Ein widerständiger Geist Warum nur kehrt dieser Mann in das Land zurück, das ihm ganz offensichtlich nicht wohlgesonnen ist? Die Frage stellten sich viele, als Alexej Nawalny gestern aus Deutschland auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo eintraf und sogleich verhaftet wurde – wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen in Russland. „Außerordentlich mutig“, twitterte der republikanische US-Senator Ted Cruz sofort, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Außenminister Heiko Maas und viele andere verurteilten die Aktion Russlands, die umso absurder ist, als dem Putin-Kritiker in einem Vorort von Moskau schon heute an Ort und Stelle der Prozess gemacht wird.
Aber in den Reaktionen der Weltöffentlichkeit liegt zugleich auch eine Erklärung für Nawalnys Rückkehr in seine Heimat. Der 44-Jährige braucht für den Kampf gegen Russlands Präsident Wladimir Putin die internationale Öffentlichkeit. Im gemütlichen Schwarzwald, weiter rekonvaleszierend, kann er sie nicht erreichen. Mutige, spektakuläre Aktionen braucht er auch für seine Anhänger, um ihren Widerstandsgeist wach zu halten. Schließlich wurden auch viele von ihnen in den vergangenen Monaten verhaftet.
Nawalny war noch nie ein Vertreter der leisen Töne, der Typ des intellektuellen Oppositionellen. Seine Wirkung und seine Glaubwürdigkeit verdankt er auch den Großdemonstrationen zu Hause, dem Mobilisieren von Menschen in Russland. Das unterscheidet ihn übrigens von dem anderen großen Putin-Gegner Michail Chodorkowski, der seit Jahren versucht, die Fäden von London aus zu spinnen, und sich nicht wieder nach Russland wagt. Im Herbst wird sich zeigen, ob Nawalnys Mut die Risiken und Entbehrungen, die sicher kommen, wert waren. Da wählen die Russen ein neues Parlament. Und Nawalny ist wild entschlossen, Putins Partei „Einiges Russland“ maximal zu schwächen. | Gudrun Domeitet, Politik & Wirtschaft |
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