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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 27.04.2020 | Fast nur Sonne bei bis zu 23°C. | ||
+ Lederer über Senatsbeschlüsse: „Wir sind in mancher Frage zu weit gegangen“ + Kalayci will Maskenpflicht auch in Geschäften, nicht nur im ÖPNV + Antragsstau bei Mittes Lebensmittelaufsicht + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, heute vor 100 Jahren wurde das moderne Berlin gegründet. Um 12 Uhr 30 eröffnete der Parlamentspräsident die Preußische Landesversammlung zur Entscheidung über die kommunale Verwaltungsreform – von den 313 Abgeordneten stimmten 165 dem Gesetz zur „Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ zu, acht mehr als nötig. Das Sitzungsprotokoll vermerkt „Beifall bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei“ sowie „Zischen rechts“. Als der linke Abgeordnete Weyl ruft: „Es lebe das neue Berlin!“, entsteht „große Unruhe“. Unser Kollege Kai Müller hat die dramatische Zeit für die Tagesspiegel-Seiten „Mehr Berlin“ nachgezeichnet – seinen Bericht finden Sie hier. Willy Brandt, der 1955 Regierender Bürgermeister der Einheitsgemeinde werden sollte, war gerade mal sieben Jahre alt, als zusammengestöpselt wurde, was nicht zusammengehörte. Bis heute ist Berlin eine Stadt aus verschiedenen Städten und leidet trotz nachfolgender Reformen daran, dass der märkische Sand zwischen dem Senat und den Bezirken (und auch Brandenburg) oft ebenso knirscht wie zwischen den Zähnen der Kinder am Strandbad Wannsee. Dennoch steht fest: Der parteilose Bürgermeister Adolf Wermuth hat damals die Grundlage geschaffen für das beste Berlin, das es gibt: das von heute. Und das schauen wir uns jetzt mal genauer an: | |||
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Klaus Lederer, Kultursenator und Bürgermeister, beschreibt in einem großen Stück für den Tagesspiegel, wie das so ist, das „Regieren in der Krise“. Frei von den üblichen Politsprechblasen, wie sie auf Sprechzetteln stehen und in Social-Media-Kanäle fließen (wo sie von den Urhebern als „Kommunikation“ verkauft werden), reflektiert der Jurist und Linken-Politiker die Entscheidungen des Senats („Da sind wir in mancher Frage zu weit gegangen“), aber auch seine Zweifel und Gedanken, wie z.B. nach einem Gang durch den Weinbergspark („Diese Sicherheitssuggestion ist trügerisch und gefährlich“). Ein Blick zurück, ein Blick nach vorne: Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht Kontrolle. | |||
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Die Frage hinter der Maske: Galt sie zu Beginn der Pandemie als überflüssig, weil es zu wenige davon gab? Von heute an gilt jedenfalls in Berlin eine Mundschutzpflicht in Bussen und Bahnen. Für alle, die meinen, dann müsse der Staat auch die Maskenversorgung sichern, hier ein Service-Hinweis des Neuköllner SPD-Bezirksverordneten Marco Preuß: „Der Staat schreibt euch vor, in der Öffentlichkeit nicht nackig rumzurennen, und stellt euch trotzdem keine Hosen!“ Der Senat bringt dennoch 147.000 Stoffmasken unters Volk – nur wie, das steht noch nicht fest. Hoffen wir mal, dass sich nicht die Methode Eulenspiegel durchsetzt (alle auf einen Haufen). | |||
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Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci will übrigens die Maskenpflicht auch in Geschäften einführen – es ist ein folgerichtiger Gedanke (und wird in allen anderen Bundesländern so gemacht). Nur in Restaurants dürfte es ohne Modell mit virensicherer Nahrungsschleuse schwierig werden. Cocktails in Bars ließen sich dagegen zur Not intravenös verabreichen, früher oder später landet der Alk ja ohnehin im Blut – und die Idee ist so bestechend, dass sie von Donald Trump verspritzt werden könnte wie vor ein paar Tagen das Desinfektionsmittel. Die Gesundheitsverwaltung unterstützt übrigens die Herstellung von Community-Masken durch die Theater-Werkstätten, z.B. die der Komischen Oper: Sie bestellt und kauft den Schutz dort zur Verteilung ans eigene Personal und den Krisenstab. | |||
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Stephan von Dassel hat bekanntlich Beef mit „Foodwatch“ und „Frag-den-Staat“ – die Organisationen reichten im Rahmen der Kampagne „Topf secret“ eine Untätigkeitsklage ein mit der Begründung, ihnen würde die Akteneinsicht über Lebensmittelkontrollen verwehrt. Jetzt drehte der Mitte-Bürgermeisters den Spieß um: Die Aufsicht habe im Bezirk einen „hohen Stellenwert“, von 645 Anträgen seien immerhin 238 abgeschlossen. Doch auch damit ist der Zustand unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen (zwei Monate) bestenfalls als „medium“ zu bezeichnen, „well done“ ist das nicht – manche Anträge liegen seit 14 Monaten vor. | |||
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Am Donnerstag hatten wir hier einen Tweet von Donald Trump im Original veröffentlicht, der einigen Leserinnen und Lesern schwer verständlich vorkam. Versuchen wir es heute mal mit einem Text aus der Wirtschaftswoche, in der die „arrogante Larmoyanz“ gegenüber dem US-Präsidenten in der Corona-Krise gegeißelt wird (ebenfalls im Original, also auf Deutsch). Es sind nur zwei Sätzchen, geht also schnell – wir lesen: „Gerade jetzt, wenn sich das lineare Fortschrittsversprechen einer diesseitsgläubigen Moderne einmal mehr als Chimäre erweist und der pumperlgesunde Zuversichtszwang solutionismusfrommer Tech-Conferenciers am Fels des Schicksalhaften zerschellt (Thanks, Covid!), wenn die politischen Akteure sich uns als Hüter und Schäfer anbieten, obwohl wir merken, dass die ‚halykonischen Tage‘ nicht ewig währen und unser Sekuritätstraum ans Vermessene grenzte – gerade jetzt also kommt es darauf an, dass wir uns nicht nur als ängstliche, eingeschüchterte Wesen erfahren, die ihrer Regierung Gehorsam bezeigen und in beachtlicher Geschwindigkeit neue Choreografien der maskierten Distanz und Achtsamkeit einüben. Sondern dass wir uns in diesen Wochen auch als das ‚noch nicht festgestellte Tier‘ (Friedrich Nietzsche) neu erfahren, dass wir die ‚Insecuritas humana‘ zum archimedischen Punkt unserer Freiheit, zum Spielraum unseres selbstbestimmten Handelns erklären, dass wir uns, gleichsam im erzwungenen Wartestand, als ‚Wesen mit unendlichen Möglichkeiten‘ entwerfen, verdammt dazu, sich im Spannungsfeld von ‚Ungewissheit und Wagnis‘ beständig auf den Weg zu machen, uns als ‚Sucherwesen auf gefährlicher Wanderschaft‘ zu verstehen, um es mit dem christlichen Existenzphilosophen Peter Wust zu sagen.“ Kleine CP-Sprachkritik: Der Punkt nach „einüben“ und vor „Sondern“ hätte leicht durch ein Komma ersetzt werden können, der flüssigeren Lesbarkeit wegen. Autor Dieter Schnaas, Textchef der „Wiwo“, fügte übrigens noch an: „Wust standen diese herrlich wuchtigen Sätze im Jahr 1937 noch zur Verfügung – Sätze, die uns Pathosfernen heute nicht mehr leicht über die Lippen kommen wollen.“ Natürlich nicht. Es kommentiert der große amerikanische Alltagsphilosoph Donald Duck: „Uff, ächz, seufz.“ | |||
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