‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ 
Newsletter im Browser öffnen
alt_text

Liebe/r Leser/in,

vergangene Woche schlugen Justiz und Polizei bundesweit bei den sogenannten Reichsbürgern zu, die in ihrem Kampf gegen unseren Staat möglicherweise auch nicht vor Waffengewalt zurückschrecken. In dieser Woche gab es Durchsuchungen bei Mitgliedern der Bewegung „Letzte Generation“ auch wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Wirklich beunruhigend ist für mich nicht ein Prinz in Cordhosen, der davon träumt, die Demokratie zu beseitigen und Deutschland wieder zu einer Monarchie zu machen. Und auch die jungen Menschen, die glauben, etwas für das Weltklima zu tun, wenn sie den Verkehr behindern, indem sie sich auf Straßen oder Start­bahnen kleben, ärgern mich mehr, als dass sie mich ängstigen.

Wirklich beunruhigend ist am Ende dieses Jahres aus meiner Sicht etwas anderes: Der fortschreitende Prozess der Zerfaserung unserer Gesellschaft in immer kleinere und immer radikalere Gruppen, die keinen gemeinsamen Nenner mehr finden. Was verbindet Klima-Kleber, militante Monarchie-Träumer und Impfgegner außer der Überzeugung, dass für sie Gesetze und Regeln aufgrund ihrer vermeintlich höheren Einsicht oder höheren Ziele nicht gelten? Die leben zwar im selben Staat, aber in völlig unterschiedlichen Welten. Motto: Wer nicht dasselbe denkt wie ich, ist mein Feind und darf bekämpft werden.

Doch das Phänomen der Radikalisierung ist nicht auf politische Gruppierungen beschränkt, es hat längst die Ebene des Einzelnen erreicht, eindrucksvoll dokumentiert in den sozialen Medien. Twitter ist da die härteste globale Arena der verbalen Verrohung, aber mehr Aufmerksamkeit durch gnadenlose Übertreibungen erreicht man auch in anderen „sozialen“ Medien. Da präsentieren sich viele als Scharfrichter verbunden mit einer Selbstgewissheit, die sich vor dem Unfehlbarkeits-Dogma der Päpste nicht verstecken muss.

Solches Denken, dessen bevorzugte Ausdrucksform die Unterstellung ist, zerstört auch den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Gesellschaft ebenso wie im Privaten. Beispiel: Vor einem Jahr konnten Impfgegner und -befürworter manchmal nicht einmal mehr gemeinsam Weihnachten feiern. Familien und Freundeskreise sind zerbrochen. Hinzu kommen Spaltungstendenzen aus objektiven Gründen, wie die ungleiche Verteilung von Wohlstand im Osten und Westen des Landes, aber auch generell in der Gesellschaft wie zwischen Alt und Jung, Land und Stadt oder Arm und Reich.

Deshalb hat für mich die wichtigste Rede dieses Jahres nicht Kanzler Olaf Scholz gehalten – Stichwort Zeitenwende, drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine –, sondern Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 28. Oktober bei einer Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung. Der Leitgedanke des Staatsoberhaupts lautete: „Alles stärken, was uns verbindet“. Er analysierte zunächst die Zeitenwende auf seine, auf sehr umfassende Weise. Wie aus einem Land mit dem Rückenwind der Wiedervereinigung, wirtschaftlichem Erfolg und einer anerkannten Führungsrolle ein Land im heftigen Gegenwind wurde.

Ich gehörte zu den Gästen der Veranstaltung im Berliner Schloss Bellevue, und mein Gefühl war, dass sich der Präsident ungeachtet des Optimismus, zu dem ihn sein Amt verpflichtet, nicht ganz sicher ist, ob Deutschland dem Gegenwind standhält. Doch beeindruckt hat mich, dass der Bundespräsident unser Augenmerk nicht in erster Linie auf den Wehr- und den Sozialetat oder auf die Energiewende richten wollte, sondern auf den menschlichen Faktor. Wörtlich schrieb er der Nation ins Stammbuch: „Ich wünsche mir, dass wir uns bei all den Mühen nicht aus den Augen verlieren, dass wir unsere Kraft jetzt nicht im täglichen Gegeneinander vergeuden. Wenn wir zusammenhalten, wenn wir Mut und Ehrgeiz beweisen, dann bin ich mir sicher: Wir werden dieser Aufgabe gewachsen sein.“ 2023 hat wegen der gewaltigen Herausforderungen, vor die uns der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für unser Land – Energiekrise, Flüchtlingskrise, Wirtschaftskrise sind dafür die Stichworte – stellen werden, das Potenzial für ein Super-Streitjahr.

Ich habe Steinmeiers Rede deshalb als Appell verstanden, angesichts der schwierigen Corona-Jahre, die hinter uns liegen, und der vielleicht noch schwierigeren Krisenjahre, die noch kommen, achtsamer miteinander umzugehen. Streit ist doch nur produktiv, solange er sich verbindet mit der Neugier auf die Argumente des anderen. Wir müssen weg von der Unkultur der Verabsolutierung der eigenen Meinung, der immer weiteren Radikalisierung unserer Kommunika­tion. Vielleicht entscheidet das über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands mehr als die Höhe von Hilfspaketen und Preisbremsen. Nicht Besserwisserei ist im Gegenwind gefragt, sondern der Wille zum Bessermachen, zum Anpacken. Und weil das so ist, sollten sich Politik und Gesellschaft im kommenden Jahr intensiv mit dem Vorschlag des Bundespräsidenten für die Einführung einer sozialen Pflichtzeit einsetzen. Steinmeier begründet sie so: „Demokratie geht nicht ohne Zusammenhalt. Zusammenhalt entsteht nicht von selbst. Er muss auch eingeübt werden. Er ist das Ergebnis von Menschen, von Empathie, von Verantwortung, von Nächstenliebe.“

Diese Debatte werde hoffentlich „nicht wieder im Nichts enden“, fügte Steinmeier hinzu. Ich kann Ihnen versichern: Soweit es mich betrifft, wird das nicht geschehen! Denn es geht es um die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Wir haben uns alle ein bisschen Frieden verdient.

Herzlich Ihr

alt_text

Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

Anzeige

Geschenkidee

  

Geschenkidee

Testsieger-Röstungen

Kommen Sie mit uns in Weihnachtsstimmung – mit prämierten Kaffees und zwei edlen Kaffeegläsern im Set! Ideal zum Ausprobieren oder als Geschenkidee! Sichern Sie sich das Probierpaket für nur 39,50€!

Empfehlungen zum Wochenende

alt_text

Sport

Der Messias von Katar

Die Fußballwelt erwartet von ihm den WM-Titel. Lionel Messi würde dann endlich aus dem großen Schatten Maradonas treten.

Lesen

alt_text

tipp

Patti Smith: „Das Buch der Tage“

Sie ist Sängerin, Dichterin, Malerin – und, ja, auch Fotografin. 2018 fing Smith an, ihre alltägliche Stimmungslage auf Instagram zu dokumentieren. Der Band versammelt die schönsten dieser Momentaufnahmen. (KiWi)

Sehen

alt_text

Tipp

„Die Wespe, Staffel 2“

Als wir Dart-Legende Eddie Frotzke (Florian Lukas) zuletzt erlebten, saß er unglücklicherweise im Knast. In Staffel 2 wird Frotzke zwar frühzeitig entlassen, hat aber ein Dart-Verbot bis Bewährungsende zu erdulden. Gemein! (Sky)

Hören

alt_text

Tipp

Tom Petty & The Heartbreakers: „Live at the Fillmore, 1997“

Im Januar und Februar 1997 gab Petty im Fillmore in San Francisco ein Gastspiel von 20 Konzerten, bei denen er so viele eigene und auch gecoverte Lieder spielte, dass davon nun die 72 besten auf vier CDs oder sechs LPs als Mitschnitt erschienen sind.

Empfehlung

alt_text

Auch als Newsletter erhältlich

Die Fleischhauer-Kolumne

Lesen Sie jeden Freitagnachmittag die Kolumne „Der schwarze Kanal“ von Jan Fleischhauer schon vor dem Erscheinen im Magazin. 

 

Mehr vom FOCUS

alt_text

Das aktuelle Heft

Hier geht es zum FOCUS-Magazin

Ganz einfach als PDF herunterladen oder in der App auf Ihrem Tablet oder Smartphone lesen.

alt_text

Empfehlung

6 Monate FOCUS lesen

Fakten statt Fake News: Lesen Sie jetzt 26x FOCUS pünktlich und versandkostenfrei für nur 127,40 Euro. Und das Beste: Als Dankeschön erhalten Sie einen 100 Euro Scheck gratis dazu.

Besuchen Sie unsere Social Media Kanäle

alt_text alt_text alt_text alt_text alt_text
alt_text

Wo sind die Bitcoin-Milliarden? Der neue FOCUS Podcast

Ein unfassbarer Bankraub von fast 750.000 verloren gegangenen Bitcoins!
Ein rätselhafter Fall rund um die größte Kryptobörse Japans, Mt.Gox. Wer hat die Bitcoins gestohlen und wo sind sie jetzt? Ein realer Kriminalfall, mitreißend und spektakulär.

Tauchen Sie mit FOCUS-Reporter Thilo Mischke und seinem Team ein in die Kryptowelt und erfahren Sie die Hintergründe über die Entstehung von Bitcoin, dem Unternehmen Mt.Gox und dessen Bankrott. Verfolgen Sie die Fährten von Manipulation im US-Wahlkampf 2016 und zur möglichen Involviertheit einer Hackergruppe aus prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Der sechsteilige Podcast mit 30–45 Minuten langen Folgen ist eine spannende Mischung aus Reportage- und Interview-Elementen, die einen nicht loslässt.

Ab sofort auf Ihrer Podcast-Plattform verfügbar!

https://mailings.focus-magazin.de/go/z9f7e7ptumjceqeidplkgoxb9r1300p8ozesgks0c4ky/4000034