Daniel Pipes

Bibi als Premierminister? Nein, als Präsident!

von Daniel Pipes
Newsweek
29. Dezember 2020

http://de.danielpipes.org/20114/bibi-als-premierminister-nein-als-praesident

Englischer Originaltext: Bibi for Prime Minister? No, For President
Übersetzung: H. Eiteneier

Benjamin Netanyahu mit Daniel Pipes in seinem Büro

Von dem Moment an, als ich Benjamin Netanyahu traf, mochte ich ihn. Auf persönlicher Ebene hatten wir über 40 Jahre hinweg sporadische, aber gute Beziehungen. Wir trafen uns erstmals 1983, als er stellvertretender Missionschef an der israelischen Botschaft in Washington war und ich für das Außenministerium arbeitete. Im Verlauf der Jahrzehnte seitdem habe ich ihn für seine vielen Leistungen bewundert.

Aber es ist an der Zeit für ihn abzutreten.

1996 wurde Netanyahu Israels jüngster Premierminister. Seine Amtszeit hatte ihre Höhen und Tiefen. Nach einem Besuch bei ihm in seiner ersten Amtszeit als Premierminister schrieb ich anerkennend, dass er "glühte und in die Zukunft blickte". Dieses Glühen dämpfte sich etwas während seiner schwachen und amoralen ersten Zeit als Premierminister, bis zu dem Punkt, dass ich 1999 ein Exposé über seine gescheiterte Politik zu den Golanhöhen schrieb und mich widerwillig dafür einsetzte, dass sein Konkurrent die Wahl gewinnt.

2003 bis 2005 besserten sich die Dinge, als Netanyahu als Israelis Finanzminister war. Seine Wirtschaftsausbildung gab ihm die Fertigkeiten und das Vertrauen unpopuläre, aber dringend nötige Veränderungen durchzuführen, von denen Israel bis heute profitiert. Bis zu seiner zweiten Zeit als Premierminister war Netanyahu erfreulicherweise gereift. Er regierte mit einem moralischen Kompass, bot echte Führung und beeindruckte die Israelis genug, um von 2013 bis 2020 bemerkenswerte fünf Male wiedergewählt zu werden. Wird der März 2021 das sechste Mal bringen?

Kondolenzschreiben von Benjamin Netanyahu zum Tod meines Vaters Richard Pipes (klicken Sie hier für eine größere Version)

Wir blieben im Verlauf der Jahre in Verbindung. Er nahm sich sogar die Zeit mir ein wohlwollendes Kondolenzschreiben zu schicken und mich anzurufen, nachdem mein Vater 2018 starb. Ich betone daher, dass mein Problem mit ihm weder politisch noch persönlich ist. Es geht vielmehr um zwei Dinge: ein verzweifelter Versuch Strafverfahren zu vermeiden und das Verstimmen von Verbündeten.

Netanyahus Gegner, nicht in der Lage ihn über Wahlen zu stürzen, sind auf zahlreiche Klagen verfallen, um seine politische Karriere zu beenden. Mit dem Eingeständnis, dass Netanyahu nahe der rechtlichen Grenzen unterwegs war, argumentiert Alan Dershowitz überzeugend, dass sein "Schicksal in die Hände der Wähler gehört, nicht die von Ermittlern oder vor die Gerichte". Selbst wenn man seine Unschuld annimmt, schaden Netanyahus verzweifelte Versuche die Auswirkungen der Gerichtsverfahren zu vermeiden oder zumindest zu minimieren dem Land.

Netanyahus persönliche Prioritäten, nicht die der Partei oder des Landes, treiben die israelische Innenpolitik an, mit unheilvollen Konsequenzen für die Wirtschaft, öffentliche Gesundheit und das Vertrauen der Bürger. Beispielsweise machte der Premierminister während hektischer Versuche im Juni 2019 eine Regierung zu bilden heimlich Mitgliedern von Oppositionsparteien Angebote und erwog eine Koalition mit der antizionistischen Gemeinsamen Liste. Außerdem räumte er, um die Loyalität der hareidischen (ultraorthodoxen) Parteien sicherzustellen, diesen auf Kosten des Zusammenhalts des Landes unangemessenen Einfluss auf die israelische Gesellschaft ein.

Netanyahu hat zwar seine juristischen Sorgen nicht verdient, aber die Verstimmung von Verbündeten ist zweifellos sein eigenes Tun. Die politische Klasse misstraut ihm und verübelt der Regierung seinen persönlichen Interessen untergeordnet zu sein. Die Parole "Jeder außer Bibi" steht für diese Stimmung. Ehemalige Kollegen aus der Likud-Partei – Naftali Bennett, Mosche Kahlon, Avigdor Lieberman und Gideon Sa'ar – sind zu bekennenden politische Feinden geworden und haben den Likud wütend verlassen, um ihre eigenen, rivalisierenden Parteien zu gründen.

Am vernichtendsten war jedoch Ze'ev Elkins gerade erfolgter Angriff auf Netanyahu, der stattfand, als Elkin ankündigte den Likud zu verlassen, ums ich Sa'ars frischgebackener Partei anzuschließen. Ein Jahrzehnt lang hatte Elkin als Netanyahu-Vertrauter gearbeitet, unzählige Schlüsselpositionen vom Koalitionsvorsitzenden bis zum Russisch-Übersetzer bei Wladimir Putin für ihn ausgefüllt. Elkin beschuldigt Netanyahu den "Likud zu zerstören", indem er ihn in einen "byzantinischen Hof" und Personenkult verwandle. Er klagte Netanyhau an "Freunden, Verbündeten, Aktivisten und gewöhnlichen Bürgern" falsche Versprechungen gemacht zu haben.

Ze'ev Elkin kündigt am 23. Dezember seinen Austritt aus dem Likud und Beitritt zur Partei Neue Hoffnung an.

Widerstrebend kommt dieser Analyst zu dem Schluss, dass es für Netanyahu an der Zeit ist weiterzuziehen. Er ist bereits Israels am längsten amtierender Premierminister. Sein Optimismus und seine Vision dienen als sein Vermächtnis, ebenso sein wirtschaftlicher Verstand und seine Entschlossenheit gegenüber den Feinden des jüdischen Staates. Zum Dank sollte er in einem halben Jahr zum nächsten Präsidenten Israels gewählt werden.

Als ein 71-jähirger zum anderen nehme ich das große Talent der jüngeren Generation Israels zur Kenntnis und dränge meinen Freund Bibi ihr die Chance zu geben, die sie verdient.

Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum
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