Eine Überfliegerin und die Kunst, Fehler zuzugeben Ihre Auftritte sind immer wortgewaltig, polyglott, oft mit einem gehörigen Schuss Pathos versehen. Als Ursula von der Leyen den Green Deal, also die Umstellung der Industrie auf eine CO2-arme Wirtschaft, ankündigte, nannte sie das „Europas Mann-auf-dem Mond-Moment“, in der Corona-Krise erkannte sie einen „Abgrund“, und als sich der erste deutsche Impfstoff abzeichnete, war das der „Moment Europas“. So führte die EU-Kommissionspräsidentin auch bisher ihr Amt: mit großen Versprechungen und vielen Vorschusslorbeeren.
Doch die Zweifel an ihren Führungsqualitäten mehren sich. Ist sie dem Brüsseler Riesenapparat gewachsen – angesichts von zu später, undurchsichtiger und schleppender Impfstoffbestellungen und peinlichen Pannen wie einer Verordnung zum Vakzin-Export, die Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland zur Folge gehabt hätte? Inzwischen ist die Verordnung zurückgezogen, von der Leyen räumte zumindest Schwierigkeiten ein und gelobte künftig mehr Transparenz bei ihren Entscheidungen. Genau letzteres scheint das eigentliche, ihr eigentliches Problem zu sein. Eurokraten und EU-Parlamentarier sind schnell verschnupft, wenn sie nicht ausreichend oder rechtzeitig informiert werden. Von der Leyen, so heißt es, sei zentralistisch, fälle im einsamen Kämmerlein vom 13. Stock des Berlaymont-Gebäudes aus Entscheidungen mit wenigen Getreuen, die sie auch noch aus Deutschland mitbrachte.
Es würde ihr ähnlich sehen. Auch in Deutschland neigte die Christdemokratin dazu, sich eher auf wenige enge Berater und ein paar Hintergrundrunden zu verlassen. Sie wollte die Dinge kontrollieren. Wenn die dann falsch liefen, schob sie die Schuld mitunter gerne auf andere – wie beim Skandal um teure Consultingverträge im Verteidigungsministerium. Fehler seien weit unter ihrer Ebene gemacht worden, sagte sie damals. Auch jetzt in der Impfstoffkrise schiebt sie Fehler den Mitkommissaren oder den Verhältnissen zu. Aber Brüssel ist nicht Berlin. Auch die politische Überfliegerin von der Leyen muss dazulernen, wenn sie im Rest ihrer Amtszeit noch reüssieren will. | Gudrun Dometeit, Politik & Wirtschaft |
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