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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 16.05.2022 | Teils bewölkt bei trockenen 26°C. | ||
+ CDU gewinnt in NRW – aber wird sie auch regieren? + Grüne wollen ukrainischen Nationaltag auch in Berlin feiern + 20.000 Seiten Wahlberichte aus Berlin: Verantwortliche bleiben Antworten schuldig + |
von Lorenz Maroldt |
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Anstelle von weiterem schwerem Kriegsgerät wollen die Berliner Grünen den Kampf der Ukraine jetzt mit einem zusätzlichen Feiertag befeuern – am 24. August, dem dortigen Unabhängigkeitstag, sollen die Berlinerinnen und Berliner zusätzliche Zeit für einen schönen Ausflug in den Biergarten bekommen – auch die Spätis müssten dann ja geschlossen bleiben. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (finanziert von der Wirtschaft) kostet das Land Berlin ein zusätzlicher Feiertag 300 Millionen Euro – in Panzern umgerechnet (Modell Gepard) wären das 50 Stück. | |||||
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Und damit gleich weiter zum Wahlergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW – hier das vorläufige amtliche Endergebnis: CDU 35,7% (+ 2,7%) SPD 26,7% (- 4,5%) Grüne 18,2% (+ 11,8%) FDP 5,9% (- 6,7%) AfD 5,4% (- 2%) Linke 2% (- 2,9%) Eine erste kurze Analyse aus Berliner Sicht: Dass Kevin Kühnert aus einem um 7,2 Prozentpunkte gewachsenen Abstand zur CDU (jetzt insg. 9) einen Regierungsanspruch ableitet, zeigt 1), dass er im Sprechautomatenjob des Generalsekretärs angekommen ist, 2), dass er den Schmerzensgeldanteil seines Gehalts für Häme akzeptiert, und 3), dass er erfolgreich den Schnellkurs „Mathe mit dem Checkpoint“ absolviert hat: Für Schwarz-Gelb reicht‘s nicht mehr, eine Ampel unter SPD-Führung ist möglich – aber politisch stünde darin „Rot“ nur für die schamhafte Farbe der Ohren des SPD-Kandidaten. Und damit zur FDP – die kann jetzt ankreuzen, was ihr mehr schadet: a) eine Koalition mit der CDU wie in NRW oder b) eine Koalition mit SPD und Grünen wie im Bund. CP-Tipp: Das läuft auf c) hinaus (Opposition wie in Berlin) – und die Grünen probieren ihren politischen Pragmatismus an der Seite der CDU. | |||||
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Bleibt die Linke – oder eben auch nicht: Sie stürzt jedenfalls ungebremst Richtung Abgrund. Bereits kurz vor der Wahl hatte Pankows Bürgermeister Sören Benn eine „Nestbeschmutzung“ geschrieben, „zum Zwecke der Ermutigung“: Er fordert einen kompletten personellen Neuanfang der Jüngeren (unter 45) und in der Bundestagsfraktion eine „Palastrevolte“ – alles andere diene „nur als Strebebegleitung“. Nach der Wahl sagte Benn am Sonntagabend dem Checkpoint: „In Zeiten wie diesen wollen die Menschen Politikangebote, die gebrauchsfertig erscheinen, die klar identifizierbar sind und anschlussfähig an den Alltagsverstand. Bei der Linkspartei weiß gegenwärtig niemand, was genau sie meint und will und mit wem sie das will. Das braucht dann offenbar niemand.“ | |||||
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Erschreckend niedrig war mit 55,7 Prozent die Wahlbeteiligung in NRW – das lässt sich auch als generelles Missbilligungsvotum werten. Die Basis der Demokratie erodiert, und das schreckt auch die Berliner Parteien auf: Sollte es wegen der Pannen vom 26. September 2021 zu Neuwahlen kommen, was inzwischen auch in der Koalition für möglich gehalten wird (die CDU bereitet sich schon seit Wochen darauf vor), dürfte die Beteiligung hier kaum höher ausfallen. | |||||
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Beim Verfassungsgericht sind inzwischen die Niederschriften aller 2257 Wahllokale eingegangen – mehr als 20.000 Seiten, verteilt auf 67 Aktenordner. Der Checkpoint konnte schon mal reinschauen, erster Eindruck: Das Chaos der Wahl findet hier seine Entsprechung. Ein Teil der Berichte wurde kaum lesbar mit dem Kuli auf ausgerissenes Papier gekrakelt, manche Beiblätter tragen keine Unterschriften, andere sind nicht zu entziffern. Die Dramatik des Tages wird dagegen überall deutlich – hier ein paar Beispiele: „11.39 Uhr Meldung über baldiges Ende der Wahlzettel.“ „Bis 13.03 Uhr dringender Versuch, das Wahlamt weiter zu erreichen.“ „13.10 Uhr Stimmzettel leer – Leute aufgebracht, laut, beschweren sich über Manipulation.“ „13.37 Polizei angerufen, sie sollen jemanden schicken, kommt aber keiner.“ | |||||
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Und so geht es Seite für Seite weiter. Aber die Verantwortlichen wiegeln ab – dabei wissen sie oft selbst nicht, was los war. Hier vier einfache Fragen an Stadtrat Oliver Nöll aus Friedrichshain-Kreuzberg (Dokument SA/094/VI, Anfrage Sascha Heyl, FDP): + „Wie viele Stimmzettel wurden von den einzelnen Wahllokalen nachgefordert?“ + „Von welchen Wahllokalen wurden Stimmzettel nachgefordert, wann wurden die Nachforderungen gemeldet, wann wurde die nachgeforderten Stimmzettel ausgegeben und wann kamen die Stimmzettel in den Wahllokalen an?“ + „Wie vielen Nachforderungen konnte nicht nachgekommen werden?“ + „Wie viele Bürger:innen konnten auf Grund fehlender Stimmzettel nicht an den einzelnen Wahlen teilnehmen?“ Aus der Antwort von Oliver Nöll: „Diese Fragen lassen sich nicht im Einzelnen beantworten.“ Auch gerne verwendet: „Nähere Angaben sind hierzu nicht möglich.“ Zur Frage nach kopierten „Ersatzstimmzettel“: „Eine Erfassung der Anzahl der hergestellten, der ausgelieferten oder der abgegebenen Ersatzstimmzettel konnte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen.“ Nur so viel: Sie war „erheblich“, denn „die Vorräte an DIN-A3-Papier im Rathaus Friedrichshain wurden weitgehend aufgebraucht.“ Zu Unterbrechungen des Wahlvorgangs: Wegen „unterschiedlicher Vorgehensweisen“ der Wahlvorstände „lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob und ggf. wieviel Personen von Ihrer Wahlabsicht infolge von Schließungen / Unterbrechungen Abstand genommen haben und ob dies nur die Zweitstimme zum AGH betroffen hat oder alle Wahlvorgänge, wie Bundestagswahl, AGH-Erststimme, BVV oder Volksentscheid.“ Für Nöll steht dennoch fest: „Der Wählendenwille wurde verwirklicht und beachtet.“ Na, mal sehen, ob der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags und der Berliner Verfassungsgerichtshof das genauso sehen und das Durcheinander bis zur nächsten regulären Wahl auflösen können – oder ob sich die Wahlsieger aller Parteien das alte Punk-Motto „Cash from Chaos“ ins Pult ritzen dürfen. | |||||
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Eine kaum zu glaubende und doch typische Berlingeschichte erzählte mir vor einiger Zeit Michael Wolffsohn. Sein Großvater hatte in den 1920er-Jahren ein Grundstück am Stölpchensee in Zehlendorf gekauft und eine Villa darauf gebaut, die Nazis raubten das Eigentum, nach dem Krieg klagten die Wolffsohns es erfolgreich zurück – und verkauften das Gelände in den sechziger Jahren zwangsweise dem Bezirk, der dort eine öffentlich zugängliche Grünanlage schaffen wollte. Seitdem geschah, Sie ahnen es vielleicht schon: nichts. Jetzt hat Wolffsohn seinen Ärger aufgeschrieben – der Politik wirft er einen Betrug an seiner Familie und der Öffentlichkeit vor. Die ganze Geschichte aus seiner Sicht können Sie hier unter diesem Link lesen. | |||||
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