| | | | Herzlich willkommen zum neunten China-Newsletter des Jahres 2023! Im Alter von 68 Jahren ist mit dem früheren chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang, einer der letzten ranghohen Wirtschaftsreformer Chinas verstorben. Sein Tod markiert das Ende einer Ära. In den vergangenen Jahren hatte der Wirtschaftsreformer zusehends an Einfluss verloren und war im März dieses Jahres in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger nach über 10 Jahren im Amt wurde Li Qiang. Weitaus weniger lange waren Qin Gang und Li Shangfu, ehemals Außen- und Verteidigungsminister im Amt. Nur wenige Monate nach ihrer Vereidigung verschwanden die beiden Minister im Sommer nacheinander von der Bildfläche. Nun wurde ihre Amtsenthebung und die zweier weiterer hochrangiger Minister offiziell bekannt gegeben. Die genauen Hintergründe dieser Veränderungen innerhalb der chinesischen Führungsebene bleiben jedoch weiterhin im Dunkeln. Auch auf globalpolitischer Ebene gab es unter China-Beobachter:innen viel Gesprächsstoff. Trotz der Hoffnung auf ein bevorstehendes Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, sind die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten weiterhin angespannt. Dies hat Auswirkungen auf die Deeskalation in Nahost, wo die Interessen der beiden Nationen aufeinanderprallen. Ein weiterer Krieg stellt die internationale politische Weltordnung und Chinas Rolle darin auf die Probe. Peking hat bisher eine klare Positionierung im Nahost-Konflikt vermieden und verurteilt pauschal jegliche Gewalt. Die Teilnahmen der afghanischen Taliban sowie Putins beim Belt and Road Forum senden jedoch klare Zeichen. In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick auf das harte Durchgreifen der Regierung gegen vermeintlich illegale NGOs in China. Ebenfalls berichten wir über die kürzlich abgehaltene Women Empowerment Conference in Peking sowie Initiativen zur Förderung der Biodiversität in China. Außerdem ist der Veranstaltungsbericht über unseren zweiten China-Salon "Chinas kritische Stimmen" online. Dazu gibt es wie immer Dinge zum Vormerken, Empfehlungen, Veranstaltungshinweise und etwas Chinesisch zum Schluss. Das China-Programm wünscht viel Vergnügen bei der Lektüre! Joanna Klabisch Leonie Suna-Kiefer Regelmäßig informiert auf unseren China-Seiten: www.asienhaus.de/china/ www.stimmen-aus-china.de |
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| | | | | | | Seit Juni 2023 erfährt Chinas zivilgesellschaftliche Sphäre eine erneute großangelegte Überprüfung nationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das zuständige Ministerium für Zivile Angelegenheiten (Moca) hat angekündigt, dass die Maßnahme insgesamt sechs Monate dauern wird. Ihr Hauptziel ist die Identifizierung von sogenannten "illegalen Organisationen, die unter dem Deckmantel von NGOs operieren". Diese „gefährden die nationale Sicherheit, schaden dem öffentlichen Interesse und störten die soziale Ordnung“, so übersetzte China Development Brief, die inzwischen gelöschte Verlautbarung des Ministeriums in der China Philanthropy Times. Ein Bericht des Ministeriums benannte die Zahl, der bisher untersuchten und der „Illegalität“ verdächtigten Organisationen auf über 700. Im Rahmen des "Crackdowns" wurden viele dieser Organisationen mit Strafen belegt, verboten oder sofort aufgelöst. Auch die Bevölkerung wurde für das Thema sensibilisiert und ermutigt, potenziell gefährliche oder illegale Organisationen zu melden. Die Initiative läuft parallel zu einer Kampagne des Ministeriums für Staatssicherheit, die sich mit dem Schutz gegen potentielle Spionage durch internationale Akteure befasst, darunter auch Unternehmen und NGOs. Diese Kampagne versucht ebenfalls chinesische Bürger:innen in staatliche Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen einzubeziehen. Der philanthropische Sektor Chinas ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Anzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen in China liegt bei 900.000, darunter über 9.000 Stiftungen. Einige prominente Fälle von Spendengeldmissbrauch und Korruption, wie der Fall des chinesischen Roten Kreuzes, werden als Begründung für die verstärkte staatliche Kontrolle und das harte Durchgreifen herangezogen. Die "Crackdowns" die vermehrt in den letzten Jahren durchgeführt wurden, basieren jedoch auf äußerst intransparenten Voraussetzungen. Bisher sind nur etwa 70 der 700 betroffenen Organisationen namentlich online auffindbar. Unter den von den Verboten, Auflösungen und Strafverfolgungen bekannten betroffenen Organisationen befindet sich eine thematische Vielfalt, die eine kategorische Identifizierung der Verdachtsgrundlage unmöglich macht. Zu den betroffenen Organisationen gehören Umwelt- und Tierschutzgruppen, religiöse Vereinigungen, Wirtschaftsverbände und sogar ein Kunstinstitut. | | |
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| Women Empowerment Conference in Peking |
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| | | | , Mitte September fand in Peking die „Women Empowerment Conference“ (女性发展会议) statt, organisiert vom Women Empowerment Council (WEC/女性发展协会), ein durch namhafte Unternehmen gegründetes Netzwerk, mit dem Zweck die weibliche Perspektive in der Ökonomie zu stärken. Das Ziel der Konferenz war es, die Teilnahme chinesischer Frauen in der Wirtschaft auf allen Ebenen zu würdigen und zu fördern; wie auch die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen. Während der Veranstaltung, an welcher mehr als 400 Personen teilnahmen, sprachen sich eine Reihe prominenter Sprecher:innen, wie z.B. Smriti Aryal, die Leiterin des UN-Women Büros in China sowie die ehemalige Weltklasse Tennisspielerin Li Na, für diesen Zweck aus. In Rahmen der Beiträge wurde auch eine vom WEC und Merck in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Können Frauen ‚alles haben‘? Wie sich die Karriereplanung auf die Familienplanungsentscheidungen chinesischer Frauen auswirkt“ vorgestellt. Darin wurde unter anderem festgestellt, dass insbesonders gebildete Frauen in Großstädten ihren Kinderwunsch häufig aufgrund von Zeitmangel hintenanstellen. Auszeitformate, die nicht zu einer Benachteiligung im Arbeitsleben führen, sind selten. Die Herausforderungen, denen Frauen bei der Vereinbarung von Karriere, Familie und persönlicher Selbstfürsorge gegenüberstehen, werden in der Studie als "dreifache Belastung" benannt, die berufliches Vorankommen erschwert. Vor allem in Zeiten des staatlich propagierten gesellschaftlichen Konservatismus sind Veranstaltungen wie diese von zentraler Bedeutung, um die Relevanz von Geschlechtergerechtigkeit hervorzuheben. In China wird eine konservative, pronatalistische Politik im Bereich der Geschlechtergleichstellung verfolgt und feministische Perspektiven oft unterdrückt. Es gibt jedoch noch immer feministische Bewegungen und Organisationen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen. Frauen im Wirtschaftssektor zu unterstützen, leistet einen Beitrag dazu, zivilgesellschaftliches Engagement in diesem herausfordenden Themenbereich zu legitimieren. | | |
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| Kompensationszahlungen für Biodiversität |
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| | | | Chinesische Unternehmen, die beim Bau ihrer Projekte Umweltschäden verursachen, sind verpflichtet, diese Schäden aktiv zu kompensieren. Alternativ können sie dem Staat finanzielle Ausgleichszahlungen zukommen lassen, sodass dieser mit den Geldern den ökologischen Ausgleich vornehmen kann. Einerseits ist das ökologische Kompensationssystem zu begrüßen, andererseits weist es in der Umsetzung noch zahlreiche Mängel auf. Ein Problem liegt in der schwachen Regulierung der Ausgleichszahlungen. Das Ausmaß von Umweltschäden ist schwer zu quantifizieren. Eine Vereinheitlichung der Bemessung, wie auch dem Schaden angemessene finanzielle Ausgleiche zu errechnen, ist dringend notwendig. Die Zerstörung einzigartiger Ökosysteme kann aktuell nicht ausreichend kompensiert werden. Grünflächen können zwar erhalten oder renaturiert werden, ob sie die geschädigte Tier- und Pflanzenwelt ersetzen, ist jedoch zu hinterfragen. In den vergangenen Jahren hat China in internationalen Foren und auch als Gastgeber der Biodiversity COP15 mehrfach die Bedeutung von Biodiversität betont und das eigene Engagement für deren Schutz unterstrichen. In den letzten Jahren sind kontinuierlich Maßnahmen, mit dem Ziel, die ökologische Vielfalt zu fördern, umgesetzt worden, zum Beispiel die Vergrößerung von Schutzgebieten besonders gefährdeter Arten. Die Relevanz dieses Anliegens ist groß, da sich ein Verlust an Biodiversität unter anderem negativ auf diverse Sektoren neben dem Umweltschutz auswirkt. Auch die Landwirtschaft leidet darunter - somit stellt Biodiversitätsverlust unmittelbar auch eine Gefahr für die Wirtschaft dar. Der Erhalt der Biodiversität ist ein äußerst komplexes Unterfangen, das der Komplexität natürlicher Habitate versucht gerecht zu werden. Chinesische NGOs spielen eine entscheidende Rolle in diesem Sektor, da sie eigene Expertise, fehlende Perspektiven in staatliche Policy-Bemühungen einbringen und in der Lage sind, das Problem in einem konstruktiven Dialog mit den lokalen Bevölkerungen und Regierungvertreter:innen anzugehen. Ein gutes Beispiel ist das Projekt der NGO "Gansu Green Camel Bell" (甘肃省绿驼铃环境发展中心), die seit 2017 daran arbeitet, die Lebensgrundlage des Chinesischen Riesensalamanders zu verbessern. Der Bestand dieser Spezies war in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Überfischung und Zerstörung ihres Lebensraums stark zurückgegangen. Green Camel Bell lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und somit auch staatlicher und wirtschaftlicher Stakeholder auf diese Problematik und arbeitet aktiv für einen Schutz dieser einzigartigen Spezies. | | |
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| Bericht vom China Salon des 29. September |
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| | | | Am 29. September veranstalteten wir gemeinsam mit dem Berlin Contemporary China Network (BCCN) den zweiten China Salon des Jahres. Diese Veranstaltung fand erneut im hybriden Format statt. Sie begann mit digitalen Impulsvorträgen von Dr. Daniel Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitherausgeber des kürzlich erschienenen Buchs „Die Zukunft mit China denken“, sowie Andrew Methven, dem Gründer des renommierten Online-Sprachblogs "Slow Chinese". Anschließend fand in den Räumlichkeiten der Stiftung Asienhaus eine Diskussion mit Zoe Qian, Mitbegründerin von "Slow Chinese", statt. Ziel der Veranstaltung war es, den Teilnehmenden diverse Formen der öffentlichen Kritikäußerung in China näherzubringen. | | |
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| | | Hong Kongs Bureaucrats Don't Make Good Authoritarians [Foreign Policy] Chizuko Ueno: The japanese writer stoking China's feminist underground [The Guardian] Language Policy in Inner Mongolia and its Implications for Chinese and International Human Rights [China Research Center] Jewish Conspiracy Theories Find An Audience in China [China Media Project] |
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| | Unsere Empfehlungen – 津津乐道 |
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| | | | Feminismus in China | | Li Tingting (李婷婷/李麦子), eine prominente chinesische Feministin und Mitglied der bekannten Feminist Five, teilt in diesem Artikel ihre Erfahrungen mit Überwachungsmaßnahmen, denen sie während ihres Aktivismus´ über Jahrzehnte ausgesetzt war. Dieser persönliche Erfahrungsbericht zeigt die subtilen Taktiken, die angewendet werden, um die chinesische Bevölkerung zu kontrollieren und unliebsamen Aktivismus zu unterdrücken. Damit gewährt sie uns ein Bild in die täglichen Herausforderungen, denen Aktivist:innen in China begegnen. | | |
| | | Chinas Umweltschutz | | Umweltschutz in China ist seit 1978 in der Verfassung verankert, doch Umweltprobleme haben eine lange Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Belastungen werden hauptsächlich von Landwirtschaft und Industrie verursacht - trotz staatlicher Maßnahmen und internationaler Beteiligungen. China kämpft mit Umweltproblemen und sucht Lösungen auf verschiedenen Ebenen. In ihrem Podcast "China ungeschminkt" gehen die Autor:innen des bekannten Newsletters "Chinapolitan" auf eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ein. | | |
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| | | Digital Governance in China | | Die FU-Berlin führt in Zusammenarbeit mit dem Berlin Contemporary Network Berlin (BCCN) in diesem Winter eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Digital Governance in China" durch. In sechs Online-Veranstaltungen zwischen Anfang November und Ende Januar teilen internationale Wissenschaftler:innen ihr Fachwissen zu digitalem Regieren in China. Veranstaltung November: The Gilded Cage: Technology, Development and Capitalism Referentin: Ya-Wen Lei, Harvard University Veranstalter: TU Berlin, BCCN Datum: Do.,02.11.23 Uhrzeit: 14:15 - 15:45 Uhr (MEZ) Sprache: Englisch Ort: Online via Webex Registrierung erforderlich | | |
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| | "China: Partner, Konkurrent, Systemrivale"- Erwartungen an die Umsetzung der China-Strategie der Bundesregierung | | Mit der neuen China-Strategie plant die Bundesregierung eine Antwort auf die sich verändernden Beziehungen mit China. Diese Veranstaltung bringt mehrere China Expert:innen zusammen und lässt diese einen Dialog über die kommenden Herausforderungen für die China-Strategie führen. Anschließend ist ein Q&A geplant. Moderiert wird die Veranstaltung von Prof. Dr. Patrick Köllner, Vizepräsident des GIGA und Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien. Referenten: MdB Roderich Kiesewetter und Jörg Wuttke Moderation: Prof. Dr. Patrick Köllner Veranstalter: Leibniz-Institut für Globale and Regionale Studien (GIGA-Institut) Datum: Mo., 06.11.2023 Uhrzeit: 13-14 Uhr Ort: Online Registrierung erforderlich | | |
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| | Global Populism: Dr. Jekyll or Mr. Hyde? | | In den letzten Jahren hat der Aufstieg des Populismus die globale politische Landschaft beeinflusst. Prof. Dr. Yu Keping wird in seinem Vortrag den globalen Populismus aus politikwissenschaftlicher Sicht beleuchten und die ihm zugrunde liegenden Triebkräfte, Erscheinungsformen und Folgen diskutieren, um den transformativen Einfluss des globalen Populismus auf die zeitgenössische Politik zu beleuchten. Referent: Prof. Dr. Yu Keping 俞可平 Moderation: Prof. Dr. Thomas Heberer, Universität Duisburg-Essen Veranstalter: Konfuzius-Institut Berlin Datum: Mo., 06.11.2023 Uhrzeit: 18:15 Uhr Sprache: Englisch | | |
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| | Chinesen im Handel, Afrika im Wandel - unerhörte Auswirkungen chinesischer Präsenz in Afrika | | Kooperation zwischen China und Afrika sind seit vielen Jahren ein fester Bestandteil chinesischer Handelspolitik. Mit Dr. Carsten Giese aus Hamburg versucht dieser Vortrag die Beziehungen des Handels zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser klarzumachen und anhand anschaulicher Fallbeispiele auf lokaler Ebene, das alltägliche Miteinander chinesischer und afrikanischer Akteure aufzuzeigen. Veranstalter: Konfuzius-Institut Trier Datum: Di., 21.11.2023 Uhrzeit: 19:30 Uhr - 21:00 Uhr Ort: VHS Trier, Palais Walderdorff Raum 5 Gebühr: 5€ Keine Registrierung erforderlich | | |
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| | | Das Idiom 指鼠为鸭 zhǐ shǔ wèi yābedeutet übersetzt "Auf eine Ratte zeigen und sie eine Ente nennen". Diese Redewendung basiert auf einem Vorfall in einer chinesischen Mensa, bei dem ein Student in seinem Essen einen Rattenkopf gefunden hatte. Das Küchenpersonal behauptete hartnäckig, es handle sich um ein Stück Entenhals. Die Verwendung des Idioms hat sich etabliert, um sich in Fällen von mangelnder Lebensmittelqualität kritisch zu äußern. Das Ideom lehnt sich inhaltlich und phonetisch an der berühmten chinesische Redewendung, zhǐ lù wéi mǎ 指鹿为马, was soviel bedeutet wie "einen Hirsch, ein Pferd nennen" und dafür genutzt wird, wenn etwas falsch dargestellt wird. |
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| | Bildquellen: josh-appel@unsplash, Taha-Aawtv@unsplash, marten-bjork@unsplash, molnar-szabolcs-erdely@pixabay, Asienhaus, tobias-tullius@unsplash, will-Francis@unsplash. |
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| | China-Programm der Stiftung Asienhaus Hohenzollernring 52 50672 Köln joanna.klabisch@asienhaus.de leonie.suna-kiefer@asienhaus.de |
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