Anspruch und Wirklichkeit Vor 110 Jahren beschrieb der flämische Dichter Willem Elsschot eine enttäuschte Ehe mit dem bis heute im flämischen Kollektivgedächtnis verbliebenen Satz: „Denn zwischen Traum und Tat steht das Gesetz im Weg' und praktische Probleme“. Letztere hinderten den Mann daran, seine Frau umzubringen. Ganz so drastisch ist die Lage der EU vielleicht nicht. Dennoch: Elsschots Satz beschreibt die Beziehungsprobleme in der EU sehr treffend. Praktische Probleme entstehen der EU durch das Veto Polens und Ungarns gegen die Verknüpfung des EU-Haushalts mit der Rechtsstaatlichkeit. Das kommt nicht nur zur Unzeit; es stellt auch nicht weniger als die Fundamente der Europäischen Unionsehe in Frage. Man darf skeptisch sein, ob der EU-Gipfel vom 10. Dezember dafür eine Lösung finden wird, die dieses Wort auch verdient. Auch bei den Träumen über die Zukunftspläne der EU gehen die Vorstellungen auseinander. Frankreich träumt schon länger von einer Europäischen (auch militärischen) Souveränität. Deutschland setzt mit der Wahl Bidens eher auf die Karte der multilateralen Zusammenarbeit. Elsschot war übrigens ein Vertreter der illusionslosen und nüchternen „neuen Sachlichkeit“. Vielleicht sollte sich die EU daran orientieren.
Dr. Bert van Roosebeke Fachbereichsleiter |