Newsletter 10/2022
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
 
Italien hat gewählt, und die Rechtsextremen haben gewonnen. Giorgia Meloni wird bald die erste weibliche Ministerpräsidentin in der Geschichte der Italienischen Republik sein. Sie wird von einer Mehrheit unterstützt, die nicht gemäßigt und pro-europäisch, sondern sehr euroskeptisch, nationalistisch und populistisch geprägt ist.
 
Seit dem Abend des 25. September blickt Europa mit großer Ungewissheit nach Rom: Europa wartet darauf, ob Meloni neben der Festigkeit der Beziehungen zum atlantischen Bündnis auch die zur Europäischen Union mit der gleichen Sorgfalt pflegen wird.
 
Es ist in der Tat paradox, dass die Italiener ausgerechnet in einer Zeit, in der die italienische Wirtschaft nur dank umfangreicher europäischer Finanzmittel und des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB überleben kann, eine Partei belohnen, die den Nutzen des Euro, der Europäischen Union und des europäischen Integrationsprozesses ständig in Frage gestellt hat.
 
Meloni, die für ihre neofaschistischen Positionen bekannt ist, forderte bis vor kurzem ein „Europa der Völkerˮ gegenüber einem „Europa der Bürokratenˮ, in bester souveränistischer Tradition, wie man sie bereits in Budapest und Warschau gesehen hat. Kann Italien zum Anführer des Euroskeptizismus werden, der sonst nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Frankreich, Schweden, Spanien und Österreich weit verbreitet ist?
 
Es ist noch zu früh, um das zu sagen, und Meloni versucht im Moment, nicht nur Washington, sondern auch Brüssel und Frankfurt zu beruhigen – weniger jedoch Berlin und Paris. Sollte sich die neue italienische Regierung in Opposition zur EU begeben, müssen die europäischen Institutionen beweisen, dass das aus der Asche des Nazifaschismus entstandene Europa in erster Linie eine Gemeinschaft gemeinsamer Werte ist: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Gleichheitsgrundsatz, Meinungsfreiheit, um nur einige zu nennen. Aufgabe der europäischen Institutionen ist es, diese Werte gegen jeden zu schützen, der sie in Frage stellt.
 
Das Centrum für Europäische Politik wird gemeinsam mit seinem Partnerinstitut Centro Politiche Europee | Roma die Situation in Italien weiterhin beobachten.
 
Bleiben Sie uns gewogen.
 
Prof. Dr. Andrea De Petris
Wissenschaftlicher Direktor Centro Politiche Europee | Roma
Neues Spiel: Wie wird sich die künftige italienische Regierung Europa gegenüber aufstellen?
 
Aktuelle EU-Vorhaben im Fokus des cep
Umwelt
Fahrzeuge: Schärfere Euro 7-Emissionsnormen

Die Kommission will am 12. Oktober 2022 im Rahmen ihrer Strategie „Nachhaltige Mobilität“ [COM(2020) 789; s. cepAnalyse 9/2021] und ihres Null-Schadstoff-Aktionsplans [COM(2021) 400; s. cepAnalyse 20/2021] schärfere Euro 7-Emissionsnormen für die Luftschadstoffe aller Pkw und leichten Nutzfahrzeuge [Verordnung (EG) Nr. 715/2007] sowie Lkw und Busse [Verordnung (EG) Nr. 595/2009] vorschlagen. Um zu erreichen, dass künftig Fahrzeuge während ihrer gesamten Lebensdauer umweltfreundlich sind, sollen EU-Vorschriften neue Fahrzeugtechnologien berücksichtigen und sicherstellen, dass Emissionen in Echtzeit gemessen werden.

Gewässerverschmutzung: Aktualisierung EU-Vorgaben

Die Kommission will am 26. Oktober 2022 im Rahmen ihres Null-Schadstoff-Aktionsplans [COM(2021) 400; s. cepAnalyse 20/2021] Vorschläge zur Änderung der EU-Vorgaben für „prioritäre“ Schadstoffe [Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG; Änderungsrichtlinie 2013/39/EU und Änderungsrichtlinie 2014/80/EU] sowie zur Reinigung kommunalen Abwassers [Richtlinie 91/271/EWG] vorlegen. Hierdurch will sie das EU-Recht gegen Gewässerverschmutzung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.

Luftverschmutzung: Aktualisierung der EU-Vorgaben

Die Kommission will am 26. Oktober 2022 im Rahmen ihres Null-Schadstoff-Aktionsplans [COM(2021) 400; s. cepAnalyse 20/2021] Vorschläge zur Änderungen der Richtlinien über Luftschadstoffe [2004/107/EG] und die Luftqualität [2008/50/EG] vorlegen. Hierdurch will sie das EU-Recht gegen Luftverschmutzung an die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anpassen.
 
Finanzmärkte
Zahlungsverkehr: Vorschläge zu Echtzeitüberweisungen (Instant Payments)

Die Kommission will am 26. Oktober 2022 einen Verordnungsvorschlag zu Echtzeitüberweisungen („Instant Payments“) vorlegen. Echtzeitüberweisungen sollen es ermöglichen, dass Geldbeträge bereits nach wenigen Sekunden auf dem Konto eines Zahlungsempfängers verfügbar sind und das 365 Tage im Jahr und ganztägig. Hierfür hat der Europäische Zahlungsverkehrsausschuss (EPC) das sogenannte „SCT Inst Scheme" entwickelt, welches jedoch von Zahlungsdienstleistern in der EU bisher (noch) nicht in ausreichendem Maße genutzt wird. Die Kommission will daher Maßnahmen vorschlagen, um Echtzeitüberweisungen in der EU zum Erfolg zu verhelfen, auch vor dem Hintergrund, aus industriepolitischen Erwägungen heraus, nicht gegenüber BigTech-Unternehmen weiter an Boden zu verlieren.
 
Trilog-Einigungen
Die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament verhandeln regelmäßig im sogenannten Trilog über EU-Gesetzesvorhaben, um eine gemeinsame Position zu finden. Für den behandelten Zeitraum liegen keine relevanten Einigungen vor.
 
Konsultationen
Die EU-Kommission bittet Betroffene und Interessierte in der Zivilgesellschaft regelmäßig um Stellungnahmen. Wir haben für Sie die wichtigsten Konsultationen zusammengestellt:
Umwelt
Wälder: Überwachung und Datenerhebung

Die Kommission hat im Rahmen ihrer EU-Waldstrategie 2030 [COM(2021) 572] Maßnahmen zur Verbesserung des Zustands der Wälder in der EU angekündigt. Hierzu möchte sie einen Verordnungsvorschlag zur Beobachtung, Berichterstattung und Datenerhebung vorlegen, um harmonisierte und detaillierte Informationen über den Zustand und die Bewirtschaftung der Wälder zu erlangen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 17. November 2022.

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Verbraucher
Passagierrechte: Besserer Schutz für Reisende avisiert

Die Kommission will Passagierrechte bei Verspätungen, Annullierungen und Liquiditätskrisen oder Insolvenzen von Reiseanbietern stärken, denn Verbraucher kennen ihre Rechte kaum und haben Schwierigkeiten, diese geltend zu machen und durchzusetzen. Hinzu kommt, dass Passagierrechte bei der Nutzung verschiedener Verkehrsmittel – sogenannte multimodale Reisen, zum Beispiel die Kombination von Zug und Flugzeug – nicht deckungsgleich sind. Daher sollen die bestehenden Rechtsvorschriften konsolidiert, vereinfacht und „krisenresistenter“ werden. Dadurch sollen Passagiere ihre Rechte zukünftig besser durchsetzen können. Ferner sollen auch die rechtzeitige Erstattung des Reisepreises im Insolvenzfall und die Beteiligung von Vermittlern adressiert werden.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 7. Dezember 2022.

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Rohstoffe
Kritische Rohstoffe: Europäisches Gesetz zur Versorgungssicherheit
 
Die EU-Kommission möchte zu mehr Versorgungssicherheit bei kritischen Zukunftsrohstoffen wie Seltene Erden, Lithium und Kobalt beitragen. Ziel der anvisierten Verordnung ist es, Instrumente zu schaffen, die zu einer besseren Überwachung von Versorgungsrisiken, zur Schaffung heimischer Wertschöpfungsketten sowie zum Aufbau einer neuen EU-Außenpolitik mit Blick auf kritische Rohstoffe beitragen. Dazu sollen Bezugsquellen diversifiziert und die Sekundärproduktion mittels Rohstoff-Recycling gestärkt werden.  Im Rahmen der Konsultation besteht  die Möglichkeit, eigene Vorschläge zu Maßnahmen und Schwerpunktsetzung einzubringen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 25. November 2022.

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Termine
3.-6. Oktober 2022
Straßburg

Sitzung des Europäischen Parlaments. Es geht unter anderem um das EU-Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (s. cepAnalyse 17/2021) und um schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren (s. cepAnalyse 19/2021).
 
3. Oktober 2022
Luxemburg

Treffen der Euro-Gruppe. Es ging unter anderem um die makroökonomische Situation im Euroraum und den digitalen Euro.

4. Oktober 2022
Luxemburg

Treffen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin). Es geht unter anderem um Energiepreise und REPowerEU, den Aufbauplan für Europa und die finanziellen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine.

6. Oktober 2022
Prag

Tagung der europäischen politischen Gemeinschaft. Ziel der Europäischen Politischen Gemeinschaft ist es, den politischen Dialog und die politische Zusammenarbeit zur Behandlung von Fragen von gemeinsamen Interesse zu fördern, die Sicherheit, die Stabilität und den Wohlstand auf dem europäischen Kontinent zu stärken.
 
7. Oktober 2022
Prag

Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs. Es geht unter anderem um Russlands Krieg in der Ukraine, Energie und die allgemeine wirtschaftliche Lage.

17.-20. Oktober 2022
Straßburg

Sitzung des Europäischen Parlaments. *
 
18. Oktober 2022                 
Luxemburg

Treffen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten. Es geht um einen Austausch zu den Ergebnissen der Konferenz zur Zukunft Europas.
 
20.-21. Oktober 2022
Brüsse
l
Tagung des Europäischen Rates. Es geht um die Ukraine, Energie, Fragen der Wirtschaft und Außenbeziehungen.
 
26. Oktober 2022
Brüssel

Treffen des Kollegiums der Kommissionsmitglieder. Es geht unter anderem um die Regulierung von Echtzeitüberweisungen.
 
30.-31. Oktober 2022
Prag

Informelle Tagung der Minister für Handel. *

* Die genaue Agenda stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
 
Ausgewählte cepPublikationen
cepAnalyse: EU-Data Act
Die EU-Kommission hat mit dem Data Act einen sektorübergreifenden Rechtsakt vorgeschlagen, der den Zugang zu Daten und deren Nutzung in der EU fördern soll. Das Centrum für Europäische Politik (cep) begrüßt die Förderung der Datennutzung in der EU, hält den Vorschlag jedoch in mehrfacher Hinsicht für nicht zielführend.

Zur cepAnalyse 11/2022
 
cepAdhoc: Italien steht vor einem politischen Erdrutsch
Bei den Parlamentswahlen in Italien zeichnete sich am 25. September ein Wahlsieg der extremen Rechten unter Giorgia Meloni ab. Die Rechtspopulistin gilt als besonders europaskeptisch. Dennoch rechnet das Centro Politiche Europee ROMA (cep) auch nach der Wahl von Meloni nicht mit einem EU-feindlichen Politikkurs. Der Handlungsspielraum einer Regierung aus Rechtsextremen und Mitte-Rechts-Parteien sei dafür zu gering.

Zum cepAdhoc 11/2022
 
cepAdhoc: EU-Notfallmaßnahmen für den Strommarkt
Knappe Ressourcen, explodierende Preise: Die existenzbedrohende Energiekrise zwingt EU und Mitgliedstaaten, die Kosten für Verbraucher und Unternehmen abzufedern, ohne Energiesparanreize zu gefährden. Das Centrum für Europäische Politik (cep) fordert, den Kommissionsvorschlag einer Notfallverordnung schnell umzusetzen. Eingriffe in den Strommarkt sollten aber auf diesen Winter beschränkt bleiben.

Zum cepAdhoc 10/2022
 
cepAdhoc: NIS-2-Richtlinie: Neue EU-Vorgaben zur Cybersicherheit
Hybride Kriegsführung, Hackerangriffe, Cyberattacken: Parlament und Rat haben sich in Brüssel auf neue Cybersicherheitsvorschriften verständigt. Laut der sogenannten NIS-2-Richtlinie sollen künftig rund 160.000 europäische Unternehmen und Behörden einheitlichen EU-Vorgaben zum Management von Cyberrisiken und zur Meldung von Cybervorfällen unterliegen. Das Centrum für Europäische Politik (cep) hält einige Regelungen für zu weit gefasst und fordert eine effizientere Fokussierung.

Zum cepAdhoc 9/2022
 
cepDossier
Mit dem cepDossier will das cep unterhalb der Ebene einer Studie oder Analyse auf wichtige EU-Regulierungsvorhaben hinweisen. Es berichtet über aktuelle Vorhaben und fasst diese kurz zusammen. Ziel ist es, noch schneller und interessegeleiteter Informationen zu vermitteln, die für Branchen und Stakeholder relevant sein könnten. Für den Oktober-Newsletter ist auf keine speziellen EU-Regulierungsvorhaben hinzuweisen.
 
Zum Schluss
"Tra il dire e il fare c’è di mezzo il mare", besagt ein italienisches Sprichwort. Trotz aller euroskeptischen Wahlkampfparolen ist der Handlungsspielraum einer künftigen italienischen Regierung gering. Zu sehr sind Wirtschaft und Finanzen des Landes auf die Europäischen Institutionen angewiesen. Und zwischen Reden und Machen liegt bekanntlich ein großes Meer.

Ihr Centrum für Europäische Politik
 
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