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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 28.09.2020 | Morgens Schauer, später Wolken bei bis zu 16°C. | ||
+ Corona in Mitte: Wenige Kontrollen, kaum Anzeigen, keine Bußgelder + Weitere 180 Soldaten unterstützen Gesundheitsämter + Schlappe für Giffey in Neuköllner SPD + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, der Bezirk Mitte hat die kritischen Corona-Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten – und die anderen Innenstadtbezirke liegen nur knapp darunter. Ebenfalls zunehmend: die Berichte über illegale (Park/Späti-)Partys und Regelverstöße in Kneipen, der Berliner Soundtrack zur Pandemie. Am Dienstag berät der Senat über eine schärfere Verordnung, dabei geht es auch um ein Alkoholverbot (Müller im ZDF: „Ich glaube, dass das dringend geboten ist“ – intern rückt er davon aber bereits wieder ab). Aber wer kontrolliert eigentlich die Einhaltung der bisherigen Vorschriften – und mit welchem Erfolg? Ein exklusiver Checkpoint-Blick in die Senatsbilanz offenbart: + Covid-19-Vorstöße hat die Polizei bis zum 28. Juli überhaupt nicht erfasst. + Auch für die Zeit nach dem 28. Juli liegen Statistiken zu Kontrollen in Gaststätten nach Monaten und Bezirken nicht vor, „da diese nicht gesondert statistisch erfasst werden.“ + Polizeikontrollen finden nur im Rahmen der Amtshilfe statt, aber „eine valide Erfassung solcher Kontrollen erfolgt nicht“. + Das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg meldet insgesamt 817 Kontrollen in den Monaten Juni, Juli und August, Neukölln „mehr als 750“. Und Mitte? Gerade mal 169. + Das Ordnungsamt Mitte vermeldet für die Monate Juni, Juli und August insgesamt 36 Anzeigen, das sind 17 Prozent der Anzeigen in Friedrichshain-Kreuzberg und sogar nur zwölf Prozent im Vergleich zu Neukölln. + Für den am höchsten belasteten Bezirk Mitte wurden bei der Polizei in den sechs Wochen nach dem 28. Juli lediglich neun Ordnungswidrigkeitsanzeigen registriert, für Friedrichshain-Kreuzberg sogar nur sechs und für Neukölln nicht mehr als drei. + Und hier die Höhe der verhängten Bußgelder (Zeitraum Juni, Juli, August): Neukölln kommt auf 4010 Euro, macht aber keine Angaben darüber, wieviel davon tatsächlich eingenommen wurde. Friedrichshain-Kreuzberg rückt dazu gar keine Informationen heraus. Und Mitte? Gibt die Höhe der verhängten Bußgelder mit „0 Euro“ an. Tja, das immunisiert gegen jede Versuchung, sich an die Regeln zu halten (und lässt den Blutdruck bei jenen steigen, die es dennoch tun). | |||
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Unfreiwillig komisch (aber alles andere als lustig) ist vor diesem Hintergrund die Stellungnahme von Wirtschaftsstaatssekretär Christian Rickerts auf eine noch unveröffentlichte Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier zu Kontrollen, Anzeigen und Bußgeldern (DS 18/24781): „Subjektive Eindrücke können mit dem vorhandenen statistischen Material leider noch nicht in jedem Fall widerlegt werden.“ Der Checkpoint stellt fest: Da hat der Senat mal recht. Und Kohlmeier kommentiert: „Wer Regeln aufstellt, muss diese auch kontrollieren, statt immer neue Verbote und Regeln zu erlassen. Wir haben hier ein krasses Kontrolldefizit.“ | |||
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Besser wird’s nicht mehr, denken Sie? Na, dann warten Sie mal ab… Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat per Schreiben an alle 16.000 Gaststätten eine „Sensibilisierungskampagne“ für die Einhaltung der Corona-Regeln gestartet (gemeinsam mit „Visit Berlin“) – das Motto: „Liberté, Egalité, Charité? – Lieber Abstand halten.“ Aber in der Stadt der unkontrollierten Freiheit wird seit je her ein anderes Motto gefeiert – es lautet „legal, illegal, scheißegal“. | |||
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Unser Kollege Joachim Huber musste wegen einer Covid-19-Erkrankung lange künstlich beatmet werden – und während des wochenlangen Komas erlitt er eine Lungenembolie, totales Nierenversagen und einen Herzinfarkt. Im Gespräch mit Maris Hubschmid beschreibt er seinen harten Kampf zurück ins Leben. Über das, was sich auf den Straßen, in vielen Parks und Gaststätten abspielt, sagt er: „Wie man die eigene Position so überhöhen kann, dass man ärztliche Ratschläge missachtet, keine Maske trägt, keinen Abstand hält – das ist mir unverständlich und ich nehme das diesen Leuten persönlich übel. Die demonstrieren für Liebe und Freiheit. Liebe? Das ist Egoismus. Was an Freiheit verliert der Mensch, wenn er sich ein Stück Tuch ins Gesicht hängt?“ | |||
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Spitzenpolitiker der Linken plädieren unterdessen dafür,statt „schwarze Pädagogik oder Verbote“ lieber stärker über die Corona-Gefahren aufzuklären. In einem Beitrag für den Tagesspiegel schreiben Kultursenator Klaus Lederer sowie Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Marzahn-Hellersdorf) und ihre Kollegen Sören Benn (Pankow) und Michael Grunst (Lichtenberg): „Wir setzen auf Verständnis, Vernunft und Solidarität“, und: „Je mehr Menschen nachvollziehen, warum wir tun, was wir tun, und wie sie sich und uns alle schützen können, desto erfolgreicher werden wir die Pandemie eindämmen.“ Einschränkungen müssten, um Akzeptanz zu finden, „konsistent und für uns alle verständlich sein“. Kritisch äußert sich das Linken-Quartett über die unterschiedliche Politik: „Unsere Bezirke müssen sich, unterstützt vom Senat, stärker abstimmen als bisher und einheitlich agieren.“ Auch Auflagenverstöße sollten „in ganz Berlin gleichermaßen konsequent geahndet werden.“ Aber das… (siehe oben). | |||
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Zur Unterstützung der Gesundheitsämter schickt die Bundeswehr heute weitere 180 Soldaten an die Berliner Corona-Front – das teilte Senatorin Dilek Kalayci am Freitag den Innenstadtbezirken mit. Seit gestern wird der Einsatz mit allen Bezirken koordiniert. Dem Checkpoint sagte Kalayci, dass die Einsatzkräfte von Montag an zur Verfügung stehen (auch die „Morgenpost“ berichtet heute darüber). Nur ein von Friedrichshain-Kreuzbergern besetztes kleines Dorf hört nicht auf, den Helfern Widerstand zu leisten… (der Bezirk lehnt den Einsatz von Soldaten zur Verfolgung von Ansteckungsketten ab). | |||
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Müller-Verdränger Kevin Kühnert ist für unseren Podcast „Ein Runde Berlin“ mit Ann-Kathrin Hipp in der S-Bahn um die Innenstadt gefahren (hier zu hören) – seine vorläufige R2G-Bilanz: Berlin kann ein Vorbild sein, „wenn wir uns mal abgewöhnen, sofort zu jedem Sachverhalt immer erstmal fünf negative Punkte zu finden. Ich kann ad hoc zwanzig Sachen nennen, die schlecht gelaufen sind.“ Neben dem Radwegenetz („Das ist eine Katastrophe“, CP vom 26.9.) nennt Kühnert u.a. den Wohnungsbau: „Dieses ‚theoretisch müsste man bauen, aber bitte nicht, wenn es Dreck macht und irgendwo dafür drei hässliche Sträucher weg müssen‘, können wir uns nicht mehr erlauben.“ | |||
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Auf der Pluspunkt-Seite sieht Kevin Kühnert den Rückkauf von Wohnungen, den Mietendeckel – und: „Wir haben die Gebührenfreiheit im Bildungsbereich zu Ende gebracht. Das ist das krasseste Ding, was in der deutschen Politik seit der Bafög-Einführung für den Abbau von Bildungshürden durch Einkommensverhältnisse der Eltern gemacht wurde.“ Das sehen die Grünen allerdings anders – Monika Herrmann z.B. nannte die Abschaffung der Kitagebühren am Wochenende ein „sinnfreies Wahlgeschenk“ der SPD. Per Twitter fragt Staatssekretär Steffen Krach (Wissenschaft, SPD) die Bürgermeisterin: „Wollt ihr das nach der Wahl 2021 rückgängig machen“? Eine Antwort gab es bis heute früh nicht. | |||
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Linken-Bürgermeister Sören Benn kommentiert den Zustand der Koalition so: „Wer ein Jahr vor der Wahl ausschließlich zur Profilierung die eigene R2G-Regierung mit populistischen Dünnbrettideen an den Rand der Regierungsfähigkeit bringt, soll nicht behaupten, im Interesse der Bürger*innen zu agieren. Diese Art von ‚Politik‘ widert mich an.“ Zufällig hatte Franziska Giffey kurz zuvor u.a. den Bau von U-Bahn-Verlängerungen vorgeschlagen. | |||
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Bei unserer Müller-Umfrage vergangene Woche im CP meinten 75 Prozent: „Genug ist genug“. Doch auch seine wahrscheinliche Nachfolgerin Franziska Giffey tut sich schwer – jedenfalls auf Funktionärsebene der eigenen Partei, und das besonders in ihrem Heimatbezirk Neukölln, den sie bis 2018 selbst anführte: Bei der Delegiertenversammlung düpierte die Parteilinke den eigenen Bürgermeister Martin Hikel, der, unterstützt von Giffey, gemeinsam mit Katrin Stoye den Kreisvorsitz übernehmen wollte. Denn der bisherige Vorsitzende, Giffeys Ministeriums-Referent Severin Fischer, war gegen die Stimmen der Linken nicht mehr zu halten. Doch aus Giffeys Wunsch-Duo wurde nichts: Die Delegierten gaben der Linksaußen-Kandidatin Mirjam Blumenthal mehr Stimmen als Stoye, Hikel zog frustriert zurück. Damit sind die Machtverhältnisse im Bezirk klar, und Giffey steht vor der nächsten Niederlage: Sie hat Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner als Neuköllner Bundestagkandidaten vorgeschlagen – doch die neue Kreisvorsitzende Blumenthal unterstützt Hakan Demir, den Gegenkandidaten der Neuköllner SPD-Linken. | |||
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Auch in Mitte setzte sich bei der SPD der linke Flügel durch: Als Nachfolgerin für Eva Högl wählten die Delegierten Julia Plenert und Yannick Haan – Giffey unterstützte vergeblich die bildungspolitische Sprecherin der Abgeordnetenhaus-Fraktion Maja Lasic, die mit Frank Boermann angetreten war. | |||
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