Liebe Leserin, lieber Leser,
ich bin gespannt, welche Form und Güte die Erinnerungslücken von Olaf Scholz heute wohl annehmen: Der Bundeskanzler muss in Hamburg erneut im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen, zu Cum Ex, Warburg, der HSH Nordbank. Sie wissen schon, der „Nie Steuern gezahlt, aber fröhlich zurückerhalten”-Skandal, bei dem man in der Hansestadt finanzbehördlich ein Auge zudrücken wollte. Gedächtnisschwund ist bei Scholz nicht die beste Verteidigungsstrategie. Der Kanzler neigte schon als Bürgermeister nicht zu Vergesslichkeit. Er fragte mich damals mal zwinkernd nach dem Wohlergehen eines Kollegen, dem ein Deo wohl manchmal ganz gut getan hätte. Scholz hatte ihn bestimmt zehn Jahre nicht mehr gesehen, doch Namens- und Zeitgedächtnis saßen tadellos. Kein Einzelfall. Meine Prognose ist dennoch: Der Auftritt heute wird Scholz im Wahlkampf ebenso wenig schaden wie schon 2021. Und genau wie vor drei Jahren ist er, obwohl nun Kanzler, der Underdog. Diese Rolle beherrscht Scholz blendend. Deshalb sollte sich die CDU eines Siegs bloß nicht so sicher sein, wie einige Christdemokraten es vermitteln: In Berlin kreisen ziemlich verfrühte Gedankenspiele zu Ministerposten… Zeitgleich bröckelt die neue christsoziale Teamfähigkeit: Nachts im ARD-Talk lässt Merz die grüne Koalitions-Frage offen, schließt nicht einmal Habeck als Wirtschaftsminister aus: „Wir brauchen gerade in der Wirtschaftspolitik einen Politikwechsel in Deutschland – mit Habeck oder ohne Habeck – das muss Habeck entscheiden, wenn er noch dabei ist.“ |