| Guten Morgen,
ganz Berlin redet über die Bildungskrise - nur nicht die Koalition. Bildungskrise? „Sehe ich nicht“, sagt Schulsenatorin Sandra Scheeres und delektiert sich in der Martin-Niemöller-Grundschule (Hohenschönhausen) an ihrem kostenlosen Mittagessen. Bildungskrise? „Kein Thema“, heißt es im Roten Ratloshaus, wo Kritik per Dekret zur Kampagne gerinnt. Bildungskrise? „Nicht bei uns“, entscheidet der Koalitionsausschuss und spielt lieber Regierungsmikado – nichts wackelt, alles gut, niemand fällt um.
Wir verlassen für einen Moment das politische Paralleluniversum und begeben uns in die Ruinen der Berliner Bildungspolitik – hier finden wir heute eine Blitzumfrage unter 50 Schulleiterinnen und Schulleitern staatlicher Berliner Gymnasien (von insg. 91, Q: Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin). Das Ergebnis:
1) 52 % der Gymnasien haben fest eingeplante Lehrkräfte kurzfristig verloren. 2) 70 voll ausgebildete Lehrkräfte haben kurzfristig ihren Wegzug in ein anderes Bundesland angekündigt. 3) 95 % der Gymnasien waren in den vergangenen drei Jahren von Abwanderungen aus Berlin betroffen. 4) 80 % der Wechsler begründen ihren Fortgang mit einer Verbeamtung anderswo. 5) Von 7 Zielbundesländern ist Brandenburg das beliebteste. 6) 100 % der nach Brb abgewanderten Lehrerinnen und Lehrer wurden in Berlin ausgebildet. 7) 100 % der nach Brb abgewanderten Lehrerinnen und Lehrer unterrichten mindestens ein Fach, dass in Berlin als Mangelfach gilt. 8) Mindestens 18 Mathelehrkräfte haben Berlin alleine in diesem Sommer verlassen.
Egal. Hauptsache, das Schulmittagessen ist jetzt für alle umsonst – wer braucht schon geistige Nahrung, wenn es Nudeln mit Ketchup gibt? Ach, übrigens: Die SPD hat auf die bissige Kritik an ihrer Eigenlobkampagne mit einer Menüreform reagiert – statt glasiger Kohlenhydrate mit verzuckerter Würze (hier zu sehen) serviert sie ab sofort Brokkoli.
Kostenloses Mittagessen, kostenloses Schülerticket, kostenlose Hortbetreuung – und doch hat die Bildungsverwaltung heute noch Geld übrig für eine halbseitige Anzeige in der „Berliner Zeitung“. Wir lesen: „Berliner Schulbauoffensive auf Erfolgskurs: Erste Neubauschule eröffnet!“ Merke: Das Licht im Tunnel kann auch ein entgegenkommender Zug sein.
Wir blicken noch kurz auf die nächste Sitzung des SPD-Landesvorstands (12.8., 16.30 Uhr). Eingeladen wurde am Dienstag, einen Tag nach dem großen Schulknall (26.000 fehlende Plätze) – wir lesen:
„Vorläufige Tagesordnung:
1. Aktuelle Lage 2. Bericht über Konsolidierung des Haushaltes Parteivorstand 3. Verschiedenes
Wir bitten Euch, uns schnellstmöglich mitzuteilen, wer am Dienstag eine Kinderbetreuung benötigt.“
Es gibt offenbar kein Thema mehr für die SPD (außer sich selbst), es gibt nur eine „Lage“. Letzte Wasserstandsmeldung: Noch 10 Prozent Stimmen unterm Kiel bis zum Fünfergrund, Tendenz: fallend…
… und fallend: Im Bund ist die SPD inzwischen bei 11,5 % angekommen (Rekordminus laut „Insa“). Und jetzt? Bei der Suche nach einem Vorsitzenden-Team spielen die Sozialdemokraten jetzt 5 aus 55 (ohne Zusatzzahl) – die Mitglieder bekamen eine Liste zum Ankreuzen mit vorgefertigten Fragen an die Kandidatinnen und Kandidaten zugeschickt, dazu die Regieanweisung: „Bitte wähle zwischen 1 und 5 Antworten aus“. Hm, wie wäre es mit „Welchem Zweck dient die Parteiorganisation?“ Oder vielleicht doch lieber: „Was bedeutet Führung für Dich?“ Das Stichwort „Schule“ kommt übrigens nicht vor – ist ja auch Ländersache. | |