Blaue Landschaften
szmtag
E-Mail wird nicht richtig angezeigt? Hier klicken, um den Newsletter im Browser anzuzeigen.

Tägliche Post vom Chefredakteur

Stimme
des Westens

Michael Bröcker

02. September 2019

Liebe Frau Do,

es sind Verlierer, die gestern von einem „guten Ergebnis“ sprachen, „Erleichterung“ ausdrückten und ihre „gute Bilanz“ lobten. Der geneigte Fernsehzuschauer wunderte sich. Denn sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen haben die einst stolzen Volksparteien CDU und SPD bei den Landtagswahlen verloren. Mal wieder. In Sachsen muss der regierende CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer fast sieben Prozentpunkte im Vergleich zur vorigen Landtagswahl abgeben und kann sich womöglich nur mit einer Dreier-Koalition im Amt halten. In Brandenburg verliert die ebenfalls regierende SPD mit ihrem „Spitzenmann“ Dietmar Woidke fast sechs Prozentpunkte und liegt nur noch bei rund 26 Prozent. Man muss sich vorstellen, dass in beiden Bundesländern der Amtsbonus nahezu völlig ausgeblieben ist. Auch die Bundesparteien konnten ihren Landesverbänden nicht helfen, im Gegenteil. Wir erleben die Pulverisierung der alten Gewissheiten, die neue Bewegung im Osten ist blau, und sie ist besorgniserregend. Denn der wahre Gewinner bei beiden Landtagswahlen ist eine Partei, die 2014 eigentlich schon tot war: die AfD. Zweistellige Zuwächse in beiden Ländern, die übrigen Parteien müssen alle Kräfte und womöglich drei Parteien aufbieten, wenn sie gegen die AfD regieren wollen. Die minimalen Gewinne der Grünen sind dagegen kaum der Rede wert angesichts ihres Höhenflugs im Westen. Die FDP bleibt Splitterpartei im Osten. Auch die Linke verliert. Was ist nur in diesem Land los?

In Sachsen und in Brandenburg hat jeder vierte Wähler eine Partei gewählt, in der Funktionäre offen gegen Fremde polemisieren, das Dritte Reich verharmlosen und ihren Hass auf die Eliten in Politik und Medien kultivieren. Andere Themen hat sie meist nicht zu bieten. Die AfD hat in manchen Regionen Volksparteicharakter, über 40 Prozent der Stimmen. Das bedeutet Einfluss, Ämter, Funktionen, auch Geld für die Partei. In diesen Gegenden bildet die AfD mit ihrem Gedankengut fast die Mehrheitsgesellschaft.

Wie konnte es soweit kommen? Wie gehen wir damit um? Wieso schaffen es die etablierten Parteien nicht, diese rechtsnationale Partei herunterzudrücken? Umfragen bei der Wählerschaft zeigen, dass nur ein harter Kern rechtsextrem denkt. Die meisten AfD-Wähler geben an, den etablierten Parteien mit der Wahl der AfD einen Denkzettel verpassen zu wollen. Sie fühlen sich übergangen, nicht gehört, belehrt. Nicht nur, aber vor allem beim Thema Migration. Sie fühlen sich nicht ernst genommen mit ihren Ängsten. Es ist dramatisch, aber aus meiner Sicht bekommen wir viele dieser Frustrierten nur wieder in die Mitte dieser Gesellschaft zurück, wenn die Parteieliten in CDU und SPD die Themen offen ansprechen, argumentieren, zuhören und neue Formate des Diskurses etablieren. Beschimpfungen und Ausgrenzung haben bislang jedenfalls nicht zu einem Schrumpfkurs bei der AfD geführt. Eva Quadbeck kommentiert die Ergebnisse aus Sachsen und Brandenburg. Jan Drebes und Gregor Mayntz waren für sie an verschiedenen Orten, um Stimmungen einzufangen, Kristina Dunz analysiert die Auswirkungen auf die Groko.

Wir haben am vergangenen Wochenende die Wiese vor dem Düsseldorfer Landtag zu einem Ort der Diskussion für eine bessere Gesellschaft gemacht und in zahlreichen Workshops, Panels und Foren mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, über Medien und Meinungsmacher, über Demokratie und Klimawandel, über Europa und Digitales gesprochen. Es war spannend, lebhaft und vor allem lehrreich. Mehr als 10.000 Zuschauer waren an zwei Tagen dabei, das RP-Campfire-Team hat alles zusammengefasst.

Ein Open-Air-Konzert am Baldeneysee wurde am Wochenende von einem schweren Gewitter überrascht. 28 Menschen wurden verletzt, zwei schwer. Die Verantwortlichen weisen die Kritik, dass die Veranstaltung nicht abgesagt wurde, zurück. Merlin Bartel und Helene Pawlitzki fragen nach.

Herzlich

Ihr

Michael Bröcker

Mail an die Chefredaktion senden


P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter!


RP Online



Das Wichtigste zum Frühstück

Gemischte Gefühle: Michael Kretschmer kann in

Kommentar zu Landtagswahlen

Ergebnisse sind ein Misstrauensvotum gegen CDU und SPD

Trotz der desaströsen Ergebnisse für CDU und SPD in Brandenburg und Sachsen konnten sich die einstigen Volksparteien auf niedrigem Niveau stabilisieren. Damit steigen auch die Chancen, dass die Groko auf Bundesebene bis 2021 hält. Für Deutschland wäre das besser als Neuwahlen.

Landtagswahl in Brandenburg

Erst der Schock, dann die Erleichterung

Brandenburgs Wahlsieger Dietmar Woidke will nicht jubeln. In Dresden schlendert Michael Kretschmer erleichtert durch den Landtag.

Bundeskanzleramt

Wie es jetzt weitergeht

Die große Koalition in Berlin hält vorerst

CDU und SPD sind bei den Landtagswahlen im Osten mit einem blauen Auge davongekommen. Zurücklehnen können sie sich nicht, aber die große Koalition im Bund hält. Erst einmal.

Politiker der Linken nach Bekanntgabe der

Landtagswahl in Sachsen

Kretschmer feiert das „freundliche Sachsen“

Ein entspannter Ministerpräsident läuft mit Mini-Brezel durch den Landtag. Auf den Fluren in Dresden war „Kenia“ das meistgesagte Wort.

Zum Campfire-Festival auf der Wiese vor

Mehr als 10.000 Besucher beim Campfire-Festival

Zukunftswerkstatt vor dem Landtag

Mehr als 10.000 Menschen haben das Campfire-Festival für Journalismus und Demokratie in Düsseldorf besucht. Dabei wurde unter anderem über den Klimawandel, die Vorfälle im Düsseldorfer Rheinbad und Künstliche Intelligenz diskutiert.

28 Verletzte in Essen

Hätte das Konzert von Marteria und Casper wegen Unwetters abgesagt werden müssen?

Meteorologe Jörg Kachelmann kritisiert auf Twitter die Veranstalter eines Open-Air-Konzerts, bei dem 28 Menschen durch eine umgestürzte LED-Wand verletzt wurden. Hätte das Konzert abgesagt werden müssen? In Dortmund musste das große Lichterfest unterbrochen werden.

Anzeige

Für alle Fans von Fortuna Düsseldorf und Borussia Mönchengladbach

Sie kennen eine dieser Situationen? Sie werden durch eine unerwartete Äußerung Ihres Gesprächspartners in eine unangenehme Situation gebracht? Sie werden unsachlich kritisiert und bei einer Diskussion an die Wand gedrückt? Wäre es nicht schön, in solchen Situationen geistreich und selbstbewusst zu reagieren? Wie das geht, erfahren Sie in dem Ganztagsseminar.

Um sich von dem Newsletter abzumelden, klicken Sie bitte hier.
Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH | Zülpicher Straße 10 | 40196 Düsseldorf
Impressum | Datenschutz