| Guten Morgen, wie beim Märchen vom Hasen und dem Igel rennt die Politik die Furche rauf und runter, aber wo immer sie auch ankommt: Das Virus ist schon da – mal als Original, immer öfter aber auch (unerkannt) als Mutation. Die Aufgabe, die von der Coronarunde im Kanzleramt heute deshalb zu lösen ist, lautet: Welche Taktik ist politisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich die Beste, um sich mit vorsorglichen Maßnahmen einen Vorsprung zu verschaffen, anstatt wie bisher mit nachträglichen Maßnahmen den Viruszahlen wenig erfolgreich bis zum Kollaps hinterherzuhecheln? Die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut hatte bereits in der vorherigen Merkel-Runde auf ein viel härteres Vorgehen gedrängt: „Macht alles zu“, lautete ihr Rat. Doch anstatt auf sie zu hören, wurde sie diesmal gar nicht erst eingeladen. „Die war etwas zu forsch“, hieß es – einige Ministerpräsidenten fühlten sie von ihr „wie kleine Kinder“ behandelt. Vielleicht auch deshalb, weil einige von ihnen sich immer wieder wie solche benehmen? Nichts hören, nichts sehen, dann geht der Spuk schon vorbei? Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass z.B. Sachsens MP Michael Kretschmer, der inzwischen einen harten Kurs vertritt, im Januar 2021, also nach fast einem Jahr mit apokalyptischen Bildern, bedauernd erklärt: „Ich hätte mir gewünscht, dass ich früher gewarnt worden wäre.“ (Q: „Freie Presse“). Oder dass Niedersachsens MP Stephan Weil einen „grundsätzlichen Strategiewechsel“ für unnötig hält und allen Ernstes behauptet, dass mit der Teilöffnung von Schulen „keine Risiken verbunden sind“. (Q: „ZDF heute journal“). Die Expertenrunde, die gestern Abend zur „Schalte“ mit dem Corona-Kabinett der Kanzlerin und den Ministerpräsidentinnen zusammenkam, warnte jedenfalls unmissverständlich – vor allem vor der Dynamik, die von der hoch ansteckende Virusmutation ausgelöst wird. Für neunzig Minuten war das Gespräch angesetzt, am Ende wurden es drei Stunden. Die Namen der zugeschalteten WissenschaftlerInnen: + Professor Wieler (RKI) + Professor Drosten (Charité) + Professorin Brinkmann (TU Braunschweig) + Professor Meyer-Hermann (Helmholtz) + Professor Krause (Helmholtz) + Professorin Betsch (Uni Erfurt) + Professor Apweiler (Bioinformatics Institute) + Professor Nagel (TU Berlin) Kai Nagel, Physiker und Verkehrssystemplaner, hat mit Simulationen hochgerechnet, dass die Virusvariante bereits im März die dominante Form in Deutschland sein könnte und warnt: „Es hat sich was geändert.“ Und auch Merkel sagte: „Ohne diese Mutation hätten wir dieses Treffen nicht gehabt.“ Weitere Vorschläge aus der „Schalte“: + Nächtliche Ausgangssperren (die von den meisten Ländern abgelehnt werden) – Nagel begründet sie so: „Die Aktivitätenmuster zeigen, dass das etwas bringt, gerade für weniger private Besuche am Abend.“ + Die „schweigende Bahn“ – oder, wie Nagel es als Verhaltensauflage für den ÖPNV formulierte: „Die Leute sollen still sein.“ Keine Gespräche, keine Telefonate, weniger Aerosole. + Konsequente Maskenpflicht in Innenräumen: bei der Arbeit, während des Unterrichtes, beim Besuch von Freunden – und im ÖPNV mit Schutzfaktor FFP2. Eine Beschlussvorlage für die heutige Kanzleramtsrunde erstellte anschließend ein kleiner Viererkreis: Angela Merkel, Olaf Scholz, Markus Söder und Michael Müller (über den jemand aus dem MP-Kreis gestern halb anerkennend, halb kritisch sagte: „Als MPK-Vorsitzender macht er einen wesentlich besseren Job als in Berlin.“) Aber aus den vorherigen Runden wissen wir: Nichts, was da reingeht, kommt ungeschoren wieder heraus. | |