Liebe/r Leser/in, einen Strammen Max bekam ich noch ganz ordentlich hin, Spaghetti arrabiata immerhin halbwegs – mehr war an Pfanne oder Topf für mich einfach nicht drin; ich hatte nie gelernt zu kochen. Doch mit Corona entdeckte ich die Cuisine. Die Verhaftung zu Hause wird zur Verheißung am Herd. Inspiriert vom Service eines Food-Start-ups, experimentiere ich nun mittags im Home-Office in der Küche, statt wie gewohnt in die Kantine zu gehen. Das Start-up übernimmt meine Essensplanung sowie den Einkauf und liefert frische, regionale und vorportionierte Zutaten direkt nach Hause. Es sind leicht nachzukochende Rezepte – immer in sechs Schritten, mit Bildern, maximal 40 Minuten, und das Gericht ist auf dem Teller. Ja, Kochen macht Spaß, Essen verbindet – jetzt erst recht, seitdem der Fluchtweg ins Restaurant abgeschnitten wurde. Der Mann auf dem Titel dieser Ausgabe ist ein König der Küche: Jamie Oliver, als Mittzwanziger der King of Cool Britannia, der im Alleingang einer ganzen Nation beigebracht hat, dass schnelles, gutes Essen nicht nur aus der Mikrowelle kommen muss. Er kochte für Tony Blair in Downing Street Nr. 10, wurde berühmt, dann reich und schließlich Aktivist. Er revolutionierte das Schulessen in Großbritannien, sammelte für seine Kampagne mehr als eine halbe Milliarde Pfund ein – und zeigte Kindern, wie man sich gesund ernährt und welche Folgen Essen für uns und die Welt hat. Mein Stellvertreter Jörg Harlan Rohleder, nebenbei erwähnt auch ein großartiger Koch, kennt Jamie Oliver lange und hat ihn gebeten, uns bei der Titelgeschichte zu unterstützen. Jamie, der seine Kochsendung derzeit aus der heimischen Corona-Kitchen streamt, lässt Sie schön grüßen – in unserer Titelgeschichte ab Seite 38, wo Sie nicht nur Rezepte vom berühmtesten Fernsehkoch der Welt, sondern auch von unserem Küchenphilosophen und Kolumnisten Yotam Ottolenghi und der Spezialistin für gesunden Genuss, Sarah Wiener, finden werden. Unsere verrückte neue Welt namens Coronistan. Sie hat ihre eigenen Gesetze, insbesondere für Wirtschaft und Gesellschaft. Und sie stürzte viele Menschen über Nacht in völlig neue Lebenslagen, in denen das Kräftespiel zwischen digitaler und analoger Welt neu vermessen wird. Einerseits zwingen die Ausgangssperren den Großteil der Bürger zu einer ganz persönlichen digitalen Transformation (jeder zweite Deutsche im Home-Office, Einkaufsverhalten vermehrt online, Streaming explodiert, Telemedizin). Auf der anderen Seite haben viele Menschen plötzlich mehr Zeit für sich und die Familie, mehr Zeit zu lesen, zum Kochen – auch das Sexualverhalten ändert sich, legen neue Studien dar. Coronistan, wie lange noch? Die ersten zaghaften Lockerungen der Kontaktverbote wurden diese Woche beschlossen (Seite 28), und wir schauen nach vorn: Wer sind die Menschen, die unsere Zukunft nun neu denken? Welche Lehren ziehen wir aus dem Shutdown, und welche Chancen bietet die neue Zeit? Darüber schrieben bereits in den vergangenen Ausgaben Visionäre wie Bill Gates, Yuval Noah Harari oder David Sedaris. In diesem Heft können Sie sich wieder auf Brainfood freuen: Bestsellerautor und Historiker Yuval Noah Harari schreibt erneut ab Seite 22 über unsere Welt nach dem Virus und wie Entscheidungen, die wir heute treffen, unser Leben auf Jahre hinaus verändern könnten. Der Multimillionär Klaus Fischer, Inhaber des Familienunternehmens Fischer (Dübel), denkt auf Seite 36 über „Chancen und Moral in der Krise“ nach. Im Wissenschaftsteil (Seite 64) geht es um den Durchbruch der Telemedizin, im Kulturteil (Seite 72) erzählen Kreative, wie sie dem Shutdown trotzen. Ein Nachschlag noch, falls Sie Appetit bekommen haben: Aus dem Hause Burda, dem Unternehmen, das auch FOCUS publiziert, gibt es ein neues Magazin im Handel: „Wir kochen zu Hause“, ein Heft für 1,99 Euro, das auf die neuen Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten infolge der Corona-Krise reagiert. Bleiben Sie gesund, und behalten Sie sich Ihren Appetit! |