Liebe Frau Do, jetzt ist Joe Biden also Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika – der Alptraum im Weißen Haus hat ein Ende. Unser Washington-Korrespondent Frank Herrmann berichtet in seiner Reportage von einer Amtseinführung, die sich nicht nur wegen der Corona-Pandemie deutlich von den Feierlichkeiten der vergangenen Jahrzehnte unterschied. Die Reaktionen in Europa und Deutschland auf den Machtwechsel sind überwiegend geprägt von Erleichterung, Begeisterung und Zuversicht. Die Kanzlerin sprach von einer „Feier der amerikanischen Demokratie“. Gregor Mayntz, Holger Möhle und Kerstin Münstermann haben sich umgehört. Die Angst vor neuerlicher Gewalt rund um die Vereidigung war groß, doch es blieb ruhig, und der neue US-Präsident machte sich schnell an die Arbeit. Julia Rathcke hat sich intensiv mit Bidens Antrittsrede (eine Übersetzung finden Sie hier) beschäftigt. Sie beschreibt einen Aufruf zur Einheit, der Hoffnung macht. „Es klingt kitschig, wenn Joe Biden als neuer US-Präsident sagt, die Menschen müssten ihre Seelen und Herzen öffnen. Aber es ist im Grunde genau das, was Amerika jetzt braucht.“ Mich hat die Vereidigung sehr bewegt, mit den USA fühle ich mich eng verbunden. Wie ich schon mal erzählt habe, ging ich als 15-Jähriger als Gastschüler nach St. Louis, und bis heute halte ich mit meiner Gastfamilie einen engen Draht. Corona hat dazu geführt, dass wir uns länger nicht getroffen haben als jemals zuvor. Während meiner Ausbildung hatte ich die Chance, den ersten Präsidentschaftswahlkampf von Bill Clinton vier Monate lang in den USA als Reporter zu verfolgen. Später war sein Ruf lädiert, aber damals ging von ihm ein kraftvolles Aufbruchssignal aus. Ich wohnte mit amerikanischen Freunden meines Alters in Washington zusammen, die regelrecht elektrisiert waren. Als er George Bush ablöste, war das ein Generations- und Stimmungswechsel. Den Start von Biden empfinde ich ganz anders, mehr als Erleichterung denn als Aufbruch. Er wird einmal dafür stehen, dass er die vier Trump-Jahre beendet hat – aber es wäre gut, wenn es nicht allein dabei bliebe. Denn es gibt viel zu tun in den USA und in der Welt. Und natürlich auch in NRW: Das Land kann mit dem Betrieb der Impfzentren später als geplant starten. Es geht nun erst am 8. Februar los. Warum das so ist und was das bedeutet, haben Andreas Gruhn und Antje Höning recherchiert. Das Thema Impfstoff steht heute auch im Mittelpunkt des Aufwacher-Podcasts. Die Verzögerung ist bitter, denn erst millionenfache Impfungen werden die Pandemie besiegen. Auch deswegen haben Bund und Länder ja den Lockdown bis Mitte Februar verlängert und die Maßnahmen verschärft. Wie genau es an den Schulen des Landes weitergehen soll, muss aber noch abgestimmt werden, wie Kirsten Bialdiga und Maximilian Plück berichten. Ich kann mir nicht helfen – hätten die Planungen nicht eigentlich längst in der Schublade liegen müssen, damit Schulministerin Yvonne Gebauer sie jetzt passgenau vorlegen kann? In vielen Wohnungen wird es mindestens für die nächsten vier Wochen eng: Distanzunterricht für die Kinder und Jugendlichen, Homeoffice für die Eltern. „Ab nach Hause“: Unter diesem Titel analysieren Birgit Marschall und Florian Rinke, wie die Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, Bürobeschäftigten die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. Auch wir bei der Rheinischen Post haben damit inzwischen monatelange Erfahrung und prüfen jetzt weitere Möglichkeiten, die Präsenz in unseren Redaktionen zu verringern. Auch die Nachwuchswettbewerbe in der Musik finden jetzt nicht mehr auf der Bühne statt, sondern vor laufender Videokamera zu Hause. Wolfram Goertz berichtet, was das für „Jugend musiziert“ und Co. bedeutet. Anspruchsvoll ist das immer noch, keine Frage – aber ob sich der Umgang mit Lampenfieber auch im elterlichen Wohnzimmer lernen lässt? Und was bedeutet das für spätere Karrieren? Mehr und mehr treten Folgen der Pandemie zutage, mit denen vor einem Jahr wohl niemand gerechnet hat. Aber natürlich trifft es uns nicht so schlimm wie viele andere Menschen in der Welt. Die Ärmsten der Armen leiden unter Corona am stärksten, sagt Entwicklungshilfeminister Gerd Müller in einem Interview, das Gregor Mayntz und Jana Wolf geführt haben. „Wir werden die Pandemie nur weltweit besiegen können oder gar nicht.“ Etwas mehr zwischen den Zeilen muss man lesen, wie der CSU-Politiker über den neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet denkt. Aber vor uns liegen ja auch noch acht Monate Wahlkampf. Joe Biden hat diese Phase hinter sich. „Mit Einheit können wir große Dinge tun!“, sagte er gestern in Washington. Diese Zuversicht passt bestens in den neuen Tag – viel Freude wünsche ich Ihnen. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |