellen braucht die Justiz, um die erwartbare Flut der Verfahren zu regeln? Gibt es einen Härtefallfonds für Kleinvermieter? Was ist mit WGs und Untermietern? Und warum sollte eine Berliner 30%-Regel nicht genauso an der Bundeszuständigkeit scheitern wie der Mietendeckel? Und so lautet die vorläufige Blitzbilanz: Dit könnte in die Hose jehn. | |||
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Falls es auf dem Amt heute mal wieder etwas länger dauert: Es liegt sicher nicht am „Gieß-eine-Blume-Tag“ (die Büropflanzenpflege findet aufrufunabhängig täglich zwischen 9 und 17 Uhr statt), sondern am Dauerevent „Behördenpingpong“ – und der Checkpoint-Klassiker gehört jetzt doch tatsächlich zum offiziellen Sprachgebrauch des Senats, wie Staatssekretär Ralf Kleindiek in der „Abendschau“ offenbarte (hier bei 3:57). Der Senatsverwalter hatte auch gleich einen sensationellen Verbesserungsvorschlag mitgebracht: „Ich plädiere dafür, dass wir zunächst mal machen, was in unserem Gesetz steht.“ Wow, jetzt schon? Das Gesetz, auf das Kleindiek anspielt („federführend“, „in einem Schritt“), ist doch erst seit einem Vierteljahrhundert in Kraft! Da ist für diejenigen, die sich daran freiwillig halten, sicher noch ein Frühbucherrabatt drin. Für alle anderen politischen Mitspieler beim Behördenpingpong hier nochmal die Regeln, festgehalten im „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz“, § 3 (4), beschlossen vom Abgeordnetenhaus, in der aktuellen Fassung vom 22. Juli 1996 (bitte ausschneiden, vervielfältigen, verfaxen und auf alle Berliner Behördenmonitore kleben): „Sind mehrere Verwaltungsstellen zuständig, so wirken sie zügig und erfolggerichtet zusammen. Die federführende Verwaltungsstelle holt die Mitentscheidungen der anderen regelmäßig in einem Zuge ein, also in gemeinsamem Gespräch und nicht schriftlich nacheinander.“ Dazu auch der Checkpoint-Geheimtipp für Neuberliner: Sollten Sie hier mal Ärger mit der Polizei bekommen, benutzen Sie den internen Freispielcode: „Ich plädiere dafür, dass ich demnächst mal mache, was in unserem Gesetz steht.“ | |||
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Apropos Behördenpingpong: Für absolut ahnungslos erklärt sich der Bezirk Neukölln in Bezug aufs Tempelhofer Feld. Der Verordnete Ludwig Lindner hatte 7 Fragen u.a. zur landeseigenen Betreiberfirma „Grün Berlin“, zu Eingriffsmöglichkeiten des Bezirks und der Bezahlung des Sicherheitsdienstes gestellt (KA/072/XXI) – die Antwort von Stadtrat Jochen Biedermann: „Die erfragten Sachverhalte entziehen sich in Gänze der Kenntnis des Bezirksamtes.“ Hm, vielleicht hätte der Stadtrat das mal besser weitergeleitet an seinen Bürgermeister Martin Hikel – der ist nämlich Mitglied des „Grün Berlin“-Aufsichtsrats (und sollte sowas wissen). Biedermann empfahl dem Verordneten Lindner stattdessen, sich „bitte direkt an Ihre Fraktion im Abgeordnetenhaus“ für eine Anfrage an den Senat zu wenden. Um das Verfahren abzukürzen, haben wir das mal übernommen – und eine ausführliche Antwort erhalten. Darin weist der Senat auf regelmäßige „enge Abstimmungen“ mit dem ahnungslosen Bezirksamt hin. Kernpunkt zum Lohn für den Sicherheitsdienst: „Der noch bis 2024 laufende Dienstleistungsvertrag zwischen der Grün Berlin und der Firma Dussmann wurde im Jahr 2019 mit einem Vergabemindestlohn von 9,19 EUR geschlossen.“ Bei neuen Verträgen im Auftrag des Landes Berlin beträgt der Mindestlohn inzwischen 12,50 Euro (und demnächst 13 Euro) – wie viel Dussmann zahlt, ist unklar: Das Unternehmen konnte (oder wollte) diese einfache Frage auch nach eine Woche noch nicht beantworten. | |||
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