Liebe/r Leser/in, ja, die Frau ist ein Unikum. Merkwürdige Rituale bestimmen ihr Dasein. Die Uniformierten um sie herum tragen Mützen aus Bärenfell – und auch sie selbst bedeckt ihr schlohweißes Haar mit bisweilen extravaganten Hüten. Politisch kann sie kaum etwas beeinflussen, und doch übt die Queen Macht aus. Über mich – und über viele Millionen Menschen. Ein globales Publikum nimmt Anteil am Schicksal der Monarchin und verfolgt in diesen Tagen gebannt, wie Elisabeth II. ihr ohnehin angeschlagenes Haus Windsor vor dem Sturm „Meghan“ zu bewahren sucht. Der Rückzug von Prinz Harry und seiner Frau Meghan aus der ersten Reihe der Königsfamilie – verkündet via Instagram – ist auch eine Mediengeschichte, eine Geschichte über unseren Wertekompass in Zeiten von Freiheit und Individualisierung, und es ist eine Familien-Soap – nicht bei Netflix wie die Erfolgsserie „The Crown“, sondern real live. 300 Milliarden Media Impressions erzielte das Harry-Meghan-Drama in den vergangenen 60 Tagen weltweit, in Deutschland steigerte Bunte.de die Klickzahlen auf ein Rekordhoch von mehr als 50 Millionen Visits im Januar. „Die Royals sind für die Deutschen wie eine zweite Familie“, sagt „Bunte“-Chefredakteur Robert Pölzer, „und auch deshalb bietet der Megxit für jedes Lebensmodell eine Identifikationsebene. Der Pflichtbewusste hält es mit der Queen, die Aufgeschlossene mit Meghan, und der überforderte Ehemann leidet mit Harry.“ Die Queen, Top-Managerin mit 93. Vielleicht ist ja gerade ihre politische Ohnmacht das Geheimnis ihrer Aura, denn sie bewirkt politisch wenig – und bedeutet doch so viel. Sie ist das lebende Symbol für die immer schon gefährdete Einheit Großbritanniens. Doch mit der Würde ihrer 93 Lebens- und ihrer 68 Regentschaftsjahre steht sie für viel mehr: Sie steht für Europa, für eine alte, vertraute Ordnung. Wenn sie schwankt, droht unsere Welt aus den Fugen zu geraten. So drückt die Hymne der Briten auch unsere Hoffnung, unsere Faszination und unsere Ängste aus: „God Save the Queen.“ Dass auch vermeintlich ewig Gültiges irgendwann seine Gültigkeit verliert, dass neue Technologien schnell und permanent unser Leben verändern, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Offenbar nur nicht bis in die Berliner Verwaltung: Von den 85.000 Rechnern in den Behörden der Hauptstadt, so hörte ich verwundert und dann doch verärgert, laufen noch etwa 18.000 mit dem Betriebssystem Windows 7. Schon seit Jahren liefert der Hersteller Microsoft für dieses System keine Verbesserungen – und seit wenigen Tagen gibt es nun endgültig auch keine Sicherheits-Updates mehr für die Uralt-Software. Das bedeutet: Die 18.000 Berliner Rechner sind quasi abgekoppelt, sie bilden eine wachsende Gefahr für die Verwaltung Berlins – und damit für die Bürger dieser Stadt. Als Leser von FOCUS sind Sie seit jeher in Sachen Digitalisierung auf dem Laufenden, denn die Redaktion ist seit ihrer Gründung im Jahr 1993 digital nativ. Zum Start der 16. Innovationskonferenz Digital Life Design am Wochenende in München lesen Sie in dieser Ausgabe ein Porträt des größten Tech-Investors der Welt, Masayoshi Son, einen Gastbeitrag von Klöckner-Chef Gisbert Rühl und ein Interview mit der Digital-Staatsministerin Dorothee Bär, die in dieser Woche unsere Redaktion zu einer Blattkritik besuchte. Verfolgen Sie doch unsere täglichen Nachrichten von der DLD in München, dem globalen Gipfeltreffen der digitalen Pioniere. Pioniere – das sind die Wegbereiter, jene, die unbekanntes Terrain als Erste beschreiten. Den neuen Pionieren der deutschen Familienunternehmen widmet sich ab jetzt der Manager Fabian Kienbaum in einer neuen Interview-Serie für den FOCUS, die Sie auch als Podcast hören können. Das Auftaktgespräch (Seite 70) führte er mit Moritz Ritter, Sohn der Waldenbucher Schokoladen-Dynastie, Geschäftsführer von Ritter Energy. Wie sein Interviewpartner weiß sich auch Kienbaum einem großen Namen verpflichtet. Er übernahm vor zwei Jahren die berühmte Personalberatungsfirma, die sein Großvater 1945 gründete. Sich dem Neuen zu stellen heißt nicht, Traditionen zu vergessen. |
Herzlichst, Robert Schneider Chefredakteur FOCUS Magazin PS: Zur Tradition meines Editorials gehört leider auch, dass ich mich vor dem Hintergrund der ständig steigenden Steuereinnahmen des Staats mehrfach für eine Abschaffung des Solidaritätsbeitrags und eine Unternehmenssteuerreform eingesetzt habe. In dieser Woche überraschte der Finanzminister mit einem Rekordüberschuss: Der Bund hat 2019 mit einem Plus von 13,5 Milliarden Euro abgeschlossen – so viel wie noch nie. Gier kennt keine Grenzen. |