Newsletter 10/2024
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

kaum zu glauben: Russlands Diktator Wladimir Putin treibt nach wie vor munter Handel mit der Europäischen Union. Es wäre nicht einmal übertrieben zu behaupten, dass Putin die wirtschaftliche Entwicklung in Europa mit beeinflusst und davon profitiert.

Beispiel Erdöl: Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff der russischen Armee auf die Ukraine setzte Brüssel zahlreiche Sanktionen gegen Moskau in Gang. Die Abhängigkeit der EU, speziell Deutschlands, von russischen Öl- und auch Gasimporten sollte minimiert und dadurch die Kriegskasse des Kremls ausgetrocknet werden.

Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Dazu genügt allein ein Blick auf die Preistafeln deutscher Tankstellen. In Rekordtempo wurden seit Februar 2022 Lieferverträge mit Drittstaaten zum Teil in Übersee abgeschlossen. Das hätte Erdöl in der EU eigentlich verteuern müssen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Preise purzeln unter Vorkriegsniveau.

Die Erklärung ist einfach: Nach wie vor flutet russisches Öl den europäischen Markt – und das nicht einmal auf Umwegen. In russischen Ostseehäfen legt eine riesige Flotte ausgeflaggter, griechischer Tanker ab, die ungehindert ihre Fracht etwa in sizilianischen Häfen löschen darf – dort sogar mit direktem Zugang zu Raffinerien. Kriegsgewinnler lassen skrupellos grüßen. Zu viele Schlupflöcher machen die Sanktionen löchrig wie Schweizer Käse.

Beispiel Exportgüter: Die Ausfuhren von Flugzeugen und Maschinen aus der EU in russlandfreundliche Staaten wie Armenien, Aserbaidschan, Georgien oder Kasachstan haben seit Beginn des Krieges in der Ukraine um das Anderthalbfache zugenommen – die von Fahrzeugen um mehr als das Dreifache. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass die politisch Verantwortlichen in den großen Exportnationen der EU beide Augen zudrücken, um die hiesige Wirtschaft nicht vollends abzuwürgen. Damit wird allerdings das Leiden und Sterben der Menschen in der Ukraine dramatisch verlängert – ein zynisches Spiel.

Es wird Zeit, dies zu ändern und die Schlupflöcher zu stopfen.

Ihr
Dr. Jörg Köpke
Erdöl, Gas, Exportgüter: Der Handel zwischen der EU und Russland muss gestoppt werden.
 
AktuelleEU-Vorhaben im Fokus des cep
Handel | Wettbewerb
E-Commerce: Umgang mit Temu und Shein

Voraussichtlich im Oktober will die Kommission eine Mitteilung zum Umgang mit E-Commerce-Importen aus Drittstaaten veröffentlichen. Hintergrund ist die zunehmende Nutzung chinesischer Online-Händler, wie Temu oder Shein, durch europäische Verbraucher. Einzelne Bestellungen über diese Plattformen sind oft zollfrei, da sie den Wert von 150 Euro nicht übersteigen. Dies führt dazu, dass der Zweck des Zolls, etwa Wettbewerbsnachteile durch drittstaatliche Subventionen auszugleichen, nicht mehr erfüllt wird. Zudem verletzen Produkte, die über chinesische Online-Händler gekauft werden, vergleichsweise häufig EU-Sicherheitsvorgaben. Dies führt nicht nur zu Gefahren für europäische Verbraucher, es schwächt auch die Wettbewerbsposition europäischer Online-Händler, da diese die europäischen Sicherheitsvorgaben erfüllen. Hinzu kommt, dass die administrativen Konsequenzen für drittstaatliche Online-Händler bei Einfuhr nicht-EU-konformer Produkte weniger aufwendig sind als für europäische Online-Händler. Schließlich nutzen einige Online-Händler in Drittstaaten unlautere Handelspraktiken, etwa irreführende Marketingaktivitäten. Die Kommission wird in dieser Mitteilung darlegen, wie sie die Chancengleichheit zwischen europäischen und drittstaatlichen Online-Händlern erreichen will. 
 
Digitalisierung | Neue Technologien
EU startet Initiative zur Schaffung von KI-Fabriken

Die Europäische Kommission will unter dem Namen KI-Fabriken europaweit vernetzte Entwicklungszentren fördern, die auf den modernsten Supercomputern der EU basieren. In diesen KI-Fabriken sollen Start-ups, Industrie und Forschung Zugang zu Rechenkapazitäten erhalten, um die Entwicklung und Skalierung von KI-Modellen zu beschleunigen. So können Entwickler ihre KI-Modelle auf den sogenannten EuroHPC-Supercomputern trainieren und erhalten gleichzeitig Zugang zu Datenspeicherung und Dienstleistungen. Darüber hinaus sollen die Fabriken eng mit den diversen KI-Initiativen der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und so ein starkes, einheitliches europäisches KI-Ökosystem schaffen. Unterstützt wird die Initiative durch bereits existierende EU-Programme wie Digital Europe und Horizon Europe, die bis 2025 rund eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Die Ausschreibung für die KI-Fabriken läuft bis zum 31. Dezember 2025. Die erste nun angesetzte Frist endet am 4. November 2024, danach gibt es vierteljährliche Fristen, solange Mittel verfügbar sind.
 
EU Code Week 2024: Programmieren lernen für jedermann

Die EU will vom 14. bis 27. Oktober 2024 eine sogenannte EU Code Week durchführen, um europaweit digitale Kompetenzen spielerisch zu fördern. Unter den Programmen in Deutschland finden sich beispielsweise Initiativen wie ein Workshop, in dem Jugendliche mithilfe von Künstlicher Intelligenz über gesellschaftliche Fragen nachdenken, oder Veranstaltungen, in denen Grundschulkinder die Robotik entdecken. Die Veranstaltungen reichen von Einführungskursen zum kreativen Programmieren bis hin zu fortgeschrittenen Workshops, in denen IoT-Lösungen oder Roboterdesigns entwickelt werden. Interessierte können sich auf der Website anmelden und über eine Karte Veranstaltungen in ihrer Nähe finden. Ziel der Code Week ist es, Programmierkenntnisse in die Gesellschaft zu tragen und den Zugang zu Fähigkeiten wie Problemlösung, Kreativität und Teamarbeit zu ermöglichen, die im digitalen Zeitalter immer wichtiger werden. Zusätzlich zu den Veranstaltungen der EU Code Week bietet die EU das ganze Jahr über auf der Digital Skills Platform eine umfassende Sammlung von Lehrmaterialien zu digitalen Kompetenzen an. Die Plattform beinhaltet Übungen, Tutorials, Vorlesungen und Videolektionen zu Themen wie KI, maschinelles Lernen, Computer Vision und sogar Quantenphysik.
 
Informationstechnologien | Digitale Wirtschaft
Digitalisierung von Reisedokumenten soll Freizügigkeit erleichtern

Die Kommission will am 8. Oktober 2024 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Digitalisierung von Reisedokumenten vorlegen. Diesen Schritt hatte sie bereits in einer Mitteilung aus dem Jahr 2021 über einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum angekündigt [COM(2021) 277] und im Frühjahr 2023 eine Konsultation abgehalten. Mit der geplanten Digitalisierung von Reisedokumenten, die mit der Festlegung eines einheitlichen Formats für diese Dokumente einhergehen soll, sollen mehrere Ziele verfolgt werden. Digitale Reisedokumente sollen erstens im Vergleich zu physischen Reisedokumenten schneller und einfacher ausgestellt werden können. Zweitens sollen sie helfen, Grenzkontrollen zu beschleunigen. Drittens sollen sie zur Erhöhung der Sicherheit beitragen. Schließlich sollen sie den Bürgern die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit erleichtern.
 
Energie | Klima | Infrastruktur | Industrie
Energie- und Klimadiplomatie der EU

Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz COP 29, die vom 11. bis 22. November 2024 in Aserbaidschan stattfinden wird, will die Kommission am 30. Oktober eine Mitteilung über die Energie- und Klimadiplomatie der Europäischen Union veröffentlichen. Darin wird sie sich zum einen mit der Frage befassen, wie die EU-Mitgliedstaaten ihre Energieimporte durch Partnerschaften mit anderen Ländern weiter diversifizieren können. Zum anderen wird die Kommission potentielle Maßnahmen zur Unterstützung von Partnerstaaten bei der Transformation weg von fossilen und hin zu CO2-armen Energien behandeln.
 
Konsultationen
Die EU-Kommission bittet Entscheidungsträger und Interessierte in der Zivilgesellschaft um Stellungnahmen zu europäischen Politikvorhaben. Wir haben für Sie die wichtigsten Konsultationen zusammengestellt:
Umwelt
Luftschadstoffe: Reduktion der nationalen Emissionen

Die Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe – unter anderem Schwefeldioxid, Stickoxide und Feinstaub – [(EU) 2016/2284; s. cepAnalyse 24/2014] regelt Verpflichtungen, die jeder EU-Mitgliedstaat zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfüllen muss. Die Kommission will bewerten, ob die EU-Vorgaben ihre Ziele erfolgreich erreicht haben und ob sie angesichts veränderter Umstände angepasst werden sollten. Dazu können Interessenträger und Bürger im Rahmen einer Konsultation Stellung nehmen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 26. November 2024.
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Energie
Energieversorgungssicherheit: Eignungsprüfung des EU-Rechtsrahmens

Die EU verfügt über einen umfassenden Rechtsrahmen für die Energieversorgungssicherheit, der nach Sektoren – etwa Strom, Gas, Öl – gegliedert ist. Die Kommission will diese EU-Regelungen überprüfen, da sich zum einen während der Energiekrise im Anschluss an die russische Invasion der Ukraine Lücken gezeigt hätten und zum anderen die Energiewende die Energielandschaft fundamental verändere. Ziel der Konsultation ist es, Informationen zu sammeln, um die Leistungsfähigkeit des EU-Rechtsrahmens für die Energieversorgungssicherheit zu bewerten und zu prüfen, ob er weiterhin seinen Zweck erfüllt.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 26. November 2024.
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Verkehr
CO2-Emissionen von Lkw und Bussen: Überprüfung im Betrieb

Die EU hat zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge – Lkw und Busse – festgelegt [Verordnung (EU) 2019/1242; s. cepAnalyse 13/2023]. Die Kommission erarbeitet derzeit eine Durchführungsverordnung mit detaillierten Verfahrensvorschriften für die Überprüfung der CO2-Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs von schweren Nutzfahrzeugen während der Fahrt („Überprüfung im Betrieb“). Dazu will sie im Rahmen einer Konsultation die Meinung von Interessenträgern und Bürgern einholen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 10. Oktober 2024.
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Digitalisierung | Binnenmarkt
Missbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen

Die Europäische Kommission führt derzeit bis Ende Oktober eine Konsultation zu den Leitlinien über missbräuchliche Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen durch. Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet marktbeherrschenden Unternehmen missbräuchliche Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Wettbewerb durch den Ausschluss von Wettbewerbern zu beeinträchtigen. Bisher fehlten in diesem Bereich spezifische Leitlinien. Mit der Veröffentlichung des Entwurfs der neuen Leitlinien will die Kommission nun Klarheit schaffen, wie diese Regeln anzuwenden sind. Die Leitlinien sollen die Rechtsprechung der EU-Gerichte zu Behinderungsmissbräuchen widerspiegeln und die Erfahrungen der Kommission bei der Anwendung von Artikel 102 AEUV berücksichtigen. Insbesondere sollen zentrale Aspekte wie der Verbraucherschutz im Zusammenhang mit missbräuchlichen Ausschlusspraktiken, die Analyse von Marktbeherrschung im digitalen Zeitalter und die Voraussetzungen für den Nachweis von Verdrängungseffekten geklärt werden. Alle Interessierten können ihre Kommentare online einreichen. Der Entwurf der Leitlinien und weitere Informationen zur Konsultation sind auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb abrufbar.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 31.10.2024.
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Termine
4. Oktober 2024
Luxemburg


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verkündet zahlreiche Entscheidungen, unter anderem in den drei nachfolgend dargestellten Verfahren:
Spannend wird erstens sein, ob der EuGH im Fall FIFA (Rs. C-650/22) das bestehende Transfersystem des internationalen Profifußballs ins Wanken bringen wird. Hintergrund ist der Fall des französischen Profifußballers Diarra, der seinen Vertrag beim russischen Club Lokomotive Moskau 2014 vorzeitig ohne triftigen Grund gekündigt hatte. Ein Wechsel zum belgischen Club Sporting Charleroi scheiterte daraufhin unter anderem daran, dass Lokomotive Moskau sich weigerte, Diarra einen internationalen Freigabeschein (ITC) auszustellen, den dieser für die Anmeldung bei einem anderen Fußballverband benötigte. Tatsächlich darf der ehemalige Verband laut den FIFA-Regularien die Ausstellung des ITC zurückhalten, wenn zwischen dem ehemaligen Verein und dem Spieler eine Vertragsstreitigkeit besteht. Zudem wird nach den FIFA-Regeln bei Kündigung ohne triftigen Grund eine Entschädigung fällig – in Diarras Fall über 10 Millionen Euro – für die neben dem betroffenen Spieler auch der neue Verein mithaftet, der den Spieler in dieser Situation unter Vertrag nimmt. Schließlich droht dem neuen Verein eine einjährige Transfersperre, falls er den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat, was nach den FIFA-Regeln vermutet wird, sofern der Verein nicht das Gegenteil beweist.
Nach Ansicht des zuständigen EU-Generalanwalts Szpunar verstoßen diese Regeln gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und das EU-Wettbewerbsrecht (Art. 101 AEUV). Die drohende Mithaftung des neuen Clubs schrecke andere Vereine ab und hindere so Spieler tatsächlich daran, zu Vereinen in anderen Mitgliedstaaten zu wechseln. Dies beeinträchtige den Wettbewerb zwischen den Vereinen auf dem Markt für den Erwerb von Berufsspielern. Auch die Verweigerung der Ausstellung des ITC könne die Ausübung der beruflichen Tätigkeit eines Spielers in einem anderen Mitgliedstaat unmöglich machen. Die systematische Haftung des neuen Vereins sei für das Ziel der Vertragsstabilität im Profifußball und der Einhaltung eingegangener Verpflichtungen nicht erforderlich, insbesondere wenn der neue Verein nicht an der Vertragsauflösung beteiligt war.
Entscheidend wird sein, ob der EuGH (wie der Generalanwalt) annehmen wird, dass die angegriffenen Regeln eine Wettbewerbsbeschränkung „bezwecken“, so dass die Klauseln aufgrund der Nichterfüllung der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV wettbewerbswidrig wären, oder ob er davon ausgeht, dass sie eine Wettbewerbsbeschränkung lediglich „bewirken“. In diesem Fall könnte die Wettbewerbsbeschränkung möglicherweise durch das Allgemeininteresse an der Stabilität von Profifußballverträgen gerechtfertigt sein, weil sie Vertragsbrüche und vorzeitige Spielerwechsel ohne Ablöseverhandlungen verhindern soll – was der Generalanwalt jedoch für die geltende Fassung der Klauseln verneint. Folgt der EuGH der Ansicht des Generalanwalts, könnte dies das durch Ablösesummen geprägte Transferwesen im Profifußball massiv verändern.

Zweitens geht es in einem neueren Rechtsstreit zwischen dem österreichischen Datenschutzaktivisten Maximilian Schrems und Facebook Ireland Ltd. (Rs. C-446/21) unter anderem um die Frage, ob ein soziales Netzwerk wie Facebook alle personenbezogenen Daten einer Person, über die es verfügt, uneingeschränkt aggregieren und zur Bereitstellung zielgerichteter Werbung an diese Person verwenden darf, oder ob der Grundsatz der Datenminimierung dies verbietet. Nach Ansicht des zuständigen Generalanwalts, dem der Gerichtshof oft folgt, steht der Grundsatz der Datenminimierung einer völlig uneingeschränkten Verarbeitung der Daten grundsätzlich entgegen; die Gerichte müssen aber in jedem Einzelfall entscheiden, ob die Verwendung der Daten – hier zu Zwecken der personalisierten Werbung – verhältnismäßig ist. Interessant wird sein, ob und wie der Gerichtshof den Grundsatz der Datenminimierung auslegt und ob er (wie der Generalanwalt) bestimmte Vorgaben für die Verhältnismäßigkeitsprüfung macht, etwa dass – je nach genutzter Datenart – eine unterschiedliche Eingriffsintensität zu berücksichtigen sein kann.

Drittens entscheidet der EuGH im wichtigen Fall Linden-Apotheke (Rs. C-21/23) auf Vorlage des deutschen Bundesgerichtshofs möglicherweise darüber, ob DSGVO-Verstöße von Mitbewerbern zugleich verbotene unlautere Wettbewerbshandlungen beziehungsweise Geschäftspraktiken darstellen, gegen die Unternehmen sich auch nach nationalem Recht im Wege der Unterlassungsklage vor den nationalen Zivilgerichten wehren können, oder ob die Rechtsbehelfe der DSGVO insoweit als abschließend anzusehen sind. Zugleich erhält der EuGH die Gelegenheit, den weiten Begriff der sogenannten Gesundheitsdaten näher zu präzisieren. Geklagt hatte ein Münchner Apotheker, der den Online-Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel durch einen Wettbewerber, die Linden-Apotheke, über die Versandhandelsplattform Amazon Marketplace zu unterbinden sucht. Dieser Online-Vertrieb verstoße gegen die DSGVO, weil die erforderliche Einwilligung der Online-Käufer in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Gesundheitsdaten nicht eingeholt werde. 
Der Gerichtshof muss nun zunächst entscheiden, ob personenbezogene Daten, die Kunden bei einer Bestellung solcher Medikamente auf einer Verkaufsplattform wie Amazon eingeben, überhaupt als (sensible) Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 DSGVO anzusehen sind. Aus Sicht des EU-Generalanwalts sind Daten im Zusammenhang mit der Bestellung eines zwar apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Medikaments keine Gesundheitsdaten, weil aus ihnen nur ungenaue Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der bestellenden Person gezogen werden könnten – etwa weil diese das Medikament auch für eine dritte Person bestellt haben könnte. 
Folgt der EuGH dem, müsste er die besonders für Deutschland spannende Frage, ob die DSGVO es erlaubt, auf der Grundlage des UWG im Wege der Unterlassungsklage gegen Datenschutzverstöße von Konkurrenten vorzugehen, nicht mehr entscheiden. Der Generalanwalt hat jedoch hilfsweise klargestellt, dass die DSGVO nach seiner Auffassung derartige Klagen nach nationalem Recht nicht verbietet. Zwar schütze die DSGVO keine Unternehmen und ziele auch nicht darauf ab, einen freien und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten. Da der Gerichtshof bei der öffentlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts anerkannt habe, dass eine Verletzung der DSGVO bei Missbrauch einer beherrschenden Stellung einen Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht darstellen kann, müsse die inzidente Berücksichtigung einer solchen Datenschutzverletzung aber auch bei der privaten Durchsetzung möglich sein. Äußert sich der EuGH entsprechend zu dieser Frage, müssten sich wohl vor allem deutsche Unternehmern bei Datenschutzverstößen zusätzlich auf Unterlassungsklagen von Mitbewerbern einstellen.

8. Oktober 2024
Luxemburg

Treffen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin). Es geht, unter anderem, um eine Bestandsaufnahme der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF). Auch sollen Schlussfolgerungen zur Klimafinanzierung im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz (11.-22. November 2024) angenommen werden.

17.-18. Oktober 2024
Brüssel, Belgien

Treffen des Europäischer Rat. Es geht insbesondere um die Themen Ukraine, Naher Osten, Wettbewerbsfähigkeit und Migration.
 
cepNetwork
Das cepNetwork Freiburg-Berlin-Paris-Rom berichtet über aktuelle politische Ereignisse in Frankreich und Italien.
Eine prekäre Regierungsstabilität in Frankreich

Nach mehr als zwei Monaten des Wartens bildete Frankreich am 21. September 2024 eine neue Regierung. Wie erwartet wurde eine in der Fünften Republik noch nie dagewesene LR-Mitte-Koalition unter der Führung von Michel Barnier gebildet, der von Präsident Emmanuel Macron zum Premierminister ernannt wurde. Diese Koalition, die mit über 200 Abgeordneten die Mehrheit in der Versammlung stellt, beginnt ohne einen klaren Arbeitsplan und mit vielen großen Meinungsverschiedenheiten bei gesellschaftlichen Themen. Die Regierung „Barnier I“ umfasst mit Didier Migaud nur eine Figur aus dem Mitte-Links-Lager. Dieser, die Nummer zwei hinter Barnier, scheint dies akzeptiert zu haben, um im Nachhinein einen Sitz im Verfassungsrat zu erhalten. Dieses Kabinett markiert außerdem einen Rechtsruck mit Figuren wie Bruno Retailleau im Innenressort und Laurence Garnier im Verbraucherressort, die gegen die Ehe für alle und gegen die PMA ist. Dieser Kurs, der verstärkte Sparmaßnahmen und einwanderungsfeindliche Gesetze ankündigt, ist darauf zurückzuführen, dass Macron politische Stabilität gewährleisten musste, da die extreme Rechte ihn bei den Misstrauensanträgen passiv unterstützte.
 
G7-Minister sprechen über Innovation und digitale Transformation

Am 15. und 19. Oktober wird Italien Gastgeber zweier wichtiger G7-Ministertreffen zum Thema Innovation und digitale Transformation sein. Aufbauend auf der Hiroshima-Erklärung der G7 will der italienische Ratsvorsitz einen robusten Überwachungsmechanismus für den G7-Verhaltenskodex für Künstliche Intelligenz (KI) einrichten, der eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung im Einklang mit demokratischen Werten gewährleistet. Dieser Schwerpunkt scheint die Vision der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen widerzuspiegeln, die kürzlich eine Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie ernannt hat. Darüber hinaus konzentriert sich die italienische G7-Präsidentschaft in Bezug auf KI unter anderem auf die digitalen Transaktionen im öffentlichen Sektor. Dieses Thema wird auch im Draghi-Bericht als eine wichtige Empfehlung genannt. In der Tat kann der Einsatz von KI die öffentlichen Verwaltungen in die Lage versetzen, öffentliche Güter effektiver bereitzustellen, Kosten zu senken und die Effizienz zu maximieren. Bei gleichzeitiger Wahrung ethischer Standards und der Gewährleistung, dass der technologische Fortschritt der Gesellschaft als Ganzes zugutekommt, besteht im Falle der EU und Italiens jedoch zweifellos die dringende Notwendigkeit, die digitale Innovation zu fördern, um auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.
 
Meloni erhält den Global Citizen Award 

Am 23. September erhielt Giorgia Meloni in New York den Global Citizen Award des Atlantic Council von Elon Musk. Es gibt mehrere Interessen, die zu dieser Annäherung geführt haben. Eine davon ist das italienische Weltraumgesetz, das vorsieht, dass Italien sich mit einer Reserve an Übertragungskapazität durch Satellitenkommunikation ausstattet, um den Betrieb strategischer, militärischer und ziviler Dienste im Falle eines Ausfalls der terrestrischen Internetnetze zu gewährleisten. Es gibt zwei Unternehmen aus der EU oder der NATO, die diesen Dienst anbieten: OneWebaus Frankreich und Starlink von Musk, das über zehnmal mehr Satelliten und niedrigere Kosten verfügt und daher im Falle einer Ausschreibung bevorzugt werden würde. Italien will sich mit einem Backup-Netz ausstatten, während die EU angeblich ihr eigenes Netz (Iris2) entwickelt, ein Projekt, das vom ehemaligen französischen Binnenmarktkommissar Thierry Breton gewünscht wurde, aber derzeit auf Eis liegt. Eine mögliche Partnerschaft mit Musk könnte die Schaffung eines italienischen digitalen Reservenetzes erleichtern, aber auch das Projekt eines echten europäischen Netzes verzögern, das die neue Kommission wahrscheinlich in naher Zukunft wieder aufgreifen wird.
 
cepPublikationen
cepInput: Resilience Auctions for Net-Zero Technologies
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Die grüne Transformation der EU stützt sich auf wenige zentrale Technologien wie Windkraft und Photovoltaik. Um bestehende Importabhängigkeiten zu reduzieren, will die EU auf Resilienzkriterien in öffentlichen Ausschreibungen setzen. Das Centrum für Europäische Politik (cep) hält diese für sinnvoll, plädiert aber für eine passgenauere Umsetzung.

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cepInput: In Search of Laws of Robotics
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Immer leistungsfähigere Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) stellen Politik und Entwickler vor immer größere Herausforderungen. Wie kann garantiert werden, dass diese mächtigen Motoren der Digitalisierung sicher eingesetzt werden? Das Centrum für Europäische Politik (cep) fordert, ethische Grenzen und Regeln verbindlich bereits in den Bau der KI-Systeme zu integrieren.

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cepAdhoc: Die (Ohn-)Macht der digitalen (Un-)Ordnung
cepInput: Alkohol gefährdet die Gesundheit: cep fordert EU-einheitliches Label nach irischem Vorbild
Die Digitalisierung ist in ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft noch weitgehend unverstanden. Künstliche Intelligenz ist keine Gefahr an sich, sondern wird zu einer erst durch die Veränderungen der Gesellschaft, die sie auslöst. Um eine umfassende digitale Unordnung zu verhindern und eine tragfähige digitale Ordnung für eine weiterhin liberale und demokratische Gesellschaft zu errichten, ist es bedeutsam, das zivilisatorische und kulturelle Konzept einer digitalen Gesellschaft zu entwerfen.

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cepAnalyse: Klimarisiken und Klimaresilienz
Fluten, Dürre, Ernteausfälle: Die Europäische Kommission warnt, dass Europa sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt erwärmt. Die negativen Folgen des Klimawandels sind bereits spürbar. Um die EU klimaresilienter zu machen, will die Kommission klären, wie durch Anpassungsmaßnahmen vorgesorgt werden kann, wer dafür verantwortlich ist und wer letztlich die Kosten trägt. Das Centrum für Europäische Politik (cep) begrüßt diesen Ansatz.

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cepAdhoc: Der neue Europäische Pakt zu Migration und Asyl
Die Migrations- und Asylpolitik ist seit langem ein zentrales Element der europäischen politischen Agenda, sowohl in der EU als auch in ihren Mitgliedstaaten. In den letzten Monaten der vergangenen Legislaturperiode einigte sich die Union auf den Neuen Pakt zu Migration und Asyl, der einen neuen europäischen Rahmen für dieses Thema schafft.

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Common Ground of Europe
Die internationale Webseite „Common Ground of Europe” geht auf eine Initiative des Centres for European Policy Network (cep) zurück. Auf commongroundeurope.eu sammelt das cep vor allem englischsprachige Beiträge, Artikel und Interviews von Entscheidungsträgern und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Wir laden Sie herzlich dazu ein, durch unser Schaufenster nach Europa zu blicken. Im Folgenden finden Sie Beispiele aus dem vergangenen Monat.
At the Crossroads: European GreenDeal Becomes Clean Industrial Deal
Im Herbst 2024 steht die Klimapolitik der Europäischen Union am Scheideweg: Nach fünf Jahren intensiver politischer Diskussionen und Verhandlungen haben die EU-Institutionen eine Vielzahl von Rechtsakten verabschiedet, die den von Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit 2019 vorgeschlagenen Europäischen Green Deal kodifizieren. Heute, vor dem Beginn ihrer zweiten Amtszeit, werden die Herausforderungen, vor denen die EU und ihre Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen Rechtsrahmens stehen, immer deutlicher, insbesondere im Hinblick auf seine sozioökonomischen Auswirkungen.

Zum Beitrag
 
Is Turkey the Trojan Horse of Chinese Companies to Enter Europe?
Die Türkei hält sich mehrere Türen offen. Neben ihrem Status als NATO-Mitglied und als historischer Partner des Westens unterhält sie zunehmend intensive Wirtschaftsbeziehungen zu China, das in Ankara ein trojanisches Pferd sieht, um die Mauer der EU-Kommission zu durchbrechen.

Zum Beitrag
 
Zum Schluss
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

mit Blick auf das Umschiffen der Russland-Sanktionen möchte man ausrufen: Keine Hand kann so schmutzig sein wie der Charakter mancher Menschen.

Bleiben Sie uns gewogen.
Ihr
Dr. Jörg Köpke
 
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