|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 07.05.2020 | Sonne und Wolken wechseln sich ab bei max. 16 °C, morgen bei bis zu 20°C. | ||
+ Mehr Kontakte in der Pandemie erlaubt + Mietendeckel kommt vor das Bundesverfassungsgericht + Ministerinnen werben undurchsichtiger als Influencer + |
von Robert Ide |
|
Guten Morgen, wird jetzt jeder Tag wieder alltäglicher? Auf jeden Fall macht sich das Land nach dem Lockdown und dem Locke-down beim Friseur erneut ein wenig lockerer – ohne dass sich jetzt alle flockig vor Freude um die Hälse fallen könnten. Denn die Gefahr eines unsichtbaren Virus auf Kontaktsuche bleibt, gerade in einer dichten Stadt wie Berlin, in der die Parks und Bürgersteige (und manche Bürger in der Frühlingssonne) schnell zu voll werden. Bald immerhin darf man sich auch mit Personen eines weiteren Haushalts auf einer Caféterrasse treffen (in Bayern gilt: Kännchen erstmal nur draußen) oder zu einem Berliner Fußpils verabreden – in Sachsen-Anhalt könnte man sogar mit fünf Begleitern unterwegs sein; aber so viele muss man da erst mal auftreiben. Die Prüfung für alle wird nun, trotz gelockerter Regeln und gelösterer Stimmung, nicht in die Laune zu geraten, die weiter gültigen Abstands- und Anstandsregeln zu vergessen. Damit wir wenigstens unsere neue Alltäglichkeit nicht bald schon wieder vergessen können. | |||
|
Und hier zum Auswendiglernen noch einmal die von der Bundesregierung und den Bundesländern in föderaler Flickenvielfalt beschlossenen und vom Berliner Senat für die Hauptstadt präzisierten Regeln: – Kontakte: Treffen eines Hausstandes mit einem anderen sind drinnen und draußen erlaubt, ebenso der Besuch von Angehörigen in Pflege- und Altersheimen durch jeweils eine Person. Weitere persönliche Kontakte sind bis zum 5. Juni untersagt – außer in der Fußball-Bundesliga. – Kinder: Bis Ende Mai sollen alle Schülerinnen und Schüler wieder Unterricht erhalten, allerdings in kleineren Klassen und nur in den wichtigsten Fächern. Ab kommenden Montag starten in Berlin die ersten, fünften und siebten Klassen wieder. Auch die Kita-Betreuung soll weiter erweitert werden; wie genau, wollen die Erwachsenen noch bereden. – Konsum: Sämtliche Geschäfte dürfen, Mundschutz und Hygiene vorausgesetzt, ab Sonnabend wieder öffnen; Kosmetikstudios ab nächsten Montag. Ob die Kunden dafür offen sind, muss sich zeigen. – Speisen: In Berlin und Brandenburg öffnen Restaurants und Kneipen ab nächsten Freitag, den 15. Mai, zunächst nur bis 22 Uhr. Die Anzahl der Tische ist begrenzt, ebenso die Anzahl der Stühle an den Tischen. Bars und Diskotheken haben weiterhin Sperrstunde, obwohl die Grünen den anderen am Senatstisch gern schon einen Aperitif eingeschenkt hätten. Und obwohl in manchen Berliner Clubs sowieso immer Maskenpflicht herrscht. – Sightseeing: Ab 25. Mai dürfen Hotels wieder öffnen, jedoch ohne böses Erwachen am Frühstücksbuffet. Auch Stadtrundfahrten sind wieder erlaubt, mit Bus, Schiff oder – wie bisher – mit dem Rad. Ab 15. Mai darf man in Brandenburg campen. Zelte für Zirkusse bleiben aber verboten. Auch Theater, Opern und Konzerthäuser schließen bis Ende Juli eisern den Vorhang. – Sport: Vereine dürfen ab 15. Mai wieder im Freien trainieren – in kleinen Gruppen und kontaktlos, aber immerhin mit Ball. Freibäder könnten auch bald wieder öffnen, über deren Rettung berät der Senat am heutigen Donnerstag. Vielleicht fällt also der Sommer nicht ganz ins Wasser. | |||
|
Damit uns nach der Badesaison nicht das Virus mit der zweiten Welle erwischt (Forschungen dazu hier), wurde in die Lockerungen ein Wellenbrecher eingebaut: eine Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Derzeit liegt die abflachende Kurve der Neuinfektionen in Deutschland beim Wert 9,1 – in Berlin bei 9,8. Fünfe grade sein sollte jetzt keiner lassen; erst recht nicht die Kontrolleure in den Kreisen und Kiezen, die im Zweifel lokale Lockdowns anordnen müssten. Es kommentiert die Vorsitzende der Föderalismus-Kommission Angela Merkel: „Wenn wir dieses Vertrauen nicht mehr haben, dass Landräte, Bürgermeister, Gesundheitsämter gut arbeiten, dann können wir einpacken.“ Kontrolle ist gut, Vertrauen tut besser. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Damit nicht nur in Berlins Kleingärten ein neues Bier-Gefühl aufkommt, bereiten sich jetzt die Biergärten auf die Saison mit Molle ohne Scholle vor. An den Orankesee-Terrassen in Alt-Hohenschönhausen will man nun Masken für die Mitarbeiter im Großhandel besorgen und auf der Moabiter Freiheit denkt man über eine begrenzte Tischzeit für Gäste nach, „damit der Andrang und die Mindestabstände in Einklang gebracht werden können“, wie Oliver Sandke am Checkpoint-Telefon erzählt. Das Café am Neuen See in Tiergarten stellt derweil Tische und Speisekarten um, in diesem Sommer werden hier nur Pizza, Flammkuchen und kleinere Brötchen gebacken. Logistisch und technisch wird die Umstellung dennoch ein „großer Sprung“, wie Sven Richnow glaubt. Hoffentlich nicht in den See. | |||
|
Auf der Linie gerettet wurde die Fußball-Bundesliga, nachdem sich Herthas trauriger Stürmerclown Salomon Kalou zwischen den derzeit für alle gültigen Abstandsreihen verdribbelt und damit live bei Facebook ein „schweres Eigentor“ (Bayerns Ministerpräsident Markus Söder) geschossen hatte. Trotzdem bekommt nun der trotz Millionenverträgen teilweise hoch verschuldete Profifußball eine Extra-Stadionwurst gebraten – am 15. Mai geht die Bundesliga wieder los, allerdings mit dem Zweitliga-Klassiker Düsseldorf gegen Paderborn. Wohl schon eine Woche später darf Berlin in diesem geistlosen Geisterspiel-Saisonfinale das Stadtderby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union im leeren Olympiastadion austragen. Während die Fans dann zu Hause Pommes blau-weiß oder Popcorn rot-weiß essen, gucken sie in eine leere Schüssel. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Mit links schwang Gregor Gysi einst den Besen, mit dem er nach der friedlichen Revolution 1989 öffentlichkeitswirksam die Reste der DDR-Staatspartei SED unter den Teppich der neu gegründeten PDS kehrte. Nun schwingt der inzwischen 72-Jährige wieder das große Wort – als außenpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag. Der redegewaltige Rechtsanwalt aus Berlin, dessen schattige Stasi-Kontakte nie ganz ausgeleuchtet werden konnten, hält gleich heute seine erste Ansprache zum Antrag: „Geld für das Gesundheitssystem statt für atomwaffentragende Kampfbomber“. Schwerter zu Schutzmasken. | |||
|
Am Freitag ist Freitag – weil ausnahmsweise ein Feiertag. Denn vor 75 Jahren wurden Deutschland und die Welt am 8. Mai 1945 vom Nationalsozialismus befreit. Die Kranzniederlegungen an den sowjetischen Ehrenmälern in Schönholz, im Treptower Park und im Tiergarten finden wegen der Pandemie „unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit“ statt, wie die russische Botschaft bedauernd mitteilt. Um an die Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges und auch an die Schuld der Deutschen am weltweiten Massenmord zu erinnern, hat der Tagesspiegel intensiv zur dramatischen Zeit von Befreiung und Neuanfang recherchiert. Besonders bewegend sind dabei die Tagebücher aus den letzten Kriegstagen in Berlin (aufbereitet von Moritz Honert und Andreas Conrad; zu finden hier) sowie eine bisher unbekannte Geschichte des kleinen Mädchens Gerda, deren Ermordung im Zuge der sogenannten „Euthanasie“ erst jetzt durch die Familie der Opfer und der Täter aufgeklärt werden konnte (rekonstruiert von Anna-Theresa Bachmann; nachzulesen hier). Auf den Straßen der Stadt liegt unsere Geschichte. Es ist wichtig, sie für unser Gedächtnis aufzuheben. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Jetzt bloß weg hier! Bisher kommt man ja nur bis Geranienburg, aber ab 25. Mai sind auch wieder Fernreisen an die Ostsee erlaubt. Die könnte schon zu Pfingsten vor lauter Berliner Badebesuchern zu einem Schwarzen Meer werden. Das darß nicht sein: Überbelegte Hotels auf den Inseln will Mecklenburg-Vorpommern umgehend rügen. Falls Sie sich trotzdem Strandsand in die Augen streuen wollen, gucken Sie mal in unser neues Ostsee-Heft (erhältlich im Tagesspiegel-Shop hier). Oder warten Sie ab, bis die Urlaubsflut abebbt? Beizeiten kommen neue Gezeiten. | |||
|
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| ||||||
| ||||||
|
| |||
|
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|