Newsletter 7/2023
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
 
durch Europa geht ein Riss. Ein Riss, der härter trennt als Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede oder religiöse Spannungen. Ein neuer Eiserner Vorhang, nur diesmal unsichtbar, ohne Panzersperren und Selbstschussanlagen - aber nicht minder explosiv. 
 
Europa spaltet sich zunehmend auf in kleine Inseln der Prosperität und weite Landstriche der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und sozialen Einöde. In Italien blickt der wohlhabende Norden herablassend auf den ökonomisch abgehängten Süden. In Frankreich blüht die Île-de-France mit Paris als pulsierendem Zentrum, während sich eine sogenannte Diagonale der Zurückgelassenen quer durch das Land zieht. In Polen bildet sich in den Großstädten eine digital-affine Latte-Macchiato-Oberschicht in krassem Kontrast zu hoffnungslos rückständischen Regionen auf dem Land. Und überall das Gleiche: keine Ärzte, keine Schulen, keine Busse, kein Internet. 
 
Deutschland hat auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall die Unwucht zwischen Ost und West nicht überwunden. Das große Geld wird nach wie vor in den alten Bundesländern verdient, während Ostelbien allenfalls als verlängerte Werkbank herhalten muss - übrigens kein Unterschied zu den Zeiten vor der Wende. Die Bundesrepublik hat ihr Wirtschaftswunder auch den Brüdern und Schwestern in der DDR zu verdanken, die zu Spottpreisen für westdeutsche Konzerne produzierten und so traumhafte Renditen durch Billiglöhne garantierten.  
 
Nun mag man sagen, dass es diese Unterschiede schon immer gegeben hat. Doch wenn sich dazu eine Krise der demokratischen Institutionen und Parteien gesellt, entsteht eine toxische Mischung. Und genau die treibt immer mehr Menschen an die extremen Ränder. Es ist nicht allein wirtschaftlicher Frust, der den Stimmenanteil für ultranationalistische, faschistische oder rechtspopulistische Strömungen anschwellen lässt. Es ist die Verbindung aus Abgehängtsein und einem Gefühl der politischen Hilflosigkeit, dem Eindruck des Nicht-Gehörtwerdens. 
 
Die Ergebnisse dieser verfehlten Politik sind erschreckend. In Deutschland eilt die rechtsextreme AfD im Osten von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. In Polen untergräbt die nationalistische Regierungspartei PiS dank ihrer treuen Wählerschaft auf dem Land individuelle Freiheiten und die Gewaltenteilung. In Frankreich schickt sich die Rechtspopulistin Marine Le Pen an, die nächste Präsidentin zu werden. Und Italien wird längst von der Faschistin Georgia Meloni regiert. 
 
Wenn es Europa nicht gelingt, diese Spaltung zu überwinden, sieht die Zukunft düster aus. Doch der alte Kontinent hat schon oft bewiesen, zu welchen Wandlungen er fähig ist, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Es lohnt sich. 
 
Bleiben Sie uns gewogen. 
 
Ihr
Dr. Jörg Köpke
Marode Infrastruktur: Abgehängte Regionen in Europa lassen die Gefahr extremer Ränder wachsen.
 
Aktuelle EU-Vorhaben im Fokus des cep
Digitale Wirtschaft
DSGVO: Punktuelle Änderungen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Durchsetzung

Wie sehr die Uneinigkeit der EU-Datenschutzbehörden die Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verzögert, hat erneut die Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde im Fall Meta im Mai gezeigt. Damit der in der DSGVO geregelte Mechanismus zur Kooperation und Streitbeilegung zwischen den Behörden künftig reibungsloser funktioniert, will die Kommission einzelne Aspekte des Verwaltungsverfahrens harmonisieren, das die nationalen Datenschutzbehörden in grenzüberschreitenden Fällen anwenden. Ihren zunächst für das zweite Quartal 2023 angekündigten Vorschlag hierzu wird sie nun im Juli vorlegen. Unter anderem will die Kommission Fristen für die Zusammenarbeit festlegen, Fragen zum Informationsaustausch klären und die Konsensbildung erleichtern. Eine umfassende DSGVO-Reform soll es aber nicht geben.
 
Metaverse: Kommission fordert Offenheit und Interoperabilität

Die Kommission will am 11. Juli eine Initiative zu sogenannten virtuellen Welten – oft zusammengefasst unter dem Stichwort Metaverse – vorlegen. Im Metaverse können Menschen als Avatare sozial, kulturell, politisch und wirtschaftlich in Echtzeit und mit haptischer Wahrnehmung miteinander agieren. Virtuelle Welten stecken zwar noch am Anfang ihrer technischen Entwicklung, doch es werden ihnen bereits immense Wachstumschancen und Potenziale zum Beispiel in den Bereichen Medizin, Fertigung oder intelligente Städte prognostiziert. Die Initiative der Kommission soll wohl nicht unmittelbar zu einem neuen Gesetz führen, zielt jedoch darauf ab, anderweitig die Grundlagen für Vertrauen, Sicherheit, Innovation und Wettbewerb und damit ein zukunftsfähiges Metaverse-Ökosystem in der EU zu schaffen. So will die Kommission unter anderem den Zugang zu Finanzmitteln für Start-ups sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) erleichtern und die Kultur- und Kreativbranche der EU dahingehend fördern. Zudem zielt die Initiative darauf ab, dass die EU weltweit eine Führungsrolle in der Entwicklung und Standardisierung des Metaverse einnimmt und die Entstehung neuer Gatekeeper verhindert.
 
Umwelt
Gesunde Böden: Kommission definiert Indikatoren und Anforderungen

Die Kommission will am 5. Juli als Teil des Rechtsetzungspakets „Lebensmittel und Biodiversität“ unter anderem ein „Bodengesundheitsgesetz“ vorschlagen, das sie bereits in ihrer EU-Bodenstrategie für 2030 [COM(2021) 699] angekündigt hatte. Derzeit sind etwa 12,7% der Böden in Europa von mäßiger bis hohe Erosion betroffen. Zudem nimmt die Wüstenbildung in der gesamten EU zu. Durch das Bodengesundheitsgesetz sollen Indikatoren für die Bodengesundheit und Anforderungen für eine nachhaltige Nutzung der Böden festgelegt werden.
 
 
Abfallrahmenrichtlinie: EU nimmt Textilien und Lebensmittelabfälle in den Blick

Die Kommission will am 5. Juli als Teil des Rechtsetzungspakets „Lebensmittel und Biodiversität“ unter anderem eine Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie vorschlagen [2008/98/EG; s. cepStudie, S. 19 ff.]. Ziel ist es insbesondere, das Abfallaufkommen auch bei Lebensmitteln weiter zu verringern sowie bei Textilien die Wiederverwendung zu steigern und ein hochwertiges Recycling zu erreichen.
 
Verkehr
Internationaler Güterverkehr: Kommission befasst sich mit Schiene, Straße und Binnenschifffahrt

Die Kommission will am 11. Juli ihr Rechtsetzungspaket „Ökologisierung des Güterverkehrs“ veröffent­lichen. Dieses soll Vorschläge zur Erhöhung des Schienenanteils im internationalen Verkehr, zur Änderung der Richtlinie über Maße und Gewichte im Güterverkehr [96/53/EG; s. cepAnalyse 32/2013] sowie einen neuen Anlauf für die in der letzten Legislaturperiode gescheiterte Änderung der Richtlinie zum Kombinierten Verkehr [92/106/EWG; s. cepAnalyse 5/2018] umfassen. Im Anschluss an das Fit-for-55-Klimapaket zur Reduzierung der CO2-Emissionen des Luft-, See- und Straßenverkehrs [s. cepAnalyse 17/2022, cepAnalyse 6/2022] soll dies nun die Effizienz des internationalen Güterverkehrs in den Bereichen Schiene, Straße, Binnenschifffahrt erhöhen.
 
Trilog-Einigungen
Die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament verhandeln regelmäßig im sogenannten Trilog über EU-Gesetzesvorhaben, um eine gemeinsame Position zu finden. Wir haben für Sie die wichtigsten Trilog-Einigungen seit dem Newsletter im vergangenen Monat zusammenstellt:
Digitale Wirtschaft
Trilog-Einigung zu digitalen Visaverfahren

Am 13. Juni haben der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über die Vorschriften zur Digitalisierung des Visumverfahrens erzielt. Die Kommission hatte im April 2022 einen Vorschlag für eine vollständige Digitalisierung des Schengen-Visasystems der EU vorgelegt, um das Antragsverfahren effizienter zu gestalten und die interne Sicherheit zu erhöhen [COM (2022) 658]. Die Einigung sieht vor, dass Antragsteller, abgesehen von wenigen Ausnahmen, ihr Visum zukünftig über eine virtuelle Plattform beantragen und bezahlen können, was das Verwaltungsverfahren vereinfachen wird. Zudem wird die derzeitige Visummarke durch ein digitales Visum ersetzt, was das Risiko für Fälschungen oder Diebstähle senken soll. Angesichts der aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Migration und Sicherheit und des Rückstands in der Bearbeitung von Anträgen, der auf die COVID‑19-Pandemie zurückgeht, verspricht die Digitalisierung der EU-Visumpolitik erhebliche Effizienzsteigerungen für Bürger und Unternehmen.
 
Gesundheit
Trilog-Einigung zu Asbestvorschriften für besseren Schutz von Arbeitnehmern
 
Am 27. Juni wurde eine politische Einigung über neue Asbestvorschriften erzielt. Asbest ist ein hochgefährlicher und krebserregender Stoff, der zwar seit 2005 verboten ist, aber weiterhin in älteren Gebäuden zu finden ist. Asbest stellt insbesondere für die Arbeitnehmer eine Gefahr dar, die diesem Stoff aufgrund von Renovierungsarbeiten ausgesetzt sind. Die neuen Vorschriften sehen unter anderem einen geringeren Asbest-Höchstwert und eine neue Methode, die sogenannte Elektronenmikroskopie, zur Messung von Asbest vor. Des Weiteren sollen Arbeitgeber Anstrengungen unternehmen, um vorab Materialen zu identifizieren, in denen Asbest vorkommen könnte.
 
Finanzmärkte| Verbraucher
Finanzdienstleistungen: Neue Verbraucherschutzvorgaben für den Fernabsatz

Am 6. Juni 2023 haben sich der Rat und das Europäische Parlament vorläufig auf eine Überarbeitung  der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen geeinigt. Die Kommission hatte den Review der Richtlinie bereits im Mai 2022 initiiert [COM(2022) 204, s. cepAnalyse 12/2022]. Hintergrund ist die Feststellung, dass sich der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen in den vergangenen Jahren spürbar gewandelt hat und immer häufiger digital stattfindet. Mit der Einigung soll es nun insbesondere neue Vorgaben zum Schutz der Verbraucher geben. So sollen Verbraucher künftig das Recht erhalten, auf ein Eingreifen einer Person zu pochen, sofern Online-Tools wie etwa Chatbots oder Robo-Advice für den Erwerb einer Finanzdienstleistung eingesetzt werden. Auch sollen Verbraucher besser vor irreführenden Benutzeroberflächen, sogenannten Dark pattern, geschützt werden. Und nicht zuletzt sollen Anbieter von Finanzdienstleistungen, aber auch Anbieter anderer, im Fernabsatz geschlossener Verbraucherverträge verpflichtet werden, Widerrufsfunktionen, etwa in Form von Widerrufbuttons, in ihre Benutzeroberflächen zu integrieren. Die Einigung muss nun noch formell von Rat und Europäischem Parlament angenommen werden, bevor die neue Richtlinie in Kraft treten und die alte Fernabsatzrichtlinie ersetzen kann.
 
Finanzmärkte
Geldwäschebekämpfung: Strafverfolgungsbehörden erhalten Zugang zu Bankkontoauszügen 

Am 6. Juni 2023 haben der Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung  über den Zugang von nationalen Behörden auf Finanzinformationen erzielt. Laut einer neuen Richtlinie zur Überarbeitung der Geldwäscherichtlinie, die derzeit auf EU-Ebene verhandelt wird [COM(2021) 429], sollen die Mitgliedstaaten Informationen aus zentralen Bankkontenregistern über einen einheitlichen Europäischen Zugangspunkt für Unternehmensdaten (European Single Access Point, ESAP) zur Verfügung stellen müssen. Die technische Infrastruktur für den ESAP wird durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) bis Ende 2024 bereitgestellt. Laut der Richtlinie sollen nur zentrale Meldestellen der Mitgliedstaaten (Financial Intelligence Units, FIUs) auf Informationen über verdächtige Finanzaktivitäten über den ESAP zugreifen dürfen. Um den Zugang von Strafverfolgungsbehörden zu Finanzinformationen zu beschleunigen und zu erleichtern, haben sich der Rat und das Parlament nun darauf verständigt, auch Strafverfolgungsbehörden den gleichen Zugang zu solchen Daten zu ermöglichen. Mit dem vereinfachten Zugang sollen Finanzermittlungen erleichtert, illegale Geldströme schneller entdeckt und Erträge aus Straftaten zügiger beschlagnahmt und eingezogen werden.
 
Basel III: Bankenreformen vor dem Abschluss

Am 27. Juni 2023 haben sich der Rat und das Europäische Parlament (EP) vorläufig auf eine Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung [(EU) Nr. 575/2013] und der Eigenkapitalrichtlinie [2013/36/EU] geeinigt. Mit der Überarbeitung der beiden Rechtsakte kommen die Bemühungen der EU zur Umsetzung der internationalen Basel-III-Vereinbarungen zu einem Abschluss. Mit einer so genannten „Output-Floor“-Regelung soll eine Begrenzung der Variabilität des von den Banken mittels interner Modelle berechneten Kapitalniveaus erreicht werden. Ferner einigten sich die Verhandler auf Neuregelungen zum Umgang mit Kredit-, Markt- und operationellen Risiken. Auch neue Mindestanforderungen für Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten soll es geben, genauso wie neue Vorschriften zum Umgang der Banken beim Management von ökologischen, sozialen und die Governance betreffenden Risiken (ESG-Risiken). Außerdem einigten sich Rat und Parlament auf eine Stärkung der Unabhängigkeit der Bankaufsichtsbehörden und die Schaffung einer vorübergehenden Aufsichtsregelung für Krypto-Vermögenswerte. Die vorläufige Trilogeinigung muss noch von Rat und Parlament offiziell angenommen werden, bevor die Neuregelungen in Kraft treten können.
 
Zentralverwahrer: Einigung auf Neuregelungen zu Wertpapierlieferungen und -abrechnungen

Am 27. Juni 2023 haben sich der Rat und das Europäische Parlament (EP) vorläufig auf eine Überarbeitung der Verordnung zur Verbesserung von Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der EU und über Zentralverwahrer [(EU) Nr. 909/2014, s. cepAnalyse] geeinigt. Zentralverwahrer sind Einrichtungen, die als Kerndienstleistungen Wertpapierliefersysteme und Wertpapierabrechnungssysteme betreiben, zentrale Wertpapierdepotkonten führen und die erstmalige Verbuchung von Wertpapieren vornehmen. Im Rahmen der Überarbeitung soll es Zentralverwahrern erleichtert werden, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend innerhalb der EU anbieten zu können. Hierfür sollen die bereits bestehenden Regelungen zum sogenannten Passporting vereinfacht werden. Auch soll die Aufsicht über Zentralverwahrer durch eine bessere Zusammenarbeit der einschlägigen Behörden verbessert werden. Zudem wurden Neuregelungen beschlossen, mit denen erreicht werden soll, dass Wertpapiere auch tatsächlich zum vorgesehenen Zeitpunkt abgerechnet werden und sich damit die Abwicklungseffizienz verbessert. Dazu zählt etwa die Verhängung von Geldstrafen, wenn die Parteien einer Wertpapiertransaktion das Wertpapier nicht rechtzeitig liefern oder für das Wertpapier bezahlen. Die vorläufige Einigung muss noch offiziell von Rat und Parlament angenommen werden, bevor die neue Verordnung in Kraft treten kann.
EU stärkt Markttransparenz und verbietet „Payment for order flow“-Praxis

Am 29. Juni 2023 haben sich der Rat und das Europäische Parlament (EP) vorläufig auf eine Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente [MiFID, 2014/65/EU] und der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente [MiFIR, (EU) Nr. 600/2014] geeinigt. Die EU-Kommission hatte die Überarbeitung der beiden Rechtsakte bereits im November 2021 angestoßen [COM(2021) 726 und COM(2021) 727]. Im Zentrum der Einigung steht die Erhöhung der Transparenz über Handelsdaten. Da diese bisher verstreut bei Börsen und Investmentbanken lagern und es für Anleger daher aufwändig ist, an die Daten zu gelangen und sie zu vergleichen, sollen „konsolidierte Datenticker“ entstehen. Diese sollen die Informationen über die Preise und Volumina von Finanzinstrumenten von zahlreichen Ausführungsplätzen bündeln. Ferner soll zur Vermeidung von Interessenkonflikten die Praxis verboten werden, bei der Broker Aufträge ihrer Kunden an bestimmte Handelsplätze weiterleiten und diese ihnen hierfür als Gegenleistung eine Gebühr zahlen („Payment for order flow, PFOF“). Diese Praxis wurde bisher vielfach von einigen Neobrokern – etwa Trade Republic – eingesetzt. Das Verbot soll ab Ende Juni 2026 gelten. Zudem sollen im Rahmen der Überarbeitungen einige Vorschriften zur Transparenz bei Nicht-Eigenkapitalinstrumenten – zum Beispiel Anleihen und Derivate – und Vorgaben zum Umgang mit Warenderivaten angepasst werden. Die vorläufige Einigung muss noch offiziell von Rat und Parlament angenommen werden, bevor die überarbeiteten MiFID und MIFIR-Rechtsakte in Kraft treten können.
 
Informationstechnologien |
Digitale Wirtschaft
Trilog-Einigung zur EUid-Verordnung

Am 29. Juni wurde eine vorläufige politische Einigung über die EUid-Verordnung [COM(2021) 281; cepAnalyse 25/2021] erzielt. Sie soll Bürgern die Möglichkeit geben, digital – z.B. mittels einer Smartphone-App – ihre Identität oder Berechtigungen und Bescheinigungen wie die Fahrerlaubnis oder einen Universitätsabschluss nachzuweisen. Die hierzu nötigen sog. digitalen Brieftaschen sollen die Mitgliedstaaten einführen. Ihre Behörden und ausgewählte private Akteure, z.B. in regulierten Branchen wie Banken, sollen verpflichtet werden, die in diesen digitalen Brieftaschen enthaltenen Nachweise zu akzeptieren.
 
Data Act: EU schafft Rechtsrahmen für einen verstärkten Austausch von Daten

Am 27. Juni 2023 haben sich Rat und Parlament vorläufig auf ein Datengesetz (Data Act) geeinigt. Die EU-Kommission hatte dieses bereits im Februar 2022 vorgestellt [COM(2022) 68, s. cepAnalyse 11/2022]. Mit dem Data Act soll unter anderem ein einheitlicher, sektorübergreifender Rahmen für den Datenzugang und die Datennutzung etabliert werden. Insbesondere soll der Zugang zu Daten verbessert werden, die bei der Nutzung vernetzter Produkte – zum Beispiel ein intelligentes Haushaltsgerät oder eine intelligente Industriemaschine – erzeugt werden. Ferner sollen Grundregeln für die Erfüllung gesetzlicher Datenbereitstellungspflichten festgelegt und Unternehmen vor missbräuchlichen Vertragsklauseln geschützt werden. Zudem sollen öffentliche Stellen leichter Zugang zu Unternehmensdaten erhalten, sofern außergewöhnliche Umstände vorliegen. Dies betrifft insbesondere öffentlichen Notstände – etwa Überschwemmungen oder bestimmte Aufgaben im öffentlichen Interesse. Und nicht zuletzt etabliert der Data Act zusätzliche Pflichten für Cloud-Computing-Anbieter, um deren Kunden den Wechsel zu anderen Anbietern zu erleichtern. Die vorläufige Einigung muss noch offiziell von Rat und Parlament angenommen werden, bevor die neue Verordnung in Kraft treten kann.
 
Informationstechnologien
Justiz: EU will Digitalisierung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit stärken

Am 28. Juni 2023 haben sich der Rat und Parlament vorläufig auf eine neue Verordnung über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen sowie eine Richtlinie über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit geeinigt. Die Kommission hatte den Vorschlag für die Verordnung [COM(2021) 759] und der Richtlinie [COM(2021) 760] im Dezember 2021 präsentiert. Ein wesentliches Element der Einigung ist die Einrichtung einer europäischen elektronischen Anlaufstelle über die Bürger und Unternehmen mit den zuständigen Behörden, aber auch die Behörden untereinander Informationen zu Zivil-, Handels- und Strafsachen austauschen können. Bürger und Unternehmen sollen über die Anlaufstelle zudem auch Klagen einreichen können. Ziel ist es, die europäischen EU-Justizsysteme digitaler aufzustellen, für Bürger und Unternehmen zugänglicher zu machen und grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren zu vereinfachen. Die Einigung muss noch formell angenommen werden, bevor sie in Kraft treten kann.
 
Konsultationen
Die EU-Kommission bittet Entscheidungsträger und Interessierte in der Zivilgesellschaft um Stellungnahmen zu europäischen Politikvorhaben. Wir haben für Sie die wichtigsten Konsultationen zusammengestellt:
Klima
CO2-Grenzausgleich (CBAM): Durchführungsverordnung

Die Kommission bittet um Rückmeldungen zu ihrem Entwurf der CBAM-Durchführungsverordnung, die die Übergangsphase vom 1. Oktober 2023 bis 31. Dezember 2025 regeln soll: EU-Importeure von Waren, die dem CBAM unterliegen, müssen zunächst nur über deren CO2-Emissionen berichten, aber noch keinen CO2-Ausgleich zahlen. Der Entwurf enthält Einzelheiten zu Berichterstattungspflichten sowie Vorgaben für die Methode zur Berechnung der während des Herstellungsprozesses von CBAM-Waren freigesetzten CO2-Emissionen.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 11. Juli 2023.
Zur Konsultation

Klimaneutralität: CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung in der Industrie

Die EU will die Emissionen von Treibhausgasen (THG) bis 2050 netto auf null senken („Klimaneutralität“). In bestimmten Industriezweigen, in denen THG-Emissionen schwer zu reduzieren sind, soll das Ziel der Klimaneutralität auch durch CO2-Abscheidung und -Speicherung („Carbon Capture and Storage“, CCS) und CO2-Abscheidung und -Nutzung („Carbon Capture and Utilisation“, CCU) erreicht werden. Durch die Konsultation will die Kommission Meinungen einholen, wie CCS- und CCU-Technologien am besten zum Erreichen der Klimaneutralität beitragen können.
 
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 31. August 2023.
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Umwelt
Elektro- und Elektronikgeräte: Überprüfung der WEEE-Richtlinie

Die WEEE-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte [2012/19/EG, s. cepAnalyse] soll die schädlichen Auswirkungen von Elektro- und Elektronik-Altgeräten auf die Umwelt und menschliche Gesundheit vermeiden oder verringern. Durch die Konsultation will die Kommission Meinungen einholen, wie gut die WEEE-Richtlinie zum Erreichen anderer EU-Ziele wie etwa des europäischen Grünen Deals beiträgt. So will die Kommission prüfen, inwiefern die WEEE-Richtlinie geeignet ist, das Recycling kritischer Rohstoffe bei Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu intensivieren.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 22. September 2023.
Zur Konsultation
 
Finanzmärkte
Nachhaltigkeitsberichterstattung: Erste Entwürfe für EU-Standards

Seit dem 5. Januar 2023 ist die neue Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD, s. cepAnalyse 21/2021 und cepAdhoc 2/2023) in Kraft. Sie verpflichtet insbesondere große Unternehmen und börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dazu, in ihre Lageberichte nachhaltigkeitsbezogene Informationen aufzunehmen. In der CSRD ist festgelegt, dass die Kommission unter Berücksichtigung von Vorarbeiten der Europäischen Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG) mehrere delegierte Rechtsakte erlassen muss, um den Inhalt und die Struktur der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu konkretisieren. Bis zum 30. Juni 2023 sollte die Kommission einen ersten Satz an branchenunabhängigen Berichtsstandards erlassen. Sie gelten für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen, unabhängig davon, in welchen Sektoren die jeweiligen Unternehmen tätig sind. Am 9. Juni 2023 hat die Kommission nun eine Konsultation zu einem ersten Satz an Berichtsstandards veröffentlicht. Er enthält zwei bereichsübergreifende Standards sowie insgesamt zehn Standards zu ökologischen, sozialen und die Governance betreffenden Aspekten. Die Kommission will nun die Meinung von Interessenträgern zu diesen Berichtsstandards einholen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 7. Juli 2023.
Zur Konsultation
 

ESG-Ratings: Neuer Rechtsrahmen vorgelegt

Am 13. Juni 2023 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Stärkung der Transparenz und Integrität von Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG-Ratings) vorgelegt [COM(2023) 314]. Solche Ratings dienen der Meinungsbildung über die Exposition eines Unternehmens oder einer Einrichtung gegenüber ökologischen, sozialen und/oder die Governance betreffenden Faktoren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nach dem Vorschlag müssen sich die Anbieter solcher ESG-Ratings künftig einem Zulassungsprozess bei der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) unterziehen. Sie dürfen ferner nicht gleichzeitig Beratungsdienstleistungen gegenüber Investoren und Unternehmen anbieten, zu denen sie auch ein Rating ausarbeiten. Auch sollen sie etwa keine Kreditratings erstellen dürfen. Zudem müssen die Analysten und Mitarbeiter der Anbieter über die nötigen Kenntnisse zur Abgabe von ESG-Ratings verfügen. Und nicht zuletzt müssen die Anbieter die Öffentlichkeit und ihre Kunden über die Methoden und Modelle informieren, die sie bei der Erstellung der Ratings verwenden. Nach der Vorlage des Vorschlags können Interessenträger nun Stellung zu der Verordnung nehmen. Parallel dazu sind das Europäische Parlament und der Rat am Zug. Sie müssen zunächst ihre jeweiligen Positionen zu dem Verordnungsvorschlag festzurren, bevor im Anschluss die Trilogverhandlungen starten können.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 20. August 2023.
Zur Konsultation.
 

Digitaler Euro: Kommission setzt der EZB Leitplanken

Am 28. Juni 2023 hat die Kommission einen Rechtsrahmen zur Etablierung des digitalen Euro vorgelegt (s. auch cepAktuell). Dieser besteht aus einem Vorschlag für eine Verordnung zur Etablierung des digitalen Euro [COM(2023) 369], einem Verordnungsvorschlag über die Erbringung digitaler Euro-Dienstleistungen durch Zahlungsdienstleister mit Sitz in Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist [COM(2023) 368] und einem Verordnungsvorschlag über den Status von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel [COM(2023) 364]. Die Kommission setzt der Europäischen Zentralbank (EZB) damit einige Leitplanken. Diese prüft derzeit eine Einführung des digitalen Euro im Jahr 2026. Die Kommission will diesen als gesetzliches Zahlungsmittel etablieren. Als solches gelten bis dato nur Banknoten und Münzen. Bis auf wenige Ausnahmen für Kleinstunternehmen und natürliche Personen, soll eine Annahmepflicht für alle Wirtschaftsakteure gelten. Der digitale Euro soll von der EZB begeben, aber dann von Banken und anderen Zahlungsdienstleistern verteilt werden. Er soll Bargeld als das klassische Zentralbankgeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Aus Finanzstabilitätsgründen soll die EZB dafür sorgen, dass jeder Nutzer nur begrenzt digitale Euro besitzen darf. Er soll nicht als Wertaufbewahrungsmittel, sondern primär zu Zahlungszwecken genutzt werden. Grundlegende Dienstleistungen rund um den digitalen Euro sollen für natürliche Personen kostenlos sein. Aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre sollen Zahlungen auch offline ermöglicht werden. Nach der Vorlage der Vorschläge können Interessenträger nun Stellung zu den Verordnungsentwürfen nehmen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 28. August 2023.
Zur Konsultation über die Verordnung über Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel hier und über die Verordnung über die Einführung des digitalen Euro hier.
 

Offenes Finanzwesen: Kommission will Zugang zu Finanzdaten erleichtern

Am 28. Juni 2023 hat die Kommission einen Rechtsrahmen zu den europäischen Zahlungsmärkten vorgelegt (s. auch cepAktuell). Dieser besteht aus einem Vorschlag für eine Verordnung über einen Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten [COM(2023) 360], einem Verordnungsvorschlag über Zahlungsdienste im Binnenmarkt [COM(2023) 367] sowie einem Richtlinienvorschlag über Zahlungsdienste und E-Geld-Dienste [PSD III, COM(2023) 366], der die bestehende 2. Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II) und die E-Geld-Richtlinie (EMD) ersetzen soll. Teil des Pakets sind Maßnahmen zur Bekämpfung und Eindämmung von Zahlungsbetrug, etwa die Erlaubnis für Zahlungsdienstleister Informationen zum Zahlungsbetrug auszutauschen. Ferner sollen die Verbraucherrechte gestärkt werden, etwa über verschärfte Transparenzvorgaben bezüglich der Gebühren bei Bargeldabhebungen. Zudem sollen Zahlungsdienstleister das Recht zur Eröffnung eines Bankkontos erhalten, sofern sie keine Banken sind. Damit soll der Wettbewerb zwischen Banken und Nicht-Banken forciert werden. Als weiteren Schritt will die Kommission dem Handel ermöglichen, auch dann Bargeld an Verbraucher auszuhändigen, wenn diese dort nichts einkaufen. Dies soll auch in Zukunft sicherstellen, dass Verbraucher leicht an Bargeld kommen. Außerdem sollen die Kunden von Finanzinstituten künftig leichter Zugang zu ihren Finanzdaten erhalten und ihnen die Möglichkeit geben, diese an Dritte weiterzugeben. Nach der Vorlage der Vorschläge können Interessenträger nun Stellung zu den Verordnungsentwürfen nehmen.

Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 28. August 2023.
Zur Konsultation über die Verordnung über einen Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten (FDAR) hier, über die Verordnung über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (PSR I) hier und über die Richtlinie über Zahlungsdienste und E-Geld-Dienste im Binnenmarkt (PSD III)  hier.
 
Termine
4. Juli 2023
Luxemburg
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verkündet ein Urteil in der Rechtssache C-252/21 (Meta Platforms). Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundeskartellamts, Meta die Verknüpfung von Nutzerdaten verschiedener Dienste wie Instagram oder WhatsApp mit Facebook-Konten einzuschränken. Der EuGH hat insbesondere zu entscheiden, ob nationale Wettbewerbsbehörden die Einhaltung der DSGVO prüfen dürfen.
 
10. Juli 2023
Brüssel

Treffen des Rates für allgemeine Angelegenheiten
 
10.-13. Juli 2023
Straßburg
Sitzung des Europäischen Parlaments. Es geht unter anderem um EMA-Gebühren und das Chip-Gesetz.
 
13. Juli 2023
Brüssel
Treffen der Euro-Gruppe
 
14. Juli 2023
Brüssel
Treffen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin).
 
24.-25. Juli 2023
Bilbao
Informelles Treffen der Minister für Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt und Industrie).
 
27.-28. Juli 2023
Las Palmas de Gran Canaria
Informelles Treffen der Gesundheitsminister.*

* Die genaue Agenda war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt
 
Ausgewählte cepPublikationen
cepStudie: Regulatorische und finanzielle Belastungen durch EU-Gesetzgebung in vier Mitgliedstaaten – eine vergleichende Untersuchung, Teil 4
Deutsche Familienunternehmen leiden unter den Folgen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie verursacht unnötige Kosten und stiftet Verwirrung, weil nicht überall in der EU gleiche Regeln gelten. Das ist das Ergebnis einer empirischen Studie, erstellt vom Centres for European Policy Network (cep) und der Prognos AG im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.

Zur cepStudie
 
cepAnalyse: Kritische Rohstoffe
Kobalt, Lithium, Seltene Erden: Bei kritischen Rohstoffen will Europa seine Abhängigkeit von Lieferländern wie China reduzieren. Das Centrum für Europäische Politik (cep) lobt die Kommission, die Versorgungssicherheit verbessern zu wollen. Allerdings sei ihr bisheriger Vorschlag zu bürokratisch und wirtschaftsfeindlich.

Zur cepAnalyse
 
cepAnalyse: Prospekt- und Marktmissbrauchsvorschriften
Die Kommission will kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unter anderem durch Bürokratieabbau einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten ermöglichen. Das Centrum für Europäische Politik (cep) bewertet den Vorschlag zum sogenannten Listing Act als überwiegend positiv. 

Zur cepAnalyse
 
Zum Schluss
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
 
Charles Darwin sagte einst: „Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel.“ Lassen Sie uns hoffen, dass sich Europa dem Guten zuwendet.
 
Ihr Dr. Jörg Köpke
 
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