Ausgabe vom 19.08.2021

Bullenfallen im DAX und Dow Jones bestätigt
Müssen Analysten ihre Gewinnerwartungen nach unten schrauben?

Bullenfallen im DAX und Dow Jones bestätigt
von Sven Weisenhaus

Am 11. August hatte ich hier in der Börse-Intern Folgendes geschrieben: „Und irgendwann werden die Anleger realisieren, dass die US-Notenbank angesichts einer starken Erholung am Arbeitsmarkt und einer anhaltend hohen Inflation bald ihre Unterstützung reduziert.“ Gestern schien genau dies der Fall gewesen zu sein. Denn man konnte einen ziemlich klaren Zusammenhang erkennen: Um 20:00 Uhr (MESZ) wurde das Protokoll der jüngsten US-Notenbanksitzung veröffentlicht (siehe auch vertikale Linie im folgenden Chart des Dow Jones). Wenig später begannen die Aktienmärkte ihre aktuelle Abwärtsbewegung.

Dow Jones - kurzfristige Chartanalyse

Aus dem Protokoll ließ sich jedoch lediglich herauslesen, was man eigentlich längst wusste: Die Notenbanker haben auf ihrer letzten Sitzung über ein Reduzieren der Wirtschaftshilfen beraten. Neue Informationen beinhaltete das Protokoll dagegen nicht, insbesondere keinen konkreten Zeitplan. Für mich ist daher völlig schleierhaft, warum die Anleger ausgerechnet jetzt zu Gewinnmitnahmen neigen.

Zumal schon zu Beginn der Woche das Wall Street Journal berichtet hatte, dass sich die Fed-Vertreter darauf verständigt hätten, in rund drei Monaten mit der Drosselung der Anleihekäufe (Tapering) zu beginnen. Hatten Anleger nun etwa erwartet, dass das Fed-Protokoll gegenteilige Informationen erhält, also Hinweise auf ein unverändertes Festhalten an den Anleihekäufen? Ich kann es mir kaum vorstellen, aber es scheint so. Und weil womöglich diese Erwartungen enttäuscht wurden, sackten die Aktienmärkte ab.

Bullenfalle im Dow Jones bestätigt

Dem Dow Jones ist es damit nicht gelungen, erneut aus seiner Broadening-Formation nachhaltig nach oben auszubrechen (blaue Linien im Chart oben). Stattdessen scheiterte er bei dem Versuch und rutschte weiter ab. Dabei fiel er bis an das untere Ende der Formation. Hier kam es sogar zu einem Ausbruch nach unten, doch erneut arbeiteten sich die Kurse in die Formation zurück, wie schon beim Fehlsignal vom 3. August (gelber Bogen).

Jetzt liegt auch im DAX eine Bullenfalle vor

Auch im DAX liegt nun eindeutig ein Fehlausbruch vor. Nach dem Anstieg über die Hochs im Bereich von rund 15.800 Punkten fiel der Index heute unter dieses wichtige Niveau zurück (siehe Ellipse und dicke rote horizontale Linie im folgenden Chart). Damit hat sich das neue Rekordhoch als Bullenfalle entpuppt.

DAX - kurzfristige Chartanalyse

Und der Rücksetzer auf die 15.800er Marke von oben war nicht bloß eine abc-Korrektur. Viel schlimmer noch: Da der DAX heute auch unter das Zwischenhoch vom 23. Juli gefallen ist, liegt nun eine Überschneidung zwischen der vermeintlichen Welle 1 und der aktuellen Abwärtswelle vor. Damit ist das bullishe Elliott-Wellen-Szenario hinfällig. Das Chartbild des DAX hat sich damit deutlich eingetrübt.

Und die Sommermonate haben ihrem Ruf, wonach sie gespickt sind mit Fehlsignalen, wieder alle Ehre gemacht. Wohl dem, der nicht versucht hat, die enge Tradingrange im DAX von nur 200 Punkten zwischen 15.800 und 16.000 Zählern zu handeln (siehe gestrige Börse-Intern).

Bleiben die Bären dieses Mal am Ball?

Natürlich freue ich mich aktuell über die jüngsten Kursbewegungen an den Aktienmärkten. (Die Bullen mögen es mir verzeihen.) Denn erstmals seit langem ist es zu relativ großen Kursverlusten gekommen, die zugleich deutlich bearishe Signale ausgelöst haben. Und damit scheinen sich nun meine Erwartungen an eine saisonale Schwäche mit etwas Verspätung zu erfüllen.

Allerdings möchte ich mich nicht zu früh freuen. Denn in der Vergangenheit haben sich Korrekturbewegungen sehr oft als nur kurze Rücksetzer im intakten Aufwärtstrend herausgestellt. Daher muss man nun geduldig beobachten, ob sich die jüngsten bearishen Signale bestätigen und es zu weiter fallenden Kursen kommt, die Bären also nachhaltiger als bislang Stärke zeigen.



Müssen Analysten ihre Gewinnerwartungen nach unten schrauben?
von Sven Weisenhaus

Aus fundamentaler Sicht haben die Bären heute neue Gründe erhalten, um am Ball zu bleiben. So werden immer mehr Unternehmen von Materialengpässen und deutlich höheren Beschaffungskosten belastet. Inzwischen sind es in Deutschland schon 83 %, wie aus einer heute veröffentlichten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter fast 3000 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen hervorgeht. – Vor diesem Hintergrund wird das Vorkrisenniveau beim Bruttoinlandsprodukt womöglich erst Mitte 2022 erreicht.

Zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen sich daher gezwungen, gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Denn würden die steigenden Preise nicht weitergereicht ginge dies zulasten der Margen. Das können sich viele Betriebe aber nicht leisten, weil die Corona-Krise teilweise tiefe Spuren in den Bilanzen hinterlassen hat. – Das wird die Inflation hochhalten oder gar weiter anheizen. Was heißt daher in diesem Zusammenhang eigentlich „vorübergehend“? Welchen Zeitraum meinen die Notenbanken damit?

Aktuelle Lieferengpässe könnten bis Mitte 2023 anhalten

Der Autozulieferers Hella fürchtet, dass man aus der „Bottleneck-Situation“ und dem Mangel an Halbleitern wohl erst Mitte 2023 herauskommen wird. Dieser bremst etwa auch Volkswagen bei der PKW-Produktion aus. Das VW-Stammwerk in Wolfsburg könne nach der Sommerpause in der kommenden Woche nur eingeschränkt wieder starten, erklärte ein VW-Sprecher. Und der japanische Konkurrent Toyota hat aus dem gleichen Grund sein Produktionsziel für September um ganze 40 % (!) gekürzt. Im September peilt der weltgrößte Autobauer nur noch eine Produktion von rund 500.000 Fahrzeugen statt knapp 900.000 weltweit an. Aber das sind nur einige Beispiele. Insgesamt planen stolze 58 % der Unternehmen in der deutschen Fahrzeugindustrie Produktionsstopps oder Drosselungen.

Müssen Analysten ihre Gewinnerwartungen nun nach unten schrauben?

Bislang haben Analysten die Gewinnschätzungen kontinuierlich angehoben. Das hat die Aufwärtstrends an den Aktienmärkten zusätzlich befeuert. Doch nun könnte eine Kehrtwende einsetzen. Denn es ist kaum zu erwarten, dass die Materialknappheit und die gestiegenen Preise nicht auf die Margen der Unternehmen drücken.

Um dazu ein weiteres Beispiel zu nennen: Auch bei Audi stehen die Bänder in Deutschland in der kommenden Woche noch still, erklärte eine Sprecherin. Und Audi hat bereits angekündigt, nicht alle Ausfälle bis Jahresende aufholen zu können.

Insofern müssen wohl einige nach oben geschraubte Gewinnerwartungen reduziert werden. Damit wäre eine Korrektur am Aktienmarkt nicht nur charttechnisch oder saisonal begründet, sondern auch fundamental. Und die Korrektur könnte damit weiter laufen, als aktuell angenommen.

Zunächst muss die Korrektur richtig starten

Aber wie am Ende des ersten Teils der heutigen Ausgabe bereits geschrieben, muss man nun erst einmal geduldig beobachten, ob sich die jüngsten bearishen Signale bestätigen und es zu weiter fallenden Kursen kommt, die Bären also nachhaltiger als bislang Stärke zeigen.


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Sven Weisenhaus
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